Samstag, 3. März 2018

You killed me again

Und mal wieder ein kleines Metagespräch, passend zum vorigen Blogeintrag, der jedoch bedeutend später als dieses Gespräch geschrieben wurde. Wie üblich, nicht beendet. Und, mehr oder weniger passend zum Tag, da er laut Canon am 3. März auf dem Weg zu Saruman ist.

Inhalt: Es ist so weit - wieder einmal habe ich meinen Lieblingsratgeber seinen Canontod sterben lassen, und wieder einmal kommt er zu mir und klagt mich dafür an. Und die Frage kommt auf, was für Alternativen es denn gegeben hätte.






September 2015

Es klopft leise an meine Zimmertür. Erschrocken zucke ich zusammen (ich bekomme nicht oft Besuch, der sich ankündigt), und ich drehe mich um, als diese gerade geöffnet wird.
Ein Mann tritt ein, etwas unsicher auf den Beinen, in grüne, dreckige Kleidung gekleidet. Sein Umhang ist am Saum zerfranst und macht einen schäbigen Eindruck, und sein langes Haar könnte auch mal wieder eine Dusche vertragen.
Sein Gesicht ist grau, die Augen liegen tief in den Höhlen, und getrocknetes Blut klebt ihm am Mundwinkel. Auch an seinem Ärmel ist ein solcher Fleck zu sehen.
Doch vor Allem fällt der große, braunrote Fleck vorne an seiner Brust auf, die er sich hält, als würde ihn das Atmen schmerzen. Glücklicherweise sind die Pfeile bereits entfernt worden, sodass sie ihn nicht behindern.
Ich starre ihn an, während ich nervös meine Hände knete. Er hat noch nie zuvor solch einen schlimmen Eindruck gemacht, und ich weiß, dass das meine Schuld ist.
Er erwidert meinen Blick, und Spott und Anklage spricht aus ihm, da er sicherlich meine Sorge erkennt. „Du hast mich umgebracht“, sagt er trocken. „Wieder einmal.“
Ich beiße mir für einen Moment auf die Lippe. „Es... es tut mir Leid!“ stoße ich schließlich hervor und erhebe mich, gehe zögernd auf ihn zu. „Es tut mir wirklich, wirklich -“
„Bleib weg, léasere!“, knurrt er und weicht vor mir zurück, zuckt zusammen, als er gegen die Wand stößt und dort einen blutigen Fleck hinterlässt. Es ist offensichtlich, dass er Schmerzen hat.
Ich bleibe stehen und senke den Blick. „Nun gut“, seufze ich, „ich will ehrlich sein und sagen, dass es mir halbwegs Leid tut. Aber wir hatten schon lange darüber gesprochen, und Ihr ward einverstanden.“
Ohne seine Antwort abzuwarten gehe ich zur Tür und in die dahinter liegende Küche, fülle den Wasserkocher und schalte ihn an. Danach suche ich für einen Moment nach einem geeigneten Tee, ehe ich den Teebeutel in eine Tasse hänge und eine halbe Zitrone auspresse. Eine zweite Tasse stelle ich ebenfalls bereit.
Als ich wieder in den Raum komme, hat er sich auf dem Boden niedergelassen und sich gegen die Wand gelehnt. Finster blickt er zu mir auf, als ich etwas überrascht zu ihm hinabschaue.
„Ihr hättet Euch auch auf den Stuhl setzen können. Oder Euch zumindest die Decke nehmen, um es Euch ein bisschen bequemer zu machen.“
Als er darauf nicht reagiert, sondern mich nur weiterhin anstarrt, hole ich kurzerhand selbst die Decke und lasse sie vor seine Füße fallen. Einen Moment später ertönt auch das Klacken des Wasserkochers, und ich gehe wieder hinaus in die Küche, gieße es in die beiden Tassen und bleibe stehen. Ab und zu schaue ich auf mein Handy, um die Zeit abzuschätzen, und schließlich lasse ich die Teebeutel zum Abkühlen in die Spüle fallen und nehme beide Tassen an mich.

Er sieht ein wenig überrascht aus, als ich ihm wortlos die Tasse mit dem Fuchsmotiv hinhalte, nimmt sie jedoch an. Die Wärme wird ihm gut tun nach diesem kalten Novembertag. Und auch die Schmerzen werden dadurch besser werden.
Ich selbst lasse mich ihm gegenüber nieder und lehne mich gegen meinen Bettpfosten; beobachte, wie er zögerlich einen Schluck aus der dampfenden Tasse nimmt.
Er hat immer noch nichts gesagt, und so sehe ich mich gezwungen, das Wort zu ergreifen. „Es tut mir wirklich Leid“, beginne ich und überhöre sein Schnauben, „doch es war notwendig. Das wisst Ihr, wir haben da schließlich schon drüber geredet.“
„Ja“, stimmt er dunkel zu und nimmt noch einen Schluck. „Und auch darüber, dass du recht wenig Fantasie zu haben scheinst. Schließlich sahst du keine Möglichkeit, mich überleben zu lassen.“
Ich seufze auf. „Es war notwendig für den weiteren Verlauf der Geschichte. Es geht schließlich primär um stuntfola, nicht um Euch. Und wenn Ihr überlebt hättet, dann würde sie immer noch an Euch hängen und keinen eigenen Willen entwickeln. Außerdem wäre dann Eure ganze Notfallplanung umsonst gewesen.“
Seine Augen verengen sich. „Der Plan war eben dazu gedacht – im äußersten Notfall zu greifen.“
Ich seufze leise. „Natürlich, und es ist gut, dass Ihr das gemacht habt. Sie wird dankbar dafür sein; zumindest, wenn die beiden die ganzen Puzzleteile zugeordnet haben, die Ihr ihnen gegeben habt.“ Für einen Moment herrscht Schweigen zwischen uns.
„Ich meine“, beginne ich zögernd, als ich diesen stechenden, anklagenden Blick nicht länger aushalte, „es ist ja nicht so, als wenn ich nicht mit der Möglichkeit gespielt habe, Euch überleben zu lassen. Doch... was hättet Ihr geplant, wenn Euch diese Möglichkeit tatsächlich offen gestanden hätte?“
„Ich hatte nicht wirklich viel Zeit, dies zu planen, nicht wahr?“ kontert er missgelaunt. „Du hast uns ständig herum gescheucht.“
„Lenkt jetzt nicht ab! Ihr müsst doch irgendeinen Gedanken darüber gehabt haben, oder? Ihr seid schließlich auch nur ein Mensch.“
Gríma weicht meinem Blick aus, und in diesem Moment sieht er merkwürdig hilflos aus. „Ich weiß es nicht“, murmelt er schließlich, während sein Finger zuckt. „In Rohan wäre ich nicht mehr willkommen, selbst dann nicht, wenn ich mit Créofan gegangen wäre. Irgendwann hätte mich wahrscheinlich doch jemand erkannt. Nein, da wäre Gondor schon sicherer gewesen. Mit meinen Fähigkeiten hätte ich mich womöglich dort niederlassen können. Solange ich unauffällig geblieben wäre, hätte der Waldläuferkönig wohl keinen Grund gehabt, auf mich aufmerksam zu werden.“
Ich kann nicht anders, als den Mundwinkel in einem unterdrückten Grinsen zu verziehen.
„Gondor, wie?“ frage ich und rücke mich ein wenig zurecht. „Irgendwelche speziellen, äh... Ortspräferenzen? Ithilien, zum Beispiel?“
Der Blick, den er mir über den Rand seiner Tasse zuwirft, könnte den Tee sofort gefrieren lassen. „Hältst du mich für einen Narren?“ knurrt er. „Glaubst du wirklich, dass ich ohne jegliches Vorwissen zum nächsten Fürsten gehen würde? Der Fürst von Ithilien würde meinen sicheren Tod bedeuten, und den kann ich mir bedeutend leichter auf dem Weg holen.“
„Wieso?“ frage ich unschuldig nach. „Faramir ist für seine Güte bekannt, und -“
„Seine Gemahlin jedoch nicht so sehr, wie ich gehört habe“, kontert er trocken. „Ich möchte ihr nur ungern wieder über den Weg laufen. Deine alten Geschichten haben mir mehr als deutlich gezeigt, dass es dort nichts mehr für mich gibt – und es wohl niemals etwas gab.“
Ich senke betreten den Blick. Ich habe ihn wirklich durch viel durchgehen lassen, und nicht nur sein äußerliches Aussehen. Meist habe ich ihm eine höchst dramatische Vergangenheit gegeben, und ich habe ihn mehrmals schon umgebracht.
„Wisst Ihr“, beginne ich zögernd, „manchmal würde ich mir wirklich wünschen, dass Ihr irgendwie... Freundschaft schließen könnt. Dass ihr zusammenarbeiten könntet, ohne ständig die Vergangenheit vor Augen zu haben. Ich bin immer noch der Meinung, dass ihr euch eigentlich ergänzen würdet, mehr oder weniger; Ihr ähnelt Faramir in gewissen Dingen.“
Er hört mir schweigend zu.
„Nun, natürlich unterscheidet ihr euch auch – Faramir ist sehr viel einfühlsamer als Ihr das seid, und nicht ganz so egoistisch. Aber Ihr hattet Einfluss gehabt, Ihr seid wirklich gut in dem gewesen, was Ihr getan habt. Ihr denkt, ehe Ihr handelt, und das ist etwas, was Éowyn manchmal nötig hätte.“
„Ist dies der Grund, weshalb du mich in einer deiner ersten Geschichten hast überleben lassen?“
Ich nicke zögernd und zucke mit den Schultern. „Nun... ich mochte den Gedanken, dass Ihr zusammenarbeitet, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Von daher wäre das toll gewesen. Aber ich merke ja selbst, wie mir Éowyn immer mehr... entgleitet.“
„Das ist nicht meine Schuld, wie ich oft genug betont habe“, bemerkt der Ratgeber und weicht meinem Blick aus. „Dafür bist du ganz allein verantwortlich.”
„Ihr seid jedoch mein Spiegel für sie“, antworte ich. „Seid es schon immer gewesen; das weiß ich jetzt.“


***

Unfertig, wie schließlich alles hier. Wird vielleicht irgendwann nochmal in Angriff genommen werden. Falls sich jemand über das "September 2015" wundert - das ist der Zeitpunkt, an dem ich gerade seine letzten Kapitel geschriebenn hatte.

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