In der letzten Zeit bin ich merkwürdig
enttäuscht von den Antagonisten, denen ich in der Literatur begegne.
Vielleicht liegt es aber auch an zu hoch geschraubten Erwartungen.
Zum einen wäre da Mr. Teatime
(Teh-ah-tim-eh! ausgesprochen) aus dem Roman „The Hogfather“ von
Terry Pratchett. So viele haben geschrieben, dass sie Teatime mögen
und dass er es schafft, ihnen Schauer über den Rücken laufen zu
lassen, weil er so offensichtlich wahnsinnig ist. Anfangs mochte ich
ihn auch noch, fand ihn einen interessanten Charakter.
Gegen Ende hat sich das zu einer
merkwürdigen Nüchternheit entwickelt, in der ich nur noch den Kopf
über ihn geschüttelt habe. Vielleicht, weil er nicht so gehandelt
hat, wie ich es erwartete. Vielleicht, weil ich das Haus der Zahnfee
so viel beeindruckender beschrieben und die Atmosphäre dichter und
an Stephen King erinnernd fand, dass Mr. Teatime auf einmal gar nicht
mehr so bedrohlich schien. Vielleicht bin ich da ähnlich wie die
Wache, die Teatime umbringt.
„‘Ah, I‘m glad you asked, I‘m
your worst nightmare!‘ said Teatime cheerfully.
The man shuddered.
‚You mean... the one with the giant
cabbage and the sort of whirring knife thing?‘
‚Sorry?‘ Teatime looked momemtarily
nonplussed.
‚Then you‘re the one where I‘m
falling, only instead of ground underneath it‘s all -‘
[...] ‚I‘m the one where this man
comes out of nowhere and kills you stone dead.‘
The guard grinned with relief. ‚Oh,
that one‘, he said. ‚But that one‘s not very -‘“ (S.
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Das Andere wären Prince Humperdinck
und Count Rugen aus dem Buch „The Princess Bride“ von William
Goldmann. Meine Mutter, die mir das Buch empfohlen hat, hatte mich
schon vorgewarnt, dass die dortigen Antagonisten schlimmer seien als
mein Lieblingsratgeber.
Nun, das ist auch nicht sonderlich
schwierig. Man schaue sich Saruman an, den ich als schlimmer empfinde
als Gríma, oder Sauron. Roose Bolton empfinde ich auch als schlimmer
als Gríma, Voldemort, Grindelwald, Tywin Lannister, Emhyr var
Emreis, Bonhart, Vilgefortz und viele andere sind weitaus schlimmere
Antagonisten als Gríma. Es ist ja auch nicht so, dass ich Gríma
mag, weil er sonderlich böse ist, sondern weil er gerade das nicht
ist und mehr im dunkelgrauen Bereich steht.
Doch kommen wir zurück zu Prince
Humperdinck. Im ersten Moment, als Humperdincks liebstes Hobby
erwähnt wurde (neben Kriege führen), nämlich jagen, fühlte ich
mich sofort an Ramsay Snow Bolton erinnert. Und
dieser Eindruck hat sich im Buch nur bestätigt, mit dem Unterschied,
dass Humperdinck tatsächlich ein bisschen mehr von der Serienversion
von Ramsay hat als von der Buchvorlage. Ein bisschen eine Mischung
aus Ramsay und Roose, denn Humperdinck ist trotz Allem fähig zu
strategischem Denken und Manipulation. Er ist ein guter Bösewicht,
der zwar unsympathisch bleibt, aber trotzdem eine gewisse Faszination
ausstrahlt, weil er eben so gut in seinem Hobby ist, dass er sogar
Kolibris, Geparde, Fledermäuse und Giftspinnen jagt.
Deshalb wirkt es ein bisschen schwach,
dass er sich am Ende durch eine Rede so sehr einschüchtern lässt.
Es wirkt, natürlich, und es ist origineller als das Übliche „Kampf
auf Leben und Tod“, aber doch enttäuschend.
Count Rugen ist ein Sadist, der sein
Leben der Erforschung des Schmerzes verschrieben hat. Er hat eine
Maschine gebaut, die einem das Leben aussaugt und dokumentiert seine
dort gefangenen Opfer munter. Eine Art Goldmann‘scher Mengele.
Aber auch dort – ja, er ist
unsympathisch, aber auch nicht mehr. Er bleibt blass für mich, er
weckt in mir keine Gefühle. (Ich habe mich immerhin im Laufe des
Buches über Humperdinck freuen und wütend auf ihn werden können.)
Selbst über sein Bestreben, Unsterblichkeit für seinen Namen als
Erfinder der Maschine zu erlangen, habe ich nur die Stirn runzeln
können. Vielleicht, weil er die Maschine nur an einem Hund und dann
an einem der Hauptcharaktere getestet hat.
Und wenn wir schon über literarische
Figuren reden, die Mengele ähneln – sollte man nicht Vilgefortz
erwähnen? Vilgefortz, der es geschafft hat, dass ich ihn erst sehr
interessant fand mit seiner sehr höflichen Art und ich später für
einen Moment entsetzt das Buch weglegen musste, als seine Experimente
zutage kamen?
Vielleicht habe ich tatsächlich meine
Erwartungen zu hoch geschraubt. Wenn ich bedenke, wen ich zuletzt als
wirklich guten Antagonisten empfunden habe, macht das auch vielleicht
Sinn – Sato aus dem Manga Ajin von Gamon Sakurai. Sato ist sehr
erfahren, weiß über seine Grenzen Bescheid und dehnt diese aus,
nutzt sie auf sehr kreative Weise und scheut sich nicht, Opfer zu
bringen. Ich bin gespannt, wie die Protagonisten wohl weiter gegen
ihn vorgehen werden.