War Gríma schon immer dein
Lieblingscharakter im Herrn der Ringe oder hat sich das erst mit der
Zeit entwickelt?
Ich habe eine Frage auf ask bekommen –
die Zweite zu dem Thema.
„War Gríma schon immer dein
Lieblingscharakter im Herrn der Ringe oder hat sich das erst mit der
Zeit entwickelt?“
Es ist interessant, dass der Nachsatz
„oder hat sich das erst mit der Zeit entwickelt“ gefragt wurde –
wer meine Geschichten mitverfolgt hat, wird bemerken, dass es genau
das ist.
Ich warne vor - der Blogeintrag wird etwas wirr sein und wird wohl noch überarbeitet werden, aber ich schreibe seit gefühlt zwei Jahren an dem Ding und habe nicht das Gefühl, dass da sonderlich viel Klarheit reinkommt.
Erst war da Gollum. Nach dem ersten
Lesen der Bücher des „Herrn der Ringe“ war es Gollum, der meine
Faszination für sich hatte, da er einfach interessant war mit seinen
zwei Persönlichkeiten und dem Fakt, dass man nie ganz genau wissen
konnte, welcher Seite man jetzt gegenüberstand. Der Fakt, dass er
ganz offensichtlich sowohl eine gute als auch eine böse Seite
in sich hatte. Aber das blieb natürlich nicht, da ich irgendwann
Geschichten darüber schreiben wollte und man dieses Spiel eher
schlecht schriftlich darstellen konnte.
Gríma kam erst danach.
Ich kann jedoch nicht über Gríma
sprechen, ohne die ides zu erwähnen, und so werde ich mit ihr
beginnen – weil es, in gewisser Weise, tatsächlich mit ihr
begonnen hat.
Merkwürdig, eigentlich, wenn ich daran
zurückdenke. Wenn ich sagen müsste, welche Figur aus dem „Herrn
der Ringe“ mich begleitet und sich mit mir weiterentwickelt hat,
kann ich trotz allem guten Willen nicht sagen „das war Éowyn“,
obwohl mit ihr mein Fanfiktionschreiben begann.
Ich muss sagen „das war Gríma“.
Gríma hat sich in all den Geschichten weiterentwickelt,
charakterlich, moralisch; jedoch niemals Éowyn. Éowyn blieb
irgendwie immer eine recht statische Figur, die irgendwann auch ihre
Lebendigkeit verlor. (Nicht nur durch Méfugyn, sondern schon
vorher.)
Dabei hatte das mit Éowyn angefangen,
durch diese merkwürdige Diskussion zwischen zwei Freundinnen, wer
denn jetzt Arwen sein dürfe, dank der vielen Filmposter zu „The
Two Towers“, die zu der Zeit überall hingen. Weil wir beide
Aragorn toll fanden und beide Arwen sein wollten. Nun, ich habe
verloren und wurde dann eben widerwillig Éowyn. Schnell jedoch hatte
sich der Spaß an dieser Rolle eingestellt, weil als Éowyn hatte man
ja den Hexenkönig von Angmar erschlagen und war berühmt und dann
erstmals auch verletzt und konnte krank spielen. (Und immer
dramatisch in Ohnmacht fallen, wenn Aragorn kam. Ich hatte damals
noch nicht wirklich viel Ahnung von ihrem Charakter. Lustig war es
trotzdem.)
Damals habe ich noch viel aus ihrer
Sicht geschrieben, habe sie Abenteuer in Begleitung Arwens und Rosies
erleben lassen. Und schon damals kam Gríma vor, weil er der
offensichtliche Antagonist für Éowyn war. (Was sich in den Texten
dann aber doch immer eher als Saruman herausgestellt hat. Gríma war
ein... Zwischending, weil er doch meist unfreiwillig zu den Dingen
gezwungen wurde, die er tat. Vielleicht eine Art Anti-Held, obwohl
ich den Begriff damals noch nicht kannte.)
Gríma war zu dem Zeitpunkt noch sehr
beeinflusst durch die Filme und mein erstes Lesen der Bücher (was in
blassem Gesicht, schwarzem Haar und roten Augen resultierte); und so
taperte er meist Éowyn wie eine Art verliebte Welpe hinterher,
befreite sie immer mal wieder aus Isengard (weshalb auch immer
Saruman gerade Éowyn entführen wollte, da das nie so wirklich
gesagt wird) und jammerte meist gedanklich über sein Schicksal und
dass er Sarumans Befehlen folgen müsse. Ab und zu lehnte er sich
gegen ihn auf, aber da Saruman dies wusste und Gríma sich meist sehr
dämlich anstellte, klappte das natürlich nie.
Ich fand jedoch schon immer dieses
merkwürdige Machtverhältnis zwischen Gríma und Éowyn interessant,
und so tauchten die beiden häufig zusammen in Geschichten von mir
auf.
Doch zu dem Zeitpunkt bewunderte ich
Éowyn noch und stellte sie als fähige Schildmaid dar, als
selbstbewusste, etwas sanftere Fürstin Ithiliens – die definitiv
zu Faramir gehörte, nicht mehr zu Aragorn.
Gríma wurde mit den Jahren grausamer
und kälter gegenüber Éowyn, verachtender, spöttischer. Mehr auf
Macht fixiert, mehr und mehr auf den Gedanken, sie zu besitzen, zu
brechen, Kontrolle über sie zu haben. Bis er eben jetzt an
dem Punkt angelangt ist, dass er in „Cwideas“ sie eher von sich
stößt und jeden Gedanken an sie meidet, was… tatsächlich sehr
meiner eigenen Reaktion entspricht.
Es sagt eben doch schon etwas über
einen aus, wenn man in einem Traum in Minas Tirith in den Gärten der
Häuser der Heilung Éowyn auf einer Mauer sitzen sieht. Ich habe sie
dort aus Grímas Sicht gesehen, habe sie nur angeschaut, wie sie dort
gewartet hat. Kurze Zeit später kam dann Faramir, sie lächelte und
erhob sich, während ich mich mit einem Gefühl von
Frustration/Bitterkeit abgewendet habe und dachte: „Oh, please
don‘t make me watch this.“
Wie hat es jedoch der Ratgeber
geschafft, mich langsam und schleichend auf seine Seite zu ziehen?
Ich kann noch nicht einmal den genauen
Zeitpunkt sagen, an dem er meine Lieblingsfigur wurde – ich weiß
nur, dass ich damals Mitleid mit ihm bekommen hatte aufgrund seiner
Behandlung durch Saruman, durch Baumbart, der ihn zwingt, durch einen
verdammt tiefen See zu waten, obwohl er nicht schwimmen kann. Später
wird er von Saruman geschlagen und sehr offensichtlich gemobbt –
kurz vor Ende kommt er durch Sarumans Ruf auf allen Vieren
angekrochen wie ein Hund, als er ihn ruft.
Gleichzeitig war ich wohl gewissermaßen
fasziniert von dieser Abhängigkeit gegenüber Saruman, diese
Hilflosigkeit, die er ausstrahlt – etwas, in dem ich mich
vielleicht auch unbewusst selbst wiedergefunden habe aufgrund meiner
eigenen Lebenssituation zu dem Zeitpunkt. In eine vollkommen neue
Situation geworfen zu werden und gezwungen zu sein, damit umgehen zu
müssen.
Was mich in dem Sinne sehr mit Gríma
verbindet und was mich tatsächlich eine gewisse Sympathie mit ihm
haben lässt, ist die Angst.
Anfangs war das sehr auf die
Filmversion bezogen, weil man seine Furcht sieht, als Théoden wieder
zu Sinnen kommt und das Schwert über ihm erhebt. (Und seien wir
ehrlich – wer möchte schon gerne sterben?) Das war einer der
Momente, in denen ich mich auf einmal mit ihm verbunden gefühlt
habe, was im Grunde auch eines der Hauptthemen in „Cwideas“ ist.
Éowyn hat diese Furcht nicht; nicht in
meiner Vorstellung, was vielleicht daran liegt, dass ich sie nicht
wirklich verstehe – Gríma ist da sehr viel einfacher.
Zu dem Zeitpunkt begann ich mich zu
fragen, wie er zu dem wurde, was er in den letzten Monaten seines
Lebens im Buch ist, und ich habe lange versucht, eine Erklärung
dafür zu finden und habe mehrere verschiedene Headcanons zu seiner
Figur, denn Tolkien ist äußerst sparsam, was
Hintergrundinformationen über ihn angeht – man erfährt eigentlich
nur, dass sein Vater Gálmód genannt wurde, und dass er einst
Théoden aus aufrichtiger Überzeugung heraus diente. (Laut Gandalf,
aber ist Gandalf nicht auch eine nicht ganz vertrauenswürdige
Quelle?)
Und natürlich war da Éowyn. Wie ich
schon sagte; ich kann nicht über ihn reden, ohne die ides zu
erwähnen, denn in den Filmen ist das Augenmerk hauptsächlich auf
sie gerichtet, was zumindest die versprochene Belohnung von Saruman
angeht. Ich teile seine Faszination für Éowyn, sein letztendliches
Unverständnis von ihrem Charakter.
Es ist wohl bezeichnend, dass meine
erste Geschichte mit ihnen, die ich auf FF.de mit ihnen hochlud,
letzten Endes darauf hinausläuft, dass sie beide gezwungenermaßen
zusammenarbeiten. Sie wissen um die Vergangenheit, sie
arbeiten äußerst widerwillig zusammen, aber sie tun es – was
nicht auf ein zwangsläufiges Pairing der beiden hinausläuft. Das
habe ich ausprobiert, und ich weiß, dass dies nicht funktioniert.
Nicht mit diesem ungesunden Machthunger, den Gríma ihr gegenüber
hat, und nicht mit dem Freiheitsdrang, den Éowyn besitzt. (Weshalb
sonst wäre ich gezwungen gewesen, sie einzusperren?)
Tatsächlich erfand ich sehr früh
einen eigenen Antagonisten für meine Geschichten, weil ich mich
schon damals darüber aufregte, dass der Ratgeber in den Filmen als
so offensichtlich böse dargestellt wurde. Meine Wut darüber, dass
gerade solch eine wichtige Person, die es ja schließlich irgendwie
geschafft haben musste, für neun Jahre lang ihr Amt im
Dienste des Königs zu halten, von Peter Jackson als so
offensichtlich antagonistisch dargestellt wurde, war ziemlich groß.
Man könnte sich fragen, weshalb Théoden überhaupt so jemanden
eingestellt hatte, der offensichtlich nichts Gutes im Schilde führte.
Weshalb andere nichts früher gegen ihn unternahmen, oder weshalb
diese Maßnahmen so lange so nichtig waren, dass der Ratgeber seinen
Einfluss weiter ausweiten konnte.
Deshalb, inspiriert von vielem
Anime-Schauen, wurde also ein schönes, junges Love-Interest an
Éowyns Seite gestellt, dem sie natürlich alles Andere als abgeneigt
war und vor dem Gríma sie warn… ah, ich sehe, worauf dies
hinausläuft. Oh ja, schon damals, als ich es nicht wahrhaben wollte,
lagen meine Sympathien sehr klar bei dem Ratgeber.
Wie dem auch sei, Gríma fiel meist die
Rolle zu, das Fürstenpaar vor dem gefährlichen, bösen, fanatisch
Saruman-dienenden Eorling zu warnen, das Fürstenpaar hörte nicht
auf ihn und der Eorling offenbarte sein wahres Gesicht, während
Gríma entweder widerwillig zur Rettung kam oder später mit einem
trockenen „Ich habe es Euch doch gesagt“ auftauchte…
Es ist sehr ironisch, das zugeben zu
müssen, aber wenn ich ehrlich bin, war es wohl doch schon immer
Gríma, dem meine Sympathie galt. Weil er eine schwächere Seite der
Figuren verkörperte und gleichzeitig aber so unsympathisch ist.
Wie Súlime kann also auch ich sagen,
dass ich in jedem meiner Texte einen neuen Aspekt an ihm finde,
wieder ein Stück weit seine Persönlichkeit verändere, weil ich
glaube, dass dieser Teil besser an seinen eigentlichen Charakter
herankommt – nur, um nach einiger Zeit festzustellen, dass ich ihm
immer noch nicht gerecht werde.
Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Hut
vor Tolkien.
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