Donnerstag, 17. März 2016

Ides, cwén, méowle - Respekt wird durch Anrede ausgedrückt

Argh, was nützt eine Abstimmung über das Thema eines neuen Blogeintrages, wenn sich der Autor des Blogs nicht daran hält, weil einfach hundert neue Ideen auf einen eingestürmt kommen? ._. Im Bus kam mir auf einmal die Idee einer Art Rechtfertigung mit Argumenten, weshalb ich Gríma (schon wieder) habe sterben lassen, obwohl sich da niemand so wirklich drüber beschwert hat. Irgendwie habe ich trotzdem das Gefühl, mich für diese Wahl (die schließlich eigentlich von Anfang an fest stand) rechtfertigen zu müssen, und ich habe keine Ahnung, warum. (Schuldgefühle? Ha.)
Dann, weil ich letztens mal wieder kurz zusammengezuckt bin, weil mich in einem Blog unerwartet ein GIF von Éowyn angesprungen hat, in dem sie ihr „Your words are poison“ ausspuckt und ich mich daraufhin etwas beleidigt/angegriffen gefühlt habe. (Ich meine, seriously, I think that was sort of meant as a compliment. At least that part with the stolen bit from Aragorn, „as a pale morning in spring“ and so on. Unless you mean the words before that. And not to mention that awkward silence that stretches and stretches and stretches until she snaps out of whatever-trance-she-was-in.) Und dabei weiß ich, was die Szene ausdrücken soll, aber bei genauerem Nachdenken fühlt es sich trotzdem merkwürdig an. Aber das vielleicht in einem anderen Post. *seufz* Zu viele Plotbunnies.


Worauf ich aber in diesem Beitrag eingehen wollte (und ich entschuldige mich wirklich sehr bei allen, die auf den „happy coupling“-Beitrag gewartet haben; der wird noch kommen, wenn ich mehr Inspiration habe, wie es weitergehen soll, weil ich da im Moment in der Mitte hänge), ist die Bedeutung des Wortes „ides“, welches ich ja so oft in meinen Geschichten benutze.
Um eine weibliche Person zu beschreiben, gibt es im Altenglischen recht viele Worte: bryd (junge Frau), cwén (Prinzessin, Königin), cwene (Weib, Dienerin, Dirne), cwæn (Gattin, Fürstin), fæmme (Jungfrau, Frau, Weib), frówe (Frau), geresta (Bettgenossin), hlæfdige (Frau, Herrin), ides (Jungfrau, Frau, Königin, weibliches Wesen, edle Frau), méowle (Mädchen, Jungfrau), resta (Bettgenossin), wíf (Weib, Ehefrau), wífmann (Weib, Dienerin), alæte (geschiedene Frau), æwe (verheiratete Frau).
Mir fällt auf, dass das Wort mægþ, welches ich als „Mädchen“ in meiner Geschichte „Cwideas“ übersetzt habe, in meinem Altenglisch-Wörterbuch gar nicht drinsteht. Womöglich muss ich das, wie Krähenfuß stuntfola die ganze Zeit nennt, dann eben nochmal in méowle umbenennen.
Zumindest drei Bezeichnungen der Wortliste oben habe ich in meiner Geschichte „Cwideas“ übernommen: Die Worte ides, hlæfdige, cwén, mægþ/méowle und (angedeutet) cwene.
Fangen wir mit ides an.



Das Wort ides hat zwar eigentlich diese sehr breite Bedeutung und geht von „Frau“ über „Jungfrau“ hin zu „Königin“, aber ich glaube, ich habe mich hierbei sehr von der Bedeutung der „edlen Frau“ leiten lassen. Es ist, in meinem Headcanon zumindest, zu einer respektvollen Bezeichnung für eine junge (meist unverheiratete) Frau geworden, die ein Teil des Königshauses ist. (Wobei selbst respektvolle Worte, je nach Betonung, natürlich auch verspottend gemeint werden können.*) Von daher wird die Bezeichnung meist von Leuten benutzt, die zwar älter als die Angesprochene sind, nach Rang gesehen jedoch unter ihr stehen. Von daher meine Übersetzung der „jungen Herrin“.
Man könnte natürlich anmerken: Hat Gríma aber nicht in Kapitel 13 die junge Frau, höchstwahrscheinlich die Tochter des Dorfvorstehers, mit ides angesprochen? Der Mann dort war doch weder der König selbst, noch ein Fürst, sondern einfach nur ein Dorfvorsteher? Gríma steht als Ratgeber des Königs gesellschaftlich gesehen dann doch eigentlich weit über ihm.
Worauf ich erwidern würde: Stimmt natürlich, das tut er. Aber Gríma lügt, um sich die Gunst des Dorfvorstehers zu sichern, da er nicht genau weiß, wie schnell sich die Nachricht von seinem Verrat verbreitet hat, und er ist vorsichtig. Die ganze Zeremonie in der Halle ist eher nur ein heuchlerisches Spiel von ihm, ebenso das Kompliment, welches er gibt. Schließlich reagiert er doch recht verächtlich, als er und stuntfola wieder vor der Halle sind.
Ich blickte zu ihm hoch und grinste. „Ihr habt der jungen Dame ja anscheinend ein großes Kompliment gegeben.“
„Stille, stuntfola“, knurrte Folcwita, und seine Stimme klang mehr als genervt. „Ich bin nur den Höflichkeiten nachgekommen. Der Verstand der Närrin dort würde nicht mal in eine Nussschale passen. Komm jetzt und rede nicht zu viel, ehe wir wieder unterwegs sind.“
Fakt ist auch, dass ich schon so oft das Wort ides als eine Art Synonym für Éowyn aus dem Blickwinkel Grímas benutzt habe, dass ich es manchmal selbst beinahe lieber benutze, als ihren Namen zu sagen. Meist passiert das, wenn ich mich über sie aufrege oder wenn sie in einer Geschichte etwas Dummes tut – da kommt dann meist ein lautlos geseufztes „Weshalb, ides?“ durch meinen Kopf.

Das Wort cwén hat mich in der Bedeutung der „Prinzessin“ gestört – vielleicht, weil ich das Wort mit einer klassischen Prinzessin verbunden habe und Éowyn dem Bild nicht wirklich entspricht, vielleicht, weil ich davon ausgegangen bin, dass Éowyn sich selbst nicht als „Prinzessin“ bezeichnen wollen würde, weil sie ja so gerne in eine Schlacht ziehen würde, um Ruhm und Ehre zu erringen. Von daher bin ich davon ausgegangen, dass Éowyn sich selbst nicht als cwén bezeichnen würde und dass die Personen um sie herum dies wissen.
In Erweiterung hierzu kommt das Wort cwene. Es wird zwar niemals im Text erwähnt, doch es schwingt einmal sehr stark in dem von Krähenfuß gesagten Satz „Þú sculdest an cwén on hire cnéowum forsacan náht“ (Kapitel 50) mit. „Du solltest einer Frau auf Knien nichts verweigern“ lautet die Übersetzung des Satzes, ausgehend von dem Fakt, dass stuntfola in diesem Moment tatsächlich vor ihnen beiden kniet und in ihrer ohnehin schon demütigenden Lage auch noch auf ihre Hilfe angewiesen ist. Doch Krähenfuß wäre nicht Krähenfuß, wenn er es sich verkneifen könnte, in solch einem Satz nicht doch mal wieder eine Anspielung fallen zu lassen.
Das Wort cwén kann, wie oben ausgeführt, Frau, Prinzessin oder gar Königin bedeuten. Krähenfuß, wohl von Éowyn und ihrer Bedeutung für Gríma wissend, spielt hier natürlich auf sie an. Der Kontext des Satzes, der, wie stuntfola auch schließlich selbst anmerkt, sehr respektlos ist und keine sonderlich schmeichelhafte Sicht auf Frauen durchblicken lässt, spielt beinahe mehr auf den Begriff cwene an. Was bedeutet das Wort cwene? Es bezeichnet eine weibliche Person in einer niedrigeren Stellung, laut Übersetzung tatsächlich Dienerin und selbst Dirne. Vielleicht hätte Gríma die Frau in Kapitel sechs (Himmel, ist das lange her) nicht als hóre, sondern als cwene beschimpfen sollen, seinem doch eher gehobenen Sprachgebrauch wohl eher angemessen. (Wobei es zu Fréareð schon wieder passt, dies in seiner Wut zu schreien, ehe Krähenfuß ihn ja auch dort unterbricht.)
Fakt ist, dass Krähenfuß Éowyn niemals gesehen hat. Er hat nur gerüchteweise von ihr gehört und eben das, was Gríma erzählt hat, was wohl schon wenig genug gewesen sein wird. Zudem geht man meist von sich selbst aus, und da Krähenfuß eben Krähenfuß ist (und Saruman vor ca. 10 Kapiteln ja auch eine ähnliche Anspielung beim Wein machte), erlaubt er sich hier dieses Wortspiel, um den ehemaligen Ratgeber zu provozieren. Ich wage zu behaupten, dass es ihm ausgezeichnet gelingt und Gríma, zusätzlich zu dem, was Saruman kurz vorher zu ihm sagte, dementsprechend angefressen sein dürfte. Von daher ist die (vielleicht überfällige?) Ohrfeige im nächsten Kapitel beinahe verständlich.

Das Wort hlæfdige, welches stuntfola ja auch sehr am Anfang beigebracht bekommt, hatte ich damals als eine Art „verheiratetes“ ides angesehen. Sodass die Bezeichnung ides für jüngere, unverheiratete Frauen gilt, und hlæfdige für ältere, verheiratete Frauen. Weil hlaford und hlæfdige so schön zusammenpassten, was aber womöglich falsch ist. Man siehe sich die Bezeichnung cwæn an, was schließlich mitunter auch Fürstin bedeutet.

Und somit kommen wir dann noch einmal zu dem Wort mægþ, bzw. méowle. Jeder (bis auf Gríma und Saruman, die beide eher das geschlechtsneutrale cild, also Kind, bevorzugen zu scheinen) bezeichnet stuntfola als Mädchen. Ich habe noch nicht einmal genauer darüber nachgedacht, was der Grund dafür sein könnte; im „Duft“ wird Rýne auch ständig mehr oder weniger nachsichtig als „Mädchen“ bezeichnet. Das hat sich beim Schreiben aus einem mir unbekannten Grund so ergeben, wobei ich zugeben muss, dass bei den meisten ein etwas... nun, nicht ganz verächtlicher Unterton mitschwingt, aber so etwas in die Richtung. Die meisten dieser Männer trauen den Protagonisten nicht wirklich viel zu und betonen diesen Fakt, als ob dies am Geschlecht liegen würde.
Natürlich tut es dies nicht. Stuntfola und Rýne entwickeln im Laufe der Geschichte eine ganz eigene, innere Stärke, die jedoch vorerst von den Männern nicht angesehen wird.
Nichtsdestotrotz könnte ich beinahe für jeden Charakter, der gegenüber meinen Protagonistinnen das Wort „Mädchen“ in den Mund nimmt, mehr oder weniger die genauen Gründe für diese Bezeichnung und den Grad an Beleidigung oder Nachsicht, der in dem Wort steckt, analysieren und hier auflisten. Vielleicht wird die Liste hier später noch mit eingefügt.
Was mich, zugegeben, auch wieder auf den Gedanken bringt, dass keiner der Strolche auf die Idee gekommen ist, stuntfola mit Éowyn zu verwechseln. Nur funktioniert das nicht, weil eben niemand außer Krähenfuß von Éowyn und ihrer Rolle in Bezug auf Gríma weiß. Schade eigentlich; ich könnte mir vorstellen, dass das lustig geworden wäre. ^^ (Obwohl die Anspielungen von sowohl Krähenfuß als auch Saruman in der Hinsicht wohl genügen.)



* Als ich dabei war, das Buch „A Feast for Crows“ zu lesen, fiel mir diese kleine Passage bei einem Brienne POV auf, in der sie auf Ser Hyle Hunt trifft. Dort (so genau habe ich das leider nicht mehr im Kopf, und im Buch finde ich die Stelle nicht wieder) sagt sie, dass er sie nicht seine „lady“ ist, woraufhin er spöttisch erwidert, ob er sie dann „ser“ nennen soll.
Ich hatte tatsächlich einen OS geschrieben, in dem Gríma Éowyn die gleiche Frage stellt und ihr anbietet, sie zukünftig mit „mein Herr“ anzureden, wenn sie doch so gerne in einer Schlacht mitkämpfen möchte. Da der OS an sich und vor Allem Éowyns Reaktion auf seine Worte aber nicht allzu viel Sinn machten, lud ich diesen nie hoch.

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