Freitag, 14. September 2018

"First Law" - Prolog "Das Ende vom Anfang aller Spannung"

Lasst uns die "First Law" – Trilogie von Joe Abercrombie lesen!
Der erste Band trägt den Titel "The Blade itself", was poetisch klingt und alles bedeuten könnte. Da finde ich "Half a King" besser.
Und es beginnt mit einem Prolog, der "The End" heißt. Finde ich ja eigentlich kreativ, aber... nun, wir werden sehen. (Beziehungsweise sehen, wie weit ich überhaupt komme.)


Wir beginnen mit einem Protagonisten, der sich Logen nennt, keine Schuhe hat und durch einen Tannenwald rennt. Alles deutet darauf hin, dass er auf der Flucht ist oder gerade barfuß Holz hacken war, so genau weiß man das nicht; sicher ist nur, dass er eine Axt bei sich hat. Er stolpert und fällt hin. Vor einem Moment ist noch jemand namens „der Hundemann“, aka „the Dogman“ bei ihm gewesen, doch jetzt nicht mehr. Wir erfahren, dass Logen wohl der Anführer von… einer Gruppe oder einer Bande von Heimatlosen oder so gewesen ist, denn er ist ein wenig ironisch gegenüber sich selbst. „Some leader, getting split up from his boys like that.“ Zumindest kann er nicht zu ihnen zurück, weil die „Shanka“ überall sind. Im ersten Moment habe ich an eine Art vierbeinige Tiere gedacht, was vielleicht der Leseerfahrung von „Half a King“ geschuldet ist.
Logen jedenfalls riecht die Shanka überall (was für ein Geruch genau das ist, wird nicht gesagt), hört Kampfgeräusche und beschließt, sich so leise wie möglich wieder zu erheben, was aber nicht klappt, da er den obligatorischen Zweig knacken hört und kurz darauf einen Speer sieht, der auf ihn zusaust. „A cruel-looking spear, coming at him fast with a Shanka on the other end of it.“ Der Satz ist lustig, ich musste schmunzeln.
Logen ist sehr eloquent und sehr gefühlvoll bei dieser Bedrohung: „‘Shit“, said Logen.“ Das hört sich so an, als wenn er gerade entdeckt hat, dass sein Schuh ein Loch hat; nicht, als wenn er gerade voller Adrenalin einem Speer ausweicht, der auf ihn zuschießt. Wenn er es wenigstens keuchen, zischen oder sonst wie lautmalerischer… ausdrücken würde… zumindest ist die Beschreibung danach besser, spricht mehr von einer hektischen Flucht. Er versteckt sich danach hinter einem großen Baumstamm, lockt den Shanka dorthin und benutzt den alten „von einer Seite herausschauen und dann von der anderen herausspringen“-Trick und tötet den Shanka mit der Axt. Der zieht im Todeskrampf die Axt mit sich herunter und zuckt danach noch so unkontrollierbar, dass Logen der Spitze des Speeres ausweichen muss. Wie realistisch das ist, weiß ich nicht.
Abercrombie beweist wieder einmal sein Talent für eloquente Sätze: „‘Gah!‘ squawked Logen as the spear cut a nick on his arm.“ Jetzt sehe ich Logen auf einmal als Huhn vor meinem inneren Auge. Und er spürt den nächsten Schatten auf sein Gesicht fallen, und entdeckt, dass ein weiterer „Flachkopf“ auf ihn zuspringt. (Die Flachköpfe aus dem „Twig“-Roman? Die waren cool, ich mochte die.) Logen öffnet jedenfalls etwas dümmlich den Mund, weiß aber nicht, was er sagen soll, und der Erzähler merkt poetisch an: „What do you say at a time like this?“ Gee, keine Ahnung, Erzähler. Abgesehen davon, dass das ein Slapstick-Moment ist, der eher aus einer Comic-Verfilmung zu kommen scheint, dachte ich eigentlich, dass der geöffnete Mund des Entsetzens eher daher kommt, dass man tief Luft holt und einem eigentlich ein Schrei im Hals stecken bleibt. Nicht, dass man unbedingt etwas sagen möchte.
Logen und der Shanka prallen aufeinander und rollen durch Dornen, Büsche und Unterholz. Und dann einen Hang hinunter, und Logen hat eine durchaus amüsante Erleuchtung:

It had seemed a clever notion to pitch camp near the gorge. No chance of anyone sneaking up behind.
Now, as Logen slid over the edge on his belly, the idea lost much of its appeal.

Zeigt sehr schön, dass jede Entscheidung zweischneidig sein kann. Logen fällt jedenfalls die Klippe hinunter (weshalb nur erinnert mich das an Aragorn? Weshalb sieht Logen in meinem Kopf ohnehin fast wie Viggo Mortensen aus?), bemüht sich, noch irgendetwas zu fassen zu bekommen und kriegt tatsächlich auch eine Baumwurzel zwischen die Finger. Erleichtert ruft er seinen Triumph hinaus (wir erfahren, dass er den Beinamen „Ninefingers“ hat) und beginnt, sich hochzuziehen… bemerkt aber erst dann, dass da irgendein schweres Gewicht an seinen Beinen hängt. Weshalb ihm das nicht früher aufgefallen ist, frage ich mich. Der Abgrund wird sehr schön beschrieben, inklusive weiß schäumendem Wasser tief unten und zerklüfteten Felswänden.
Das ist jedoch nicht sein einziges Problem; denn ein Shanka hängt ihm (wortwörtlich) am Bein. Beziehungsweise ist es der gleiche Shanka, mit dem er runtergefallen ist. Logens Kommentar dazu? „‘Shit‘, muttered Logen.“ Kein Gefühl dabei, dass ihm da eine potentielle Gefahr am Knöchel baumelt. Er denkt ein wenig über sein Leben nach, ein Leben voller Gewalt und Blut, kein sonderlich tolles Leben; alles, während er sich eigentlich mal so langsam überlegen müsste, wie er aus dieser Lage herauskommt.
Der Flachkopf zumindest fällt nicht von allein runter, und es wird gezeigt, dass die Viecher auch noch ziemlich blöd sind – er öffnet den Mund und beißt Logen in das Bein. Logen grunzt lautmalerisch „‘Aaaargh!‘“ (ich hätte für Grunzen ja eher ein „Ghaarh“ oder ein „Grrrrgh“ verwendet) und tritt dem Shanka in das Gesicht, nachdem er noch kurz darüber nachdenkt, dass er selbst ja so etwas Blödes nicht getan hätte, weil sein Leben von dem Mann, an dessen Bein er da hängt, abhängt. Natürlich. Ich wüsste gerne, was diese Pseudo-orks für eine Kultur haben, dass es für sie wichtiger ist, einen Feind umzubringen als das eigene Leben zu retten. Und weshalb versucht der Flachkopf nicht, an Logen hochzuklettern?
Logen jedenfalls rutscht und kann sich nicht mehr lange an der Wurzel halten, und deshalb sagt er sich selbst, dass er die Wahl zwischen Wasser und Stein irgendwann wird treffen müssen, und so stößt er sich ab. Der Shanka lässt ihn los und fällt ungünstig gegen den Fels, während Logen von den Wassermassen in die Seite „like a charging bull“ getroffen wird. Was mir sagt, dass er falsch aufgekommen ist und er jetzt sicherlich ein paar gebrochene Rippen haben wird. Und dann wird Logen bewusstlos, und wir sind mit dem Prolog durch...

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für diesen Blogeintrag! Ich musste sehr grinsen bei Logens verbalen Ergüssen und den Pseudo-Orks. (Dabei hatte ich mich in "Half a King" so gefreut, als sich die vermeintlichen Wilden als freundlich und klug herausstellten...) Den Spitznamen "Ninefingers" hat er doch auch von Frodo geklaut, oder?

    Ich konnte mir das Szenario, wie Logen da an der Klippe baumelt mit dem Feind wortwörtlich an den Fersen, bildhaft vorstellen, dank Tom Cruises Einsatz im letzten "Mission Impossible". Es klingt ein wenig so, als hätte Abercrombie hier das literarische Äquivalent eines Action-Films schreiben wollen, nur, dass es nicht funktioniert...

    Bitte schreib weiter an diesem MSTing, ich freue mich schon auf mehr!

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