Freitag, 24. August 2018

Schattenworte, Part 2

Und hier das erste (und letzte) Kapitel.





1. Kapitel: Eine Bitte



Éowyn, Éomunds Tochter wanderte gedankenverloren durch die vertrauten Gänge Meduseldes. Es tat gut, wieder hier zu sein; den vertrauten Duft des dunklen Holzes einzuatmen und sich an die wenigen, glücklichen Stunden zurückzuerinnern, die sie hier mit ihrem Bruder zusammen verbracht hatte.
Éomer hatte vor wenigen Tagen ihren Gemahl zu sich gerufen, da sie Nachrichten von Feindlichkeiten, die manches Mal in blutigen Auseinandersetzungen zwischen Eorlingas und Gondorrim ausarteten, in den Dörfern nahe der Grenze bekommen hatten. Faramir sollte sich selbst davon überzeugen, und so war er mit ihm gegangen.
In der Zwischenzeit waren die Vorfälle zurückgegangen, doch es war nicht sicher, dass dies nicht wieder geschehen konnte.
Faramir hatte seine Gemahlin eigentlich gerne sicher in dem großen Fürstenhaus in Ithilien gewusst, doch Éowyn hatte darauf bestanden, mitzukommen. Niemand könne ihr schließlich verbieten, ihren Bruder sehen zu wollen, und so hatte Faramir schließlich nachgegeben. Mittlerweile hatte er ihre Sturheit schätzen gelernt.
Naneth!
Die helle Kinderstimme riss sie aus ihren Gedanken, und ehe ihr bewusst wurde, woher die Stimme kam, flog etwas Blondes auf sie zu und warf sich in ihre Arme.
Die Fürstin lachte auf und strich durch das helle Haar ihres Sohnes. „Elboron! Habe ich dir nicht gesagt, dass du in den Gängen nicht laufen sollst?“
Elboron blickte atemlos zu ihr auf, sein Gesicht gerötet vom Spiel. „Aber naneth; Elfwine ist -“
„Gefunden!“
Elboron quietschte auf, als Elfwine um die Ecke gelaufen kam, und versteckte sich hinter seiner Mutter. Der Sohn Éomers jedoch ließ sich dadurch nicht abbringen und lief zielstrebig auf den anderen zu, und so jagten sie einander eine Weile, immer rund um die Fürstin herum, bis je eine Hand sie mit festem Griff am Kragen packte.
Heald, hréohhengas!“ Die Fürstin sah mit gespielter Strenge auf die beiden Jungen herab. „Spielt meinethalben, aber spielt draußen! Dort stört ihr niemandem mit eurem Spiel, und die Diener müssen nicht aufpassen, euch auszuweichen. Achtet nur darauf, dass jemand ein Auge auf euch hat! Husch! Hinaus!“ Und mit diesen Worten scheuchte sie die Kinder in Richtung der Halle davon.
Sie lächelte, als sie den Beiden nachblickte, wie sie lachend aus ihrem Blickfeld verschwanden und ihr Lachen verhallte.
Elboron war um ein Jahr älter als sein Vetter, Elfwine müsste nun also sieben Jahre alt sein. An der Hochzeit ihres Bruders mit Lothíriel hatte sie bereits stolz einen kleinen Bauch vorzeigen können, und die Art, wie Lothíriel und ihr Bruder sich angelächelt hatten, hatte ihr gesagt, dass Lothíriels Schwangerschaft auch nicht lange auf sich warten lassen würde, was es auch nicht getan hatte.

Jemand beobachtete sie.

Sie spürte es an dem vertrauten Gefühl, wie sich auf einmal ihre Nackenhaare aufstellten, und für einen Moment legte sich ein Schatten auf ihr Herz, einer dunklen Schwinge gleich, die es umschloss und seine eisigen Klauen in es schlug. Es schien dunkler geworden zu sein im Gang; die Schatten wirkten tiefer, und ihr Herz klopfte laut in der plötzlichen Stille.
Sie fuhr herum, und für einen Moment erwartete sie, blasse Augen zu sehen, die sie aus den Schatten hinaus betrachteten, ein dünnes Lächeln, halb wissend, halb spöttisch, das bleiche Lippen zierte.
Doch dort war nichts dergleichen, bis sich eine Gestalt aus den Schatten löste und leise lachte. „Du bemerkst es immer, nicht wahr?“
Éowyns Angst war mit einem Mal fort, und sie legte den Kopf schräg und lächelte verschmitzt. „Natürlich tue ich dies. Man muss schließlich immer wachsam sein, wie du mir selbst beigebracht hast, Liebster.“
Faramir schüttelte sein rotblondes Haupt. „Der Krieg ist vorüber, und das, womit wir zu tun haben, sind nur die Nachwirkungen dessen. Es ist nicht mehr nötig, hinter jeder Ecke einen Feind zu vermuten.“
„Manches jedoch kann man nicht verlernen, selbst, wenn man es gerne wollte. Man kann nur versuchen, es zu vergessen.“ Sie war bei diesen Worten ernst geworden, doch nun zwang sie sich zu einem Lächeln. „Dein Sohn freut sich offensichtlich über die Gesellschaft Elfwines. Beide kamen vor wenigen Augenblicken auf mich zu gestürmt, sodass ich sie hinaus schicken musste. Bei ihren wilden Spielen muss man ja um die Dienerschaft fürchten.“
Der Truchsess lächelte sanft. „Es ist ebenso dein Sohn, vergiss das nicht. Und ich denke, ich weiß, von wem er sein wildes Wesen hat.“
„Das denke ich auch.“ Die raue Stimme Éomers klang belustigt, während der König den Gang entlang auf das Truchsesspaar zu kam. „Ich habe dich gesucht, sweostor, und auch dich, Faramir. Umso größer ist mein Glück, euch beide hier vereint anzutreffen.“
Broðor“, erwiderte Éowyn sanft. „Was führt dich zu uns?“
Der König wurde ernst. „Ich bitte euch, mit mir zu kommen. Möglicherweise könnt ihr mir weiterhelfen.“


Éomer bot ihnen Sitzplätze in seinem Gemach an, ehe er sich selbst niederließ. Es war groß und geräumig, und ausgestattet mit bequemen, gepolsterten Stühlen.
Éowyn lächelte ihren Bruder an, als sie das Schriftstück sah, welches auf dem kleinen Tisch vor ihm lag. „Sind es die Worte, die dir Schwierigkeiten bereiten?“ neckte sie. „Ich dachte, dass Lothíriel dir dabei hilft.“
„Dies tut sie auch“, erwiderte der König etwas ungehalten. „Doch lebt sie noch nicht so lange in der Mark, und das, was mir Schwierigkeiten bereitet, hat eben damit zu tun.“ Er schob den Brief dem Fürstenpaar zu. „Bitte, lest.“
Schweigend aneinander gelehnt lasen Éowyn und Faramir den Brief, während Éomer sie unruhig beobachtete.
Schließlich blickte Éowyn auf und runzelte die Stirn. „Und was hat es mit diesem Brief auf sich? Er ist von einem Mann geschrieben worden, der allen Anscheins nach von seinem Vater fort wollte.“
„Und der vor ungefähr 49 Jahren verfasst wurde, wenn man das Datum im Kopfteil bedenkt“, bemerkte Faramir verwundert. „Woher hast du diesen Brief?“
Éomer senkte den Blick. „Eine Eorlingu, Frau Prúdwen aus der Ostfold, hat diesen Brief in einer ihrer Truhen gefunden und bittet mich nun, den Verfasser ausfindig zu machen, da sie glaubt, dass dieser ein lang verlorener Verwandter von ihr sei.“
Faramir betrachtete ihn scharf. „Du glaubst nicht daran.“
„Nein“, antwortete Éomer. „Sie hat den Brief in einer Truhe gefunden. Wer weiß, in wessen Besitz die Truhe früher gewesen ist? Es ist nicht sicher, dass der Brief irgendetwas mit ihr zu tun hat. Dennoch habe ich vor einigen Tagen zwölf Reiter ausgeschickt, von denen jeder eine Kopie des Briefes bei sich trägt.“
Éowyn beugte sich vor und legte ihrem Bruder sanft die Hand auf den Arm. „Und doch bedrückt dich etwas, Bruder.“
Der König seufzte, und als er schließlich sprach, war seine Stimme leise. „Heute Morgen kam einer der Reiter zurück; einer derjenigen, die ich zu zweit ausgeschickt hatte, da sie in die Westfold sollten. Er war in einer schlechten Verfassung, und als ich ihn fragte, was mit seinem Kameraden geschehen sei, berichtete er, dass sie kurz nach der Grenze zur Westfold von Wegelagerern angegriffen worden seien. Das Pferd des anderen Reiters wurde durch einen Pfeil getötet, und ihm selbst wurde die Tasche entrissen, in der sich der Brief befand. Ihm sei gerade so noch die Flucht gelungen. Er weiß nicht, was mit dem anderen Reiter geschehen ist, fürchtet jedoch das Schlimmste.“
„Die Männer werden enttäuscht sein, wenn sie bemerken, dass sich in der Tasche nur ein Brief befand“, merkte Éowyn belustigt an.
„Möglicherweise“, sagte Éomer ernst. „Doch eigentlich sollten keine Wegelagerer so nahe an der Aldburg und der Grenze zur Folde sein. Ich werde wohl noch einmal mit Herrn Néathain reden müssen, am besten so schnell wie möglich.“
Éowyn blickte ihren Bruder nachdenklich an. „Du musst dies nicht selbst tun, das weißt du.“
„Und wen soll ich schicken? Meine Männer haben zu tun.“
„Du hast Lothíriel und deinen Sohn hier. Du darfst sie nicht so einfach verlassen. Schicke jemanden, dem du vertraust; einen deiner Berater, einen deiner Marschälle. Sie werden es dir nicht übel nehmen, wenn sie etwas mehr Arbeit haben.“
„Ich möchte keinen meiner Männer gefährden, wenn es stimmt, dass in der Nähe von Aldburg Räuber lauern“, sagte Éomer, und Éowyn schnaubte.
„Du würdest sie ebenso gefährden, würdest du selbst reiten! Seit wann bist du so edelmütig und möchtest alle Männer in Sicherheit wissen? Es ist kein Krieg mehr, falls Ihr es noch nicht mitbekommen habt, Herr Éomer!“ Ihre Augen blitzten, und auf einmal richtete Éomer sich auf und schlug mit der Faust auf den Tisch.
„Erzähle mir nicht, wie ich mein Königreich zu lenken habe, Schwester, denn dies versuchen meine Berater und die Fürsten schon zu genüge!“
Éowyns erschrockener Blick wurde sanft, als sie verstand, und sie rang für einen Moment sichtlich bestürzt mit Worten. „Höre auf sie, aber behalte deinen Kopf bei dir“, sagte sie schließlich leise. „Ich weiß, woran du denkst, Éomer. Die Erinnerung an ihn verfolgt mich ebenfalls, immer noch. Zu lange habe ich ihm zugehört, als dass er so leicht wieder aus meinem Kopf verschwinden könnte, doch ich versuche, ihn zu vergessen. Du hast dafür Lothíriel und Elfwine; ich habe Faramir und Elboron, die mir helfen, zu vergessen. Er ist fort.“
Sie beugte sich über den Tisch und legte ihre Hand auf die Seine.
Éomer atmete tief durch, dann hob er den Blick und sah seiner Schwester in die grauen Augen. „Wahr sprichst du; man sollte die Vergangenheit ruhen lassen. Ich habe niemandem, dem ich so sehr vertraue wie dir, Schwester; selbst, als du in der Schlacht dieses Vertrauen missbrauchtest. Würdest du nicht mit deinem Gemahl nun in Ithilien leben, so würde ich dich jedem meiner Berater vorziehen. Und doch... ich weiß, dass ich das nicht kann. Von daher bitte ich euch: Würdet ihr euch des Gespräches von Herrn Néathain annehmen?“

Faramir wechselte mit Éowyn einen kurzen Blick und nickte. „Die Angelegenheiten, weswegen ich kam, haben sich beruhigt“, sagte er und lächelte. „Ich würde mich freuen, wenn deine Schwester mir noch ein wenig mehr von eurer schönen Heimat zeigen könnte.“



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ENDE

Und mehr gibt es nicht; es gibt nur die Inhaltsangabe und einen weiteren Anfang dieser Geschichte, der jedoch aus der Sicht von zwei OCs geschrieben ist - einmal Cenwulfs tatsächlichem Bruder/Vetter (der keine Ahnung vom späteren Namen Cenwulfs hat und dies im Laufe der Geschichte herausfindet) und einem Strolch Sarumans, der seine Erinnerungen an die Dinge, die er unter diesem tun musste (namely rohirrische Frauen entführen und nach Isengard zu bringen, um dort... mit den Uruk-Hai zu helfen), jedoch sehr stark unterdrückt und verdrängt hat.

Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich den Fakt, dass Éowyn spürt, wenn sie beobachtet wird, gut und subtil genug finde oder einfach nur übertrieben. Klar, ein Trauma ist nicht so einfach abzuschütteln und braucht je nach Person manchmal Jahre, bis es weit genug verarbeitet ist, dass die betreffende Person ein normales Leben führen kann.
Ich mag zumindest, dass es hier die ides ist, die ihren Bruder daran erinnert, dass die Vergangenheit eben... nun, vergangen ist. (Auch, wenn die Wortwahl "tot" Éomer vielleicht eher beruhigt hätte als "fort". "Fort" impliziert, dass er irgendwo noch lauert und irgendwann wieder auftauchen könnte, was, wenn man meine anderen Geschichten anschaut, gar nicht mal ao unwahrscheinlich ist. ^^' Aber nicht in dieser Geschichte.) Auch mag ich, dass sie anscheinend besser darüber hinweggekommen ist als ihr Bruder, was, denke ich, mit ihrem Aufenthalt in den Häusern der Heilung zu tun hat. Von Éomer wurde sicherlich eher erwartet, dass er sofort die Königswürde annimmt und allgemein funktioniert; ich glaube auch, dass die rohirrische Kultur wenig Verständnis für männliche psychologische Probleme hat. Insofern würde Éomer natürlich weniger verarbeitet haben als seine Schwester, und ich mag den Gedanken, dass er oder sein Sohn vielleicht etwas an der Gesellschaft ändern würden in der Hinsicht und mehr Rücksicht darauf nehmen.

Insgesamt - Traumata macht Spaß zu schreiben. (Méfugyn wird mir zustimmen, nicht wahr, ides Méfugyn?)

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