Montag, 10. August 2020

Vertrauen ist nicht zum Einfordern gedacht!

Sie blickte sich hilflos um. „Ich weiß nicht, wo ich bin“, sagte sie mit bebender Stimme. „Ich weiß auch nicht, wie ich hierher gekommen bin und wo ich bleiben soll. Könnten Sie vielleicht -“
„Dich aufnehmen?“ Der Mann, der sie vor wenigen Minuten gefunden hatte, lächelte auf sie herab. „Natürlich. Ich war ohnehin gerade auf dem Weg nach Hause.“
Das Mädchen stutzte. „Ähm -“ begann sie wachsam, „ich meinte eigentlich, ob -“
„Du kannst mir vertrauen“, sagte der Mann mit warmer Stimme. „Vor mir brauchst du keine Angst zu haben, ich werde dir nichts tun, und du hast mir geholfen. Ich bin dir was schuldig. Komm, ich wohne nicht weit weg, und wir haben ein Gästezimmer frei.“ Und er drehte sich um und ging ein paar Schritte, ehe er merkte, dass sie ihm nicht folgte.
„Ich wollte Sie eigentlich nach dem Weg zur nächsten Polizeistation fragen“, stieß das Mädchen hervor, welches nun die Arme verschränkt hatte.
„Aber der Weg zu mir ist kürzer“, erwiderte der Mann, der nun leicht verdutzt schien. „Komm schon, ich will dir nichts Böses. Bei uns hast du Essen und ein Dach über dem Kopf. Und du kannst bei uns so lange wie nötig bleiben.“
„Ich möchte lieber so schnell wie möglich nach einem Weg nach Hause su -“
„Du brauchst wirklich keine Angst vor mir zu haben.“ Der Mann lachte leise. „Ich werde dich schon nicht fressen. Aber gut: Wenn du wirklich lieber allein in einer dir fremden Stadt umherirren möchtest, ist das deine Sache. Ich stelle mich da nicht gegen deine Entscheidung.“ 

Na? Hat es jemand erkannt?
Das hier ist im Grunde das Gespräch zwischen Aragorn und Marotte, etwas weiter ausgeführt, aus Kapitel zwei von Waldläufer im Weltenwandel, nur mit vertauschten Rollen. Um zu erklären, weshalb das so auf mich wirkte.
Das hier habe ich noch einmal zur Verdeutlichung geschrieben, wie gruselig Marotte herüberkommt, und weshalb ich den Satz „du kannst mir vertrauen“ von im Grunde fremden Personen hasse.
Vertrauen ist etwas, das man freiwillig gibt – niemand hat das Recht, sich herauszunehmen, Vertrauen einzufordern. Und Leute, die Vertrauen einfordern wollen und dann beleidigt reagieren, wenn man es nicht gibt, sind ohnehin Menschen, denen man lieber aus dem Weg gehen sollte.
Es will schon etwas heißen, wenn ich Marotte gedanklich mit Gríma vergleiche. 

Ich möchte wirklich Vaseline zurück. Die war zwar allmächtig, aber wenigstens nicht so gruselig wie Marotte. Marotte macht einen nur immens angewidert und wütend und sehr, sehr müde.

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