Donnerstag, 9. Januar 2020

Lass uns über Furcht reden: Weshalb furchtlose Charaktere langweilig sind

Ein recht kurzer Blogeintrag, denn im Moment fehlt die Motivation für Längeres.

Ich habe mich selbst gefragt, weshalb ich so häufig dazu tendiere, die Augen über Mary-Sues/Gary-Stus zu verdrehen. Sicherlich hat das mit den mangelnden Konsequenzen zu tun, dem Fakt, dass sich das Universum meist um den/die Protagonist/in dreht.
 Über die mangelnden Gefühle, über die mangelnde Furcht.




Versteht mich nicht falsch, in den meisten Büchern/Fanfiktions haben Protagonisten allen Grund, seitenlang in Panikattacken auszubrechen, und gerade dies ringt mir meist nur ein müdes Lächeln ab. Es wirkt in vielen Fällen aufgesetzt, heuchlerisch, affektiert. Weshalb?
Weil es meist Dinge sind, für die sie ohnehin nichts können, und deshalb kommt keine Spannung auf – wir wissen, dass die Mary-Sue ja nicht wirklich für ihren Zustand verantwortlich ist.
Meist sind dies Flüche, die generationsbedingt auf die Protagonistin übertragen wurde, eine seltene Krankheit, die ihr das Leben schwer macht, eine Familie, die sie missbraucht hat, Sklavenhandel – die Liste lässt sich fortführen. Es ist zu einem Klischee geworden, welches nur dazu da ist, dem Leser Instant-Sympathie und -Mitleid für die Sue abzugewinnen.
Es wirkt nicht, weil man dahinter sehr leicht den Autoren durchschimmern sieht, der den Leser dazu bringen möchte, seinen Protagonisten auf jeden Fall zu mögen und mit ihm ab sofort einer Meinung zu sein, für den Rest des Buches und darüber hinaus in alle Ewigkeit! Du musst meinen Protagonisten mögen, verdammt!

Ich sage nicht, dass man die Furcht rausnehmen sollte, aber vielleicht einfach den Grund dafür ein wenig abändern. Lasst die unsichtbaren Dämonen, die ihr, wie prophezeit, seit ihrer Geburt folgen und Tod und Verderben über alles bringen, zu Hause.
Lasst es stattdessen ihre eigene Wahl sein, ob sie die großen, unsichtbaren Dämonen beschwört, um die Festung des bösen Tyrannen zu zerstören – dabei aber hunderte von unschuldigen Bediensteten/Gefangene ermordet. (Und wehe, die Gefangenen werden durch Autorenpower im letzten Moment einfach wegteleportiert!)
Oder, um ein weniger dramatisches Beispiel zu nehmen: Lasst sie darüber nachdenken, ob und wie sie ihren Freunden davon erzählt, dass sie das gesamte Reisegeld dazu benutzt hat, um eine Spende an die Bedürftigen in der Kirche von Ghârzabul zu geben. Denn damit beweist die Mary nicht nur Empathie, sondern sie muss auch mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen konfrontiert werden.
Furcht funktioniert nur mit echten Konsequenzen. Und, so unglaublich es auch klingt – normalerweise wecken Zweifel Sympathie für den Charakter.

Natürlich ist da das altbekannte „aber – aber durch Furcht wirkt mein Charakter schwach! Er soll nicht schwach sein, er ist cool und stark!“ Gejammere.
Ich verstehe das; man gibt nicht gerne Schwäche zu. Vor Allem nicht, wenn man gerade eigentlich nur diese tolle Fantasie vom coolen Orkschlächter ausleben möchte.
Der springende Punkt ist jedoch: Der coole Orkschlächter, der ohne jegliche Emotion alle Lebewesen abschlachtet, die ihm vor die Klinge kommen, ist langweilig.
Weshalb sollte man mit ihm mitfiebern, wenn er keine Furcht empfindet? Man weiß ja doch, dass jeder Kampf im Grunde ein reiner Münzwurf ist – entweder, er überlebt oder er geht drauf. (Und die Chance ist signifikant höher, dass er überlebt, weil ansonsten wäre ja das Buch schon zu Ende.) Und selbst, wenn man einen Fluch einbaut, der dem coolen Orkschlächter langsam das Leben aussaugt – toll, der Orkschlächter fürchtet um sein Leben. Soll er halt den Beruf wechseln, wenn ihm scharfe Klingen so viele Sorgen machen.
Auf der anderen Seite ist es einfach nicht cool, vom verfluchten Bäckermeister zu lesen, der Seite für Seite seinem Tagewerk nachkommt, nicht wahr? (Obwohl die Idee interessant klingt…)
Im Grunde läuft es doch einfach wieder auf ein bisschen Ehrlichkeit und Empathie hinaus, die der Protagonist besitzen sollte – zumindest gegenüber dem Leser. Das macht sein Handeln nachvollziehbarer.

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