Donnerstag, 5. September 2019

"First Law" - 2. Kapitel (Teil 2) "Noch mehr Fragen darüber, was das Ganze soll"

Und es geht weiter. Kleine Spoiler zum „Duft des Grases im Wind“, die im Text gekennzeichnet sind.



Es ist ja wieder etwas Zeit vergangen. Das letzte Mal haben wir Glokta und seinen Nemesis (Treppen!) kennengelernt. Außerdem ist Glokta Inquisitor und hat einen Mann namens Rews vor sich, ein Händler der Stoffgilde, dem er Geld abgeknöpft hat und als Begründung irgendwas von Steuerhinterzug und dessen Frau geredet hat. All das kam nicht sehr überzeugend herüber, aber da die Charaktere hier in der Geschichte alle doof sind, glaubt man ihm das.
Unser Inquisitor wurde jedoch zu seinem Ärger unterbrochen, da sein Vorgesetzter, Superior Kalyne, ihn sehen möchte.
Und so geht es weiter.




Severard, ein weiterer Practical und Untergebener Gloktas, wartet im Korridor auf ihn. Die einzige Beschreibung, die wir von ihm bekommen, ist, dass er langes, fettiges Haar hat und dass er immer lächelt. Lässt mich jetzt sehr an Theon Greyjoy denken, und mal sehen, ob Severard später auch solch ein Schicksal erfahren wird.
Glokta fragt ihn, ob er die Kiste habe (er bestätigt), ob er etwas für Frost herausgenommen habe (er bestätigt) und ob er auch etwas für seine Frau herausgenommen habe. (Er bestätigt und fügt hinzu, dass das der Fall sein sollte, wenn er jemals eine haben sollte.)
Der Inquisitor hat einen Termin mit seinem Vorgesetzten, und er instruiert Severard, dass er nach fünf Minuten mit der Truhe hereinkommen soll.
„‘Just barge into his office?‘
Barge in and stab him in the face for all I care.‘
I’d consider that done, Inquisitor.’
Glokta nodded, turned away, then turned back. ‘Don’t really stab him, eh, Severard?’
The Practical smiled with his eyes and sheathed his vicious-looking knife.
Ich musste da sogar ein bisschen schmunzeln, auch, wenn ich mich frage, wann Severard sein Messer gezogen hat und was der Sinn gewesen ist – womöglich, um Severard als übereifrig darzustellen.
Gloktas Vorgesetzter, zu dem er gerufen wird, ist ganz oben im Haus der Fragen, und Glokta hält anscheinend nicht wirklich viel von dem Mann. Allein sein Büro wird schon als zu edel und zu groß beschrieben. Und Vorgesetzter Kalyne ist ein eindrucksvoller Mann, aber Glokta hat (natürlich) keine Angst vor ihm. Er beschäftigt sich mehr damit, dem rant seines Vorgesetzten nicht zuzuhören und sich stattdessen vorzustellen, wie es wäre, seinen Kopf anstatt dem des exotischen Nordtieres über dem Kamin hängen zu sehen.
He’s every bit like his fireplace, the big dolt. Looks impressive, but there’s not much going on underneath.
Kalyne ist sehr verärgert, dass Glokta es gewagt hat, die Händlergilde anzugreifen, denn natürlich sind sie alle in illegale Geschäfte verwickelt und außerdem dafür verantwortlich, dass die Inquisition, vermutlich durch Bestechungen, ihr Geld bekommt. Deshalb ist eine ungeschriebene Regel: Wir greifen die Händlergilde nicht an.
„‘When the Mercers find out about this they‘ll have you flayed!‘ (Kalyne)
I tried flaying, it tickles.‘
Ha ha, Glokta, wie lustig. Schön und gut, dass du keinen Respekt vor deinem Vorgesetzten hast, aber das solltest du vielleicht nicht so heraushängen lassen. Glokta stimmt mir immerhin gedanklich zu und verflucht sich selbst.
Kalyne schreit und spuckt weiter, dass sie Rews freilassen müssen, aber ihn in seiner Lage wohl nicht freilassen werden können, weil die Gilde ihnen sonst jegliche Mittel entziehen könnte. Er droht, „straight to the Arch Lector“ zu gehen, welches wohl die höchste Instanz der Hierarchie ist.

Doch dazu kommt es nicht, denn die Tür fliegt auf und Severard kommt hereinspaziert, unter dem Arm die große Kiste, die er auf den Schreibtisch stellt. Stellt sich heraus, dass die Kiste voller Geld ist – Rews‘ Geld.
Glokta sieht zufrieden zu, wie Kalyne sich hinsetzt und nachdenklich wird, und Glokta meint, dass das Geld von Rews konfisziert wurde und dass es ja jetzt der Krone gehöre – und er es seinem direkten Vorgesetzten geben wollte, damit dieser es sicher in die Schatzkammer bringen könne. (Wir alle wissen, dass es stattdessen in ein neues Möbelstück gehen wird, inklusive dem Inquisitor.) Ich vergrabe ein wenig mein Gesicht in den Händen, denn das ist eine ziemlich offensichtliche Bestechung, und indem Kalyne sie annimmt, gibt er Glokta mehr Macht… dieser beginnt auch gleich, auf Kalyne einzureden und zu sagen, dass sie mehr Einfluss zeigen müssen, dass dies die Gilden nervös machen wird und sie mehr Geld aus ihnen herausquetschen können. Woher kommt mir dieses Verhalten nur so bekannt vor, frage ich mich…
Kalyne stimmt zu, auf einmal ganz zahm, ermahnt aber Glokta, ihn das nächste Mal vorzuwarnen. Glokta reagiert nicht darauf, und sein Vorgesetzter erinnert ihn daran, dass er Rews‘ Geständnis mitnehmen wird müssen, wenn er das nächste Mal mit den Händlern redet.



Als Glokta zu Rews zurückkehrt, ist dieser tatsächlich so verprügelt, dass er wohl eher schlecht zur Gilde zurück kann. Glokta verschwendet jedoch keine Zeit mit Höflichkeiten, sondern versucht gleich, Rews einzuschüchtern. Er spielt sich selbst auf, sagt, dass Practical Frost ja ein Kätzchen gegen ihn selbst gewesen sei und fordert seinen Handlanger auf, ihm seine eigenen Instrumente zu zeigen. Glokta hält seine Instrumente gut in Stand, denn sie glänzen und glitzern im Licht (*singt* „These are my friends/ See how they glisten/ See this one shine/ How he smiles in the light/ My friend, my faithful friend“! Für alle, die es nicht erkannt haben: Das Lied ist aus Sweeney Todd, als er zum ersten Mal seine Rasiermesser wiedersieht.), und natürlich ist Rews entsetzt davon.
Glokta beginnt nun, laut über Rews Zahn zu grübeln, wie versprochen… wird jedoch durch ein Klopfen unterbrochen. Schon wieder. Das denkt auch Glokta, bis er hört, dass es der „Arth Ector“ (Frosts Aussprache, wegen seines Lispelns) höchstpersönlich sei, woraufhin er natürlich… irgendwie nicht nervös wird. Nur ein leichtes Kribbeln empfindet er, beim Gedanken, als eine unkenntliche Leiche im Fluss aufzutauchen, und es ist fast ein kleines bisschen niedlich, wie er nur denkt „no more stairs“. Aber nur fast. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass man Lispeln nicht so schreibt und man ein L trotz Lispelns ohne große Probleme aussprechen kann. Terry Pratchett, zum Beispiel, hat das Lispeln seiner Igors weitaus besser gemacht.
Der Arch Lector steht draußen im Flur herum, und er hat langes, weißes Haar und eine blendend weiße Robe, weiße Handschuhe und oh mein Gott, es ist Gandalf der Weiße. Oder Saruman. Umso mehr, weil der Typ sich in sechs Jahren nicht verändert haben soll, und er ist über 60.
Sein Name ist übrigens Sult, worüber ich ein bisschen dunkel lachen musste, weil… auf Dänisch bedeutet sult Hunger. Ein treffender Name für den höchsten Inquisitor.
Arch Lector Sult lächelt dünn, und Glokta analysiert das Lächeln, das alles, nur keine Freundlichkeit bedeutet. Sult streckt ihm die Hand hin, und Glokta küsst den Ring, natürlich unter Schmerzen. Sult macht einen auf arroganten Saruman und führt Glokta in sein eigenes Büro, und selbst hier denkt Glokta ein random „Bastard“. Abercrombie, entweder hat Glokta Respekt vor seinem Chef oder auch nicht, aber ich bekomme hier so gar kein Gefühl von ihm, wie er zu ihm steht. Nichts. Deshalb verwirrt mich der random Gedanke gerade auch so sehr.
Im Büro von Sult angekommen setzt sich der Arch Lector und bietet Glokta den anderen Stuhl an – der, der normalerweise für den Gefangenen benutzt wird. Glokta will erst stehenbleiben, aber der Arch Lector überzeugt ihn mit einem strahlend weißen Lächeln, während er Dokumente ordnet. „No, you don‘t.
I had a visit from Superior Kalyne not long ago. He was most upset.“ erzählt er weiter, und ich bin höchst verwirrt. Glokta ist gerade eben erst von Kalyne wiedergekommen, und schon ist der zum Arch Lector gelaufen und hat ihm das alles erzählt? Hat er den langen, langen Bericht, dass Glokta ein wahnsinniger Krüppel ist, etwa schon vorbereitet gehabt, als Glokta zu ihm kam? Und wäre es nicht nett gewesen, das irgendwie ein bisschen früher zu erfahren? So kommt das alles etwas aus dem Nichts.
Der Arch Lector beginnt auf einmal, über Gloktas Vergangenheit zu philosophieren: Glokta war einst ein Edelmann aus einer noblen Familie, ein begnadeter Schwertkämpfer (der Beste, natürlich), ein wundervoller Offizier. Dann kam der Krieg, und Glokta wurde gefangengenommen und gefoltert – und zum Erstaunen aller am Ende wieder lebend ausgehändigt.
Sult fragt Glokta, ob er geredet hat, und… Glokta lacht, denn natürlich hat er geredet. Mir ist bei der Beschreibung ein Schauder über den Rücken gelaufen. „I talked until my throat was raw. I told them everything I could think of. I screamed every secret I‘d ever heard of. I babbled like a fool. When I ran out of things to tell them I made things up. I pissed myself and cried like a little girl. Everyone does.“ Fast, zumindest.


*Tiefes Seufzen* Und das, genau der zweitletzte Satz - „When I ran out of things to tell them I made things up“ - ist der Grund, weshalb Folter normalerweise nicht für Geständnisse benutzt wird. Irgendwann wird, wie schon im ersten Teil erwähnt, das Opfer alles mögliche sagen, nur, damit eben die Schmerzen aufhören. Es wird für falsche Geständnisse benutzt, für brainwashing; dafür, dass die Opfer später Aussagen treffen, die günstig für die Folterer oder deren Auftraggeber sind. Deshalb ist es denkbar schlecht, handfeste Informationen damit erlangen zu wollen, denn wie soll man überprüfen, ob das Opfer jetzt gerade die Wahrheit sagt oder lügt? Es kostet viel zu viel Zeit.
Theon Greyjoy wurde nicht zu Reek, weil Ramsay so unbedingt an Informationen wollte – Reek war dazu da, um später wieder zu Theon zu werden, damit er gegenüber den Northern Lords aussagen konnte, dass er Winterfell niedergebrannt und Bran und Rickon getötet hätte, obwohl das natürlich Ramsays Werk war.
Spoiler! zum „Duft“:
(Merkt man, dass ich mich nicht motivieren kann, da weiterzuschreiben, wenn ich hier schon alle Spoiler poste?)


Kehren wir zu Abercrombie zurück, so gerne ich das alles noch weiter ausführen würde.
Sult nennt Glokta eine Mary-Sue, indem er sagt, dass niemand auch nur halb so lange in den Gefängnissen des Kaisers überlebt hat (zwei Jahre, um genau zu sein). Das habe ich gebraucht; eine Erinnerung, dass selbst Glokta ein verdammter Gary-Stu ist.
Glokta wurde nach seiner einjährigen Heilung zu den Minen nach Angland geschickt, um dort die Produktion zu überwachen. Angland war, laut Glokta, ein stinkendes, korruptes Loch der Gewalt, wo all jene hingeschickt wurden, die… äh, wo befinden wir uns nochmal? Also, die die Hauptstadt nicht haben wollte, die ganzen politischen Gefangenen und Mörder und so. Laut sagt er, dass es dort kalt war. Haha, was für ein Witz, Mark.
Wie dem auch sei, nach drei Jahren war die Produktion angestiegen – und natürlich haben sie das Glokta zuzuschreiben, der laut Sult, sich nur wenige Freunde in der Inquisition gemacht hat. (Woher wollen sie das wissen?) Also wurde Glokta zurückgeholt und Kalyne gegeben, damit er dort Disziplin lernen solle – nirgendwo wurde gesagt, dass er disziplinlos sei. Hat bisher nicht geklappt, niemand mag ihn und seine Methoden und seine Arroganz, aber er bringt Ergebnisse und Geld. Das gefällt Arch Lector Sult natürlich, und so fordert er ihn auf „Sepp dan Teufel“ gefangenzunehmen. Noch so ein ironischer Name.
Sepp dan Teufel ist der Meister der Münzen, und alles scheint ein langwieriges Spiel von Sult zu sein. Glokta soll ihm sein Geständnis gleich morgen bringen und ist dann auch schon entlassen.
Grüblerisch kehrt er zu Rews zurück, zwingt ihn, auch eben Herrn Teufel zu nennen und auf die Liste zu schreiben, und Rews… scheint noch nicht so sehr angeschlagen zu sein, denn er bemerkt, dass er den Mann nicht einmal persönlich kennt. Da hat die Folter nicht ganz das gewünschte Ergebnis gebracht. Er hat sogar noch genug Willen, um Glokta zuzurufen, wohin er nun gebracht wird. (Auch das irgendwie ohne jegliches Gefühl, keine Beschreibung, wie seine Stimme klingt, nur, dass er ruft.)
Angland, Rews. Don‘t forget to pack something warm.“ *lächelt müde und unamüsiert* Glokta muss es ja wissen…
Vor dem Raum wartet Severard, der fragt, ob er Rews umbringen soll, doch Glokta verneint und sagt, dass sie Sepp dan Teufel gefangennehmen müssen.
Severard reagiert überrascht (anscheinend ist Teufel so mächtig, dass er sonst nicht angerührt wird), und Glokta sagt ihm, dass er sich bereit machen soll, ehe er mit brennendem Bein und der immerwährenden Frage „Why do I do this?“ den Korridor entlang humpelt.
Und damit endet das Kapitel.
Was ich daraus mitgenommen habe? Glokta ist doch unsympathischer, als ich ihn in Erinnerung hatte.


Das nächste Kapitel ist wieder ein Logen-Kapitel. Oh Gott.

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