Mittwoch, 7. November 2018

Alternativszenen "Cwideas", Teil 2

Und der zweite Teil der Alternativszenen steht. Spoilerwarnung für die Kapitel 54 – 58: Dies ist eine Sammlung der Alternativszenen von dem letzten Gespräch in der Hütte, und dem, was kurz darauf folgt.
Ich wünsche viel Vergnügen, denn diese Szene war von Anfang an geplant und durchlief entsprechend viele Änderungen. Wie üblich, von mir kommentiert und erklärt.
Viel Spaß!






„Ich werde sterben, nicht wahr?“ fragte er auf einmal leise, und ich schnappte, überrascht von der plötzlichen Frage, nach Luft.
„Wie... wie kommt Ihr darauf?“ fragte ich nervös, um Zeit zu gewinnen.
„Immer, wenn die Sprache auf den Tod kommt, wirfst du mir diese... mitleidigen Blicke zu. Als ob nicht du es bist, um deren Tod du fürchtest, sondern um Meinen. Als ob du weißt, was mir bevorstehen wird.“


Eigentlich fand ich mich selbst schlau, Gríma selber herausfinden zu lassen, dass stuntfola etwas von seinem kommenden Tod weiß. Zumindest, bis mir klar wurde, dass das bei seinem Charakter vollkommen unlogisch ist. Außerdem war seine Frage zu unspezifisch – natürlich sollte es eine Falle sein, um stuntfola nervös zu machen und herauszufinden, ob sie ihm damals nicht doch etwas verheimlicht hat – aber wenn stuntfola einen etwas kühleren Kopf bewahrt hätte, hätte sie auch gut „Ja. In zehn bis zwanzig Jahren, oder später. Alle Menschen sterben irgendwann.“ antworten können.
Und weshalb es irrsinnig ist, weshalb Gríma allein an stuntfolas ängstlichem Blick erkennt, dass da irgendjemandes Tod kurz bevorsteht, brauche ich nicht zu erläutern, oder? Ich fürchte, ich hatte seinen Satz im Film - „You see much“ - wohl etwas zu wortwörtlich genommen.




„So gesehen verstehe ich Éomer besser, als er glaubte.“


Gríma sollte, nachdem er stuntfola von Céne erzählt und sie ihm gestand, ihn am Anfang mit Éomer verwechselt zu haben, bitter kommentieren, dass ihm Éomers Beschützerinstinkt gegenüber seiner Schwester ja noch nicht einmal sonderlich fremd ist. Was aber so ziemlich heuchlerisch herüberkam, und mir selbst und ihm wurde das auch ziemlich schnell klar.




„Dank Théodens sogenannter Güte und Gnade wurde ein Mann laufen gelassen, der ein gesamtes Dorf zerstört hatte. Ich hatte damals noch nicht die Worte, um ihn zu überzeugen, also konnte ich nur zusehen, wie der Mann davonging, lebend und unversehrt. Dies war auch die Zeit, in der ich meinen Namen bekam: Maske.“
Ich schluckte. Das hörte sich schrecklich an, doch auf der anderen Seite konnte ich nicht glauben, dass Théoden so etwas getan hatte.
„Théoden hat Euch auch laufen lassen“, bemerkte ich leise.
„Nachdem Sturmkrähe ihn überredete. Er stellte mich vor die Wahl, entweder mit ihm in die Schlacht zu reiten und dort den sicheren Tod zu finden... doch das weißt du schon, und doch weißt du so wenig. Du weißt dies schließlich nur aus einem Buch.
Ich starrte ihn an.
„Und Bücher werden meist von Schreibern geschrieben, mit einer bestimmten Absicht. Sie mag erst nicht ganz deutlich sein, doch die Absicht ist da und wird den Leser prägen; der Schreiber spielt schließlich mit dem Leser und beeinflusst mit Worten seine Sicht der Dinge. Nichts anderes tut man, wenn man Menschen von bestimmten Blickwinkeln überzeugt.“


Man wird es vielleicht bemerkt haben – der Anfang ist eine Zusammenstellung verschiedener Zitate aus Kapitel 56, die umgestellt und anders in den Zusammenhang gesetzt wurden. Und dann die Sache mit dem Buch – eigentlich gefällt mir der Ansatz, dass auch in Büchern nicht alle Wahrheit steht, sehr gut, aber es passte letztendlich nicht in das Gespräch mit hinein.





Er schwieg eine Weile. „Manchmal... manchmal erinnerst du mich an Céne. Nicht, dass du ihr ähnlich sehen würdest, doch du hast manche Angewohnheiten, die sie auch hat. Nun werde ich sie wahrscheinlich niemals mehr wiedersehen, und was für einen Unterschied macht das schon? Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.“


Damals geschrieben, als mir noch nicht wirklich klar war, dass Céne starb. (Denn auch im Aschenklinge-Canon stirbt sie letztendlich.) Außerdem – weshalb sollte Gríma der Meinung sein, sie nie wieder sehen zu können? Fast, als würde er sein Schicksal, sterben zu müssen, akzeptiert haben… was natürlich auch keinen Sinn macht, denn er ist nicht jemand, der sich selbst für andere opfern würde. Er arrangiert eher, dass sich andere für ihn opfern.





„Meine Vorväter werden nicht froh sein, mich zu sehen, denn ich werde weder im Kampf sterben, noch habe ich sonderlich... ruhmreich gehandelt. Éam und vor allem mein Vater werden wohl eher wenig erfreut sein, wobei ich ihm noch vorhalten könnte, weiter aufgestiegen zu sein als er.“ Er lehnte den Kopf nach hinten und starrte an die Decke. „Doch die Vögel, die am Höchsten fliegen, fallen am Tiefsten, nicht wahr? Ich hätte das bedenken müssen, damals.“


Ein kleines bisschen Hintergrund, als er noch mehr über seine Familie im Allgemeinen sprechen sollte und sich das alles nicht so sehr nur auf Céne und Théoden fokussierte. Und Gríma ist mal wieder pseudo-philosophisch, was auch keinen Sinn macht. Nicht in der Situation, in der er sich befindet. Weshalb sollte er gerade jetzt realisieren, dass er ganz viel Mist gebaut hat und selbstsüchtig gehandelt hat? Nein, kurz vor dem Tod rechtfertigt er sich eher und verteidigt sein Handeln und schiebt die Schuld lieber auf ganz viele andere Leute, nur nicht auf sich selbst. Kommt seinem Buchcharakter sehr viel näher.




„Wenn du erst einmal wahre Macht in deinen Händen hältst, dann gibst du sie nur ungern wieder ab. Du krallst dich an ihr fest, und wenn dieser Zustand zur Gewohnheit wird, dann... dann willst du mehr, natürlich.“ Er lachte leise und bitter. „Hätte ich nur gewusst...“


Ein kurzer Exkurs über Macht, und wie sie korrumpiert. Und er klingt, wie in der Szene davor, eher wie der tapfere Antiheld, der sich in seinen letzten Momenten für die Allgemeinheit opfert und zu verdammt romantisiert ist. Nein. Gríma ist ein manipulativer Bastard, und das soll er bitte auch bleiben.




„Aber – Théoden war gütig, er hat Euch verschont!“
Er schnaubte. „Nennst du das hier Güte, stuntfola? Nennst du das hier Gnade?
Wenn er jemals lebend aus Orthanc hinauskommt, dann ist das mehr, als er verdient.
„Nein“, flüsterte ich. „Nein, ich nenne es weder Gnade noch Güte. Ich nenne dies hier grausam und kaltherzig, doch Théodens Handeln nenne ich Mitleid.
Er starrte mich für einen Moment lang an, und dann lachte er so bitter auf, dass mir ein Schauder über den Rücken lief. Er hatte damals ähnlich gelacht, kam es mir wieder in den Sinn, damals, wo er mir seine wahre Identität enthüllt hatte.

„Mitleid?“ wiederholte er. „Naléase me, stuntfola. Théoden hatte keine Güte im Sinn, als er mich zurück nach Isengard schickte, noch verschonte Sturmkrähe aus Mitleid mein Leben. Ich bin eine Figur in seinem Schachspiel.“


Güte und Gnade, damals das Gesprächsthema, ehe Céne es übernahm und damit mehr Sinn machte. Hier… jammert Gríma mehr über sein Schicksal und versinkt ein bisschen zu sehr in seiner eigenen Verzweiflung. Dadurch ist es nicht nur so, dass er ein wenig von seiner Bedrohlichkeit verliert, sondern stuntfola hat sich hier erstaunlich gut unter Kontrolle und argumentiert. Sie verspürt keine Angst, sondern nur Mitleid, was… etwas unlogisch ist und mir wieder etwas zu sehr in die gruselige Richtung des Love Interests geht, was nicht beabsichtigt war.




„Gnade?“ flüsterte er, und er grinste, während ich auf einmal kalten, scharfen Stahl an meinem Hals spürte. „Sag, was würdest du sagen, was Gnade ist, stuntfola? Sollte ich dir das geben, was du Gnade nennst? Der einzige Ausweg, der wohl mehr oder weniger annehmbar ist? Herr Saruman würde keinen von uns laufen lassen; wir sind zu wichtig; du bist zu wichtig für ihn mit all deinem Wissen in deinem Kopf, deinem Wissen über das Ende. Was wird er wohl tun, wenn er dies erfährt? Wird er wütend werden und dich umbringen? Wird er dir überhaupt glauben?
Ich fühlte mich merkwürdig ruhig, obwohl ich gerade mit einem Messer bedroht wurde. Mein Kopf war klar, und selbst, wenn er mir in seinem Zustand doch Angst einjagte, so überwog doch das Mitleid. Ich spürte wieder meine Augenwinkel brennen.


Ah… und diese Szene. Die Szene, die auch sehr schnell keinen Sinn mehr machte, weil Gríma da zu psychotisch reagiert und dadurch beinahe lächerlich wird. Außerdem ist es OOC – er ist nicht der Typ, der grinst, wenn die Verzweiflung überhand nimmt. Der Fakt, dass er zu diesem Zeitpunkt sein eigenes Messer längst nicht mehr hat, sondern es stuntfola gegeben hat, spielt da natürlich auch noch eine Rolle, weshalb es ihm unmöglich ist, sie mit dem Messer zu bedrohen.
Ganz zu schweigen von stuntfolas Reaktion, die mehr so herüberkommt, als sei sie die Heldin in einem harlequin‘esquen Roman. „Oh nein, er ist arm und braucht einfach nur Liebe, damit er wieder so wird, wie er einst war – I can change him, mama! Und deshalb sehe und teile ich seinen Schmerz, weil er ja so aaaaarm ist, buhu!
In dem Sinne… ich verstehe, weshalb viele Leser Gríma und stuntfola shippten. Da ist schon ein gewisses Verhalten von stuntfola, das einen das denken lassen könnte.
Die Sache mit dem Messer ist außerdem mal wieder ein ziemlicher Self-Insert-Moment – ich hatte auch mal von einem Klassenkameraden ein Brotmesser an den Hals gehalten bekommen, bin aber vollkommen ruhig geblieben und habe nur wie blöde gegrinst und mich gefreut und mich so gar nicht daran gestört. Ich glaube, das hat dem Typen letztendlich fast mehr Angst gemacht. ^^




Und dann lag er dort vor mir, ausgestreckt, als wäre er nur gefallen und würde sich gleich wieder aufrichten, doch er regte sich nicht.
Drei Pfeile staken aus seinem Rücken, und als ich so auf ihn herabschaute, fühlte sich das alles... so unwirklich an. Ich hatte noch nie vorher eine Leiche gesehen, und jetzt, wo ich eine sah, kam sie mir mehr wie eine... nun, wie eine Puppe vor. Eine sehr gut gemachte Puppe, doch so etwas war schließlich möglich. In Museen standen überall solche Puppen, ganz zu schweigen von den verschiedenen Dungeons, wo lebensechte Wachsfiguren aufgestellt waren, die man auf den ersten und manchmal sogar auch auf den zweiten Blick nicht von lebenden Menschen unterscheiden konnte.
Da liegt nicht er. Da hat nur jemand eine Puppe hingelegt, die genau so wie er aussieht.
Zögerlich, mit einem merkwürdigem Gefühl der Neugier, ging ich langsam zu ihm und kniete mich neben ihn auf den Boden, berührte einen der Pfeile, sodass dieser erzitterte und schwankte.
Sein Umhang war ein wenig verrutscht, doch die Pfeile, die sich durch ihn und den Körper darunter gebohrt hatten, hielten ihn an seinem Platz.
Selbst sein Haar fühlte sich merkwürdig strohig an, als ich eine Strähne anhob und zwischen den Fingern drehte; beinahe wie eine Perücke. Hatte sich sein Haar auch vorher so angefühlt? Ich hatte es nie vorher berührt, wusste also nicht, ob es sich vorher anders angefühlt hatte.
Ich rutschte ein wenig näher an ihn heran, an sein Gesicht, und piekte ihm zögerlich mit dem Finger in die Wange.
Und zog ihn sofort wieder zu mir zurück, als wenn ich mich an ihm verbrannt hätte. Mein Herz klopfte wie wild in meine Brust. Die Oberfläche hatte sich wie Haut angefühlt.
Eine Puppe kann nicht warm sein, außer, sie hat in der Sonne gelegen. Es ist November, und die Sonne ist schwach; und selbst, wenn sie die Puppe mit einem Auto hierher transportiert hätten, dann wäre sie nicht warm.
Ich wich ein Stück zurück, runzelte die Stirn. Das hast du dir nur eingebildet. Ein Puppe kann nicht warm sein.
Jemand sagte etwas in weiter Ferne, murmelte Worte, die ich nicht verstand.
Ich rutschte zögerlich wieder ein Stück näher, streckte noch einmal den Finger aus. Im Fernsehen wurden ständig Tote gezeigt; das waren auch alles nur Puppen. Ich hatte mir nur eingebildet, dass er warm war. Es war schließlich November.
Doch noch ehe mein Finger ihn ein weiteres Mal berühren konnte, glitt mein Blick weiter nach oben, und ich erstarrte.
Seine Augen schienen mich anzusehen; obwohl sie eigentlich starr geradeaus schauten. Ich bildete mir sogar ein, dass sie sich ganz leicht bewegten, meiner Bewegung folgten, als ich mich ein bisschen nach hinten lehnte, um diesem Blick zu entgehen.
Das gleiche Phänomen, welches mir oft bei Postern oder bei Schaufensterpuppen oder eben Kirchen passierte – selbst, wenn die Augen blind und aus Holz oder Stein waren, so schienen sie einen doch zu beobachten, egal, wohin man ging. Kerzenschein machte das alles noch schlimmer; wohl der Hauptgrund, weshalb ich Kirchen so gerne mochte und mich gleichzeitig vor ihnen fürchtete.
Ich zuckte zurück, kroch ein wenig rückwärts, konnte jedoch gleichzeitig den Blick nicht von seinen Augen abwenden. „Macht sie zu“, flüsterte ich, „macht sie zu! Schaut mich nicht an!“
Eine Puppe kann ihre Augen nicht von alleine zumachen, flüsterte eine Stimme in mir, außer denen, die sie zumachen, wenn man sie hinlegt, und sie wieder aufschlagen, sobald man sie hochnimmt.
Ruckartig wandte ich den Kopf ab, spürte immer noch seinen Blick auf mir ruhen und rappelte mich auf, wich zurück, stolperte über etwas am Boden.
Da liegt nur eine Puppe. Nur eine Puppe.
Tränen sammelten sich in meinen Augen, doch ich blinzelte sie zurück, während das Grauen darum kämpfte, von mir Besitz zu ergreifen. Mein Herz klopfte, und dann rappelte ich mich auf und rannte.


Auch war es damals geplant, dass stuntfola sich die Leiche genauer anschauen sollte, und einige Elemente sind geblieben – wie, dass sie erst seine glasigen Augen sehen muss, um zu realisieren, dass da etwas ganz und gar nicht stimmen kann. Letztendlich geändert wurde nur, dass sie die Pfeile sieht und dass er ihr die eine Puppe vorkommt – der Vergleich kam kurz in einem späteren Kapitel. Und dass sie ihn unbedingt anfassen muss. Vielleicht spielte da mein etwas morbider Wunsch, selbst mal eine echte Leiche zu sehen oder anzufassen, eine Rolle, doch es passte nicht zu stuntfola. Sie ist nicht jemand, der viel Körperkontakt hat/braucht, und weshalb sollte sie dann anfangen, den Ratgeber zu betatschen, wenn er tot ist?


Nächstes Mal: Alternativszenen von stuntfola bei den Hobbits. ^^

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