Dienstag, 27. Dezember 2016

Das Phänomen der prophetischen Träume

Das Phänomen der prophetischen Träume


… ist zugegeben ein Merkwürdiges. Es ist in vieler Fantasyliteratur zu finden (und nicht zuletzt in Märchen, alten Sagen und der Bibel), wo meist der Protagonist irgendwann einen Traum hat, der ihm einen Hinweis auf ein Rätsel gibt, an dem er schon seit einiger Zeit hängt, oder auch gewährt es ihm einen Blick in die Zukunft, oder einen Blick in die Gegenwart zu sehr weit entfernten, meist gefangenen, Mitprotagonisten. (Ich schaue dich an, Frodo. Und Harry. Martin hat schließlich eine Entschuldigung mit seinen wargenden Protagonisten, obwohl Dany da vielleicht knapp an der Grenze ist.)
Die Frage stellt sich dann nur, ob die Protagonisten dann auch noch normale Träume haben. Wahrscheinlich schon, vielleicht nicht. Es soll Menschen geben, die ihr ganzes Leben lang nicht träumen, bzw. sich nicht an diese erinnern können. Und es soll Menschen geben, die nur Unsinn träumen, oder Menschen, die seit dem Kindergartenalter keine Albträume mehr gehabt haben. (Auf die bin ich neidisch, obwohl ich es noch sehr gut habe mit meiner ungefähr einmal-im-Jahr-Quote. Es gibt Leute, die haben jede Nacht Albträume.)


Träume gelten, je nachdem, wen man fragt, als Anhäufung von Gedanken unseres Unterbewusstseins, unseres Unter-Ichs oder ganz einfach unserer Gefühle. So ganz genau weiß man immer noch nicht, was Träume eigentlich sind.
Deutungen von Träumen gibt es jedoch viele. In der Fanatsyliteratur beschränkt sich das meistens auf die sogenannten „prophetischen Träume“. Will heißen, jeder Traum, der beschrieben wird, hat eine besondere Bedeutung für die Geschichte und ist eigentlich eine Chekhov‘sche Pistole – wenn sie beschrieben wird, muss sie auch irgendwann abgefeuert werden.
Man schaue sich die Twilight-Reihe an – Bella löst die ganzen Rätsel über die übernatürlichen Kreaturen nicht etwa, indem sie logisch nachdenkt. Nein, sie träumt die Lösungen. Und glaubt am nächsten Morgen auch noch felsenfest daran. Ich hingegen würde mich fragen, ob ich mir in der letzten Zeit zu viele Horrorfilme angeschaut habe, um so etwas zu träumen.
Meist gibt es eine Gottheit, die für Träume zuständig ist und dessen Aufgabe es ist, die Botschaft, die das Pantheon nun dem Protagonisten zusenden möchte, in mundgerechte Symbole zu verpacken, über die der Prota beim Aufwachen nachgrübeln darf. Oder, wenn die Götter faul sind oder unter Zeitdruck stehen, gleich eine mündliche Botschaft zu übermitteln.
Meist jedoch scheint es ihnen Spaß zu machen, die Träume in Rätseln zu stellen, die bei näherem Überlegen offensichtlich erscheinen, wenn man alle Puzzleteile beisammen hat. So kann ein Traum einem befehlen, zu einem geheimen Ort zu gehen und an einer geheimen Versammlung teilzunehmen, weil genau dort Isildurs Fluch und ein zerbrochenes Schwert zu finden sein sollen. (Auch ein nettes Foreshadowing, weil And the Halfling forth shall stand kann zwar bedeuten, dass ein Halbling den Ring hatte und ihn auf den Tisch legte, aber auch, dass ein Halbling sich freiwillig melden wird, um den Ring nach Mordor zu bringen. Eigentlich hätten sie nur abwarten und gar nicht diskutieren brauchen, denn es wurde schließlich schon in Faramirs Traum gesagt, dass Frodo den Ring nehmen wird. Je nach Interpretation, zumindest.)
Ein Traum kann einem auch sieben fette Kühe, gefolgt von sieben mageren Kühen zeigen, die aus einem Fluss steigen. Oder ein Traum kann auch ein Blick in die Vergangenheit sein und einem den Untergang eines einst großen Reiches zeigen.
Fakt ist, dass der Protagonist meist den Traum schulterzuckend annimmt, nicht hinterfragt und so sehr darauf vertraut, dass dies tatsächlich von der besagten Gottheit/höheren Macht geschickt wurde, dass er einfach den Anweisungen folgt.
Doch was, wenn dieser Traum gar nicht von der Gottheit geschickt wäre? Was, wenn der Traum vom Feind kommt, der clever genug ist, um sich selbst nicht zu verraten, sondern hinter den Kulissen zu bleiben? Dies ist einer der Gründe, weshalb Palantíri nicht leichtfertig zu benutzen sind, Sauron sehr gerissen war und JK Rowling im fünften Band ebenfalls etwas sehr richtig gemacht hat – Harry in eine Falle laufen lassen, indem Voldemort diese doch eigentlich schädliche Verbindung umgedreht und zu seinem eigenen Vorteil genutzt hat. Schade, dass er es nicht öfter gemacht hat.
Es hat seinen ganz eigenen Reiz, wenn man jahrelang auf seine Träume vertraut hat und plötzlich herausfindet, dass der Feind einen einfach nur die ganze Zeit manipuliert hat (und Gott tot ist/die Götter, an die man glaubte, gar nicht existieren?). Das wäre sehr interessant und würde ein neues Licht auf viele Geschichten werfen.
Bellas Träume? Eigentlich nur von den Volturi kontrolliert, um die Cullens dazu zu bringen, einen Regelverstoß zu begehen, damit sie eine Entschuldigung dafür haben, sie alle umzubringen.
Wenn man dann auch noch bedenkt, dass viele Helden in ihren Träumen meist einen Vorgeschmack auf das kommende Unheil bekommen (meist sehr ungenau), ist es merkwürdig, dass sie diese nicht einfach als normale Träume abwerten, die durch ihr Unterbewusstsein geschuldet sind. Die meisten Helden wissen, dass sie auf dem Weg in ihr eigenes Verderben sind; da sollte es sie nicht wundern, wenn sie Albträume bekommen.
Eine Ausnahme der Regel sind meist Fieberträume oder Träume, die durch eine Trance oder den Konsum von Kräutern/Weihrauch/Dämpfen hervorgerufen wurden. Diese sind meist von großer Bedeutung, weil sie tief aus dem Unterbewusstsein kommen und meist dem Protagonisten eine große Wahrheit offenbaren. Noch besser ist es, wenn sich diese Träume mit vorigen überschneiden und Elemente sich dort wiederholen; die Bedeutsamkeit ist dann meist noch größer.
Es ist schön, dass meine Fieberträume mir immer zeigen, dass ich im Schlaf nicht so blöd sein und mich auf meinen Arm legen sollte, weil dann das Blut abgeklemmt wird und das sehr unangenehm und schmerzhaft für den Arm ist. Leider kann ich das nicht kontrollieren; luzide Träume habe ich noch nicht gemeistert. Außerdem bleibt die Frage, ob man bei luziden Träumen nicht nur sein „geistiges Ich“, sondern auch seinen Körper steuern kann, was eigentlich nicht möglich sein sollte.
Apropos luzide Träume, bzw. Klarträume – gibt es solche eigentlich in der Fantasyliteratur, die dann nicht gleich als spirituelle Reise in die Traumwelt beschrieben werden, um das böse, innere Ich/den Antagonisten zu besiegen? Gibt es Leute, die einfach „nur“ normal ihre Träume unter Kontrolle haben? In der Literatur, die ich gelesen habe, bin ich noch nicht darüber gestolpert. Vielleicht wäre das aber auch ganz einfach langweilig, zu beschreiben, außer, solche Träume würden zur Handlung beitragen. 
Das Problem liegt wohl letzten Endes daran: Ein Roman muss spannend bleiben, und da bleibt keine Zeit für sinnlose Träume. Solche müssen immer eine Bedeutung haben. (Entweder eine versteckte Bedeutung, oder der Auflockerung dienen, oder eine Wahrheit enthüllen, über die der Protagonist sich vorher nicht im Klaren war.) Und das begrenzt den Einsatz von Träumen erheblich, und wer möchte schon einen Roman über einen Protagonisten lesen, der die ganze Zeit nur träumt? Wahrscheinlich könnte man da eine sehr coole Handlung draus basteln, da bin ich mir sicher. Wenn sich ein roter Faden durch den Traum zieht, dann könnte das funktionieren.

1 Kommentar:

  1. Das ist ein sehr interessantes Thema, das du da behandelst, und eines, über das ich mir noch nie so richtig Gedanken gemacht habe, obwohl ich selbst in meinen Geschichten schon die prophetischen Träume und die Fieberträume verwendet habe. (Wobei ich zu meiner Verteidigung nur sagen kann, dass ein Teil meiner Charaktere laut Tolkien die Veranlagung besitzt, in die Zukunft zu blicken... und Träume bieten sich dafür so schön an. *pfeif*)

    Luzide Träume sind ein faszinierendes Feld... ich habe auch ein paar Mal die merkwürdige Situation erlebt, dass ich träumte und mir plötzlich klar wurde, dass ich mich in einem Traum befinde... leider habe ich dabei aber noch nie irgendwelche Antagonisten besiegt. :/

    Ich gebe dir auch auf jeden Fall recht, dass J.K. Rowling sehr clever gehandelt hat, als sie diese Verbindung zwischen Voldemort und Harry ausgenutzt hat, um letzteren in die Falle zu locken. Eins von vielen Beispielen, in denen sie tropes für ihre Zwecke auf den Kopf gestellt hat. :D

    Ich persönlich habe ja meine eigene Theorie, wo Faramirs und Boromirs Träume herkamen (das Gottheiten-Szenario, wozu gibt es schon einen Vala der Träume und Illusionen?)

    Ich habe schon ein paar Mal erlebt, dass fiktive Träume sehr clever als Plotpoint eingesetzt wurden, aber auch mindestens ebenso viele grauenvolle Exemplare, die alle Klischees abarbeiten. Twilight ist definitiv letzteres. Eragon auch.

    Ein letztes Wort zu Fieberträumen... ich fiebere sehr selten, aber habe in meinem Leben auch schon ein, zwei Mal fast die vierzig Grad geknackt und dabei eklige Fieberträume gehabt, die eher an Halluzinationen grenzten. (Ähnlich wie bei einer Vergiftung, die ich leider auch schon durch habe.) Sollte ich mal einen Roman schreiben, werde ich diese Erfahrungen garantiert an meine Charaktere weiterreichen. *fieses grinsen*

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