Das Phänomen der prophetischen Träume
… ist zugegeben ein Merkwürdiges. Es
ist in vieler Fantasyliteratur zu finden (und nicht zuletzt in
Märchen, alten Sagen und der Bibel), wo meist der Protagonist
irgendwann einen Traum hat, der ihm einen Hinweis auf ein Rätsel
gibt, an dem er schon seit einiger Zeit hängt, oder auch gewährt es
ihm einen Blick in die Zukunft, oder einen Blick in die Gegenwart zu
sehr weit entfernten, meist gefangenen, Mitprotagonisten. (Ich schaue
dich an, Frodo. Und Harry. Martin hat schließlich eine
Entschuldigung mit seinen wargenden Protagonisten, obwohl Dany da
vielleicht knapp an der Grenze ist.)
Die Frage stellt sich dann nur, ob die
Protagonisten dann auch noch normale Träume haben. Wahrscheinlich
schon, vielleicht nicht. Es soll Menschen geben, die ihr ganzes Leben
lang nicht träumen, bzw. sich nicht an diese erinnern können. Und
es soll Menschen geben, die nur Unsinn träumen, oder Menschen, die
seit dem Kindergartenalter keine Albträume mehr gehabt haben. (Auf
die bin ich neidisch, obwohl ich es noch sehr gut habe mit meiner
ungefähr einmal-im-Jahr-Quote. Es gibt Leute, die haben jede Nacht
Albträume.)
Träume gelten, je nachdem, wen man
fragt, als Anhäufung von Gedanken unseres Unterbewusstseins, unseres
Unter-Ichs oder ganz einfach unserer Gefühle. So ganz genau weiß
man immer noch nicht, was Träume eigentlich sind.
Deutungen von Träumen gibt es jedoch
viele. In der Fanatsyliteratur beschränkt sich das meistens auf die
sogenannten „prophetischen Träume“. Will heißen, jeder Traum,
der beschrieben wird, hat eine besondere Bedeutung für die
Geschichte und ist eigentlich eine Chekhov‘sche Pistole – wenn
sie beschrieben wird, muss sie auch irgendwann abgefeuert werden.
Man schaue sich die Twilight-Reihe an –
Bella löst die ganzen Rätsel über die übernatürlichen Kreaturen
nicht etwa, indem sie logisch nachdenkt. Nein, sie träumt die
Lösungen. Und glaubt am nächsten Morgen auch noch felsenfest daran.
Ich hingegen würde mich fragen, ob ich mir in der letzten Zeit zu
viele Horrorfilme angeschaut habe, um so etwas zu träumen.
Meist gibt es eine Gottheit, die für
Träume zuständig ist und dessen Aufgabe es ist, die Botschaft, die
das Pantheon nun dem Protagonisten zusenden möchte, in mundgerechte
Symbole zu verpacken, über die der Prota beim Aufwachen nachgrübeln
darf. Oder, wenn die Götter faul sind oder unter Zeitdruck stehen,
gleich eine mündliche Botschaft zu übermitteln.
Meist jedoch scheint es ihnen Spaß zu
machen, die Träume in Rätseln zu stellen, die bei näherem
Überlegen offensichtlich erscheinen, wenn man alle Puzzleteile
beisammen hat. So kann ein Traum einem befehlen, zu einem geheimen
Ort zu gehen und an einer geheimen Versammlung teilzunehmen, weil
genau dort Isildurs Fluch und ein zerbrochenes Schwert zu finden sein
sollen. (Auch ein nettes Foreshadowing, weil And the Halfling
forth shall stand kann zwar bedeuten, dass ein Halbling den Ring
hatte und ihn auf den Tisch legte, aber auch, dass ein Halbling sich
freiwillig melden wird, um den Ring nach Mordor zu bringen.
Eigentlich hätten sie nur abwarten und gar nicht diskutieren
brauchen, denn es wurde schließlich schon in Faramirs Traum gesagt,
dass Frodo den Ring nehmen wird. Je nach Interpretation, zumindest.)
Ein Traum kann einem auch sieben fette
Kühe, gefolgt von sieben mageren Kühen zeigen, die aus einem Fluss
steigen. Oder ein Traum kann auch ein Blick in die Vergangenheit sein
und einem den Untergang eines einst großen Reiches zeigen.
Fakt ist, dass der Protagonist meist
den Traum schulterzuckend annimmt, nicht hinterfragt und so sehr
darauf vertraut, dass dies tatsächlich von der besagten
Gottheit/höheren Macht geschickt wurde, dass er einfach den
Anweisungen folgt.
Doch was, wenn dieser Traum gar nicht
von der Gottheit geschickt wäre? Was, wenn der Traum vom Feind
kommt, der clever genug ist, um sich selbst nicht zu verraten,
sondern hinter den Kulissen zu bleiben? Dies ist einer der Gründe,
weshalb Palantíri nicht leichtfertig zu benutzen sind, Sauron sehr
gerissen war und JK Rowling im fünften Band ebenfalls etwas sehr
richtig gemacht hat – Harry in eine Falle laufen lassen, indem
Voldemort diese doch eigentlich schädliche Verbindung umgedreht und
zu seinem eigenen Vorteil genutzt hat. Schade, dass er es nicht öfter
gemacht hat.
Es hat seinen ganz eigenen Reiz, wenn
man jahrelang auf seine Träume vertraut hat und plötzlich
herausfindet, dass der Feind einen einfach nur die ganze Zeit
manipuliert hat (und Gott tot ist/die Götter, an die man glaubte,
gar nicht existieren?). Das wäre sehr interessant und würde ein
neues Licht auf viele Geschichten werfen.
Bellas Träume? Eigentlich nur von den
Volturi kontrolliert, um die Cullens dazu zu bringen, einen
Regelverstoß zu begehen, damit sie eine Entschuldigung dafür haben,
sie alle umzubringen.
Wenn man dann auch noch bedenkt, dass
viele Helden in ihren Träumen meist einen Vorgeschmack auf das
kommende Unheil bekommen (meist sehr ungenau), ist es merkwürdig,
dass sie diese nicht einfach als normale Träume abwerten, die durch
ihr Unterbewusstsein geschuldet sind. Die meisten Helden wissen,
dass sie auf dem Weg in ihr eigenes Verderben sind; da sollte es sie
nicht wundern, wenn sie Albträume bekommen.
Eine Ausnahme der Regel sind meist
Fieberträume oder Träume, die durch eine Trance oder den Konsum von
Kräutern/Weihrauch/Dämpfen hervorgerufen wurden. Diese sind meist
von großer Bedeutung, weil sie tief aus dem Unterbewusstsein kommen
und meist dem Protagonisten eine große Wahrheit offenbaren. Noch
besser ist es, wenn sich diese Träume mit vorigen überschneiden und
Elemente sich dort wiederholen; die Bedeutsamkeit ist dann meist noch
größer.
Es ist schön, dass meine
Fieberträume mir immer zeigen, dass ich im Schlaf nicht so blöd
sein und mich auf meinen Arm legen sollte, weil dann das Blut
abgeklemmt wird und das sehr unangenehm und schmerzhaft für den Arm
ist. Leider kann ich das nicht kontrollieren; luzide Träume habe ich
noch nicht gemeistert. Außerdem bleibt die Frage, ob man bei luziden
Träumen nicht nur sein „geistiges Ich“, sondern auch seinen
Körper steuern kann, was eigentlich nicht möglich sein sollte.
Apropos luzide Träume, bzw. Klarträume
– gibt es solche eigentlich in der Fantasyliteratur, die dann nicht
gleich als spirituelle Reise in die Traumwelt beschrieben werden, um
das böse, innere Ich/den Antagonisten zu besiegen? Gibt es Leute,
die einfach „nur“ normal ihre Träume unter Kontrolle haben? In
der Literatur, die ich gelesen habe, bin ich noch nicht darüber
gestolpert. Vielleicht wäre das aber auch ganz einfach langweilig,
zu beschreiben, außer, solche Träume würden zur Handlung
beitragen.
Das Problem liegt wohl letzten Endes daran: Ein Roman muss
spannend bleiben, und da bleibt keine Zeit für sinnlose Träume.
Solche müssen immer eine Bedeutung haben. (Entweder eine versteckte
Bedeutung, oder der Auflockerung dienen, oder eine Wahrheit
enthüllen, über die der Protagonist sich vorher nicht im Klaren
war.) Und das begrenzt den Einsatz von Träumen erheblich, und wer möchte schon einen Roman über einen Protagonisten lesen, der die ganze Zeit nur träumt? Wahrscheinlich könnte man da eine sehr coole Handlung draus basteln, da bin ich mir sicher. Wenn sich ein roter Faden durch den Traum zieht, dann könnte das funktionieren.
Das ist ein sehr interessantes Thema, das du da behandelst, und eines, über das ich mir noch nie so richtig Gedanken gemacht habe, obwohl ich selbst in meinen Geschichten schon die prophetischen Träume und die Fieberträume verwendet habe. (Wobei ich zu meiner Verteidigung nur sagen kann, dass ein Teil meiner Charaktere laut Tolkien die Veranlagung besitzt, in die Zukunft zu blicken... und Träume bieten sich dafür so schön an. *pfeif*)
AntwortenLöschenLuzide Träume sind ein faszinierendes Feld... ich habe auch ein paar Mal die merkwürdige Situation erlebt, dass ich träumte und mir plötzlich klar wurde, dass ich mich in einem Traum befinde... leider habe ich dabei aber noch nie irgendwelche Antagonisten besiegt. :/
Ich gebe dir auch auf jeden Fall recht, dass J.K. Rowling sehr clever gehandelt hat, als sie diese Verbindung zwischen Voldemort und Harry ausgenutzt hat, um letzteren in die Falle zu locken. Eins von vielen Beispielen, in denen sie tropes für ihre Zwecke auf den Kopf gestellt hat. :D
Ich persönlich habe ja meine eigene Theorie, wo Faramirs und Boromirs Träume herkamen (das Gottheiten-Szenario, wozu gibt es schon einen Vala der Träume und Illusionen?)
Ich habe schon ein paar Mal erlebt, dass fiktive Träume sehr clever als Plotpoint eingesetzt wurden, aber auch mindestens ebenso viele grauenvolle Exemplare, die alle Klischees abarbeiten. Twilight ist definitiv letzteres. Eragon auch.
Ein letztes Wort zu Fieberträumen... ich fiebere sehr selten, aber habe in meinem Leben auch schon ein, zwei Mal fast die vierzig Grad geknackt und dabei eklige Fieberträume gehabt, die eher an Halluzinationen grenzten. (Ähnlich wie bei einer Vergiftung, die ich leider auch schon durch habe.) Sollte ich mal einen Roman schreiben, werde ich diese Erfahrungen garantiert an meine Charaktere weiterreichen. *fieses grinsen*