Donnerstag, 22. Dezember 2016

Enttäuschende Antagonisten

In der letzten Zeit bin ich merkwürdig enttäuscht von den Antagonisten, denen ich in der Literatur begegne. Vielleicht liegt es aber auch an zu hoch geschraubten Erwartungen.

Zum einen wäre da Mr. Teatime (Teh-ah-tim-eh! ausgesprochen) aus dem Roman „The Hogfather“ von Terry Pratchett. So viele haben geschrieben, dass sie Teatime mögen und dass er es schafft, ihnen Schauer über den Rücken laufen zu lassen, weil er so offensichtlich wahnsinnig ist. Anfangs mochte ich ihn auch noch, fand ihn einen interessanten Charakter.
Gegen Ende hat sich das zu einer merkwürdigen Nüchternheit entwickelt, in der ich nur noch den Kopf über ihn geschüttelt habe. Vielleicht, weil er nicht so gehandelt hat, wie ich es erwartete. Vielleicht, weil ich das Haus der Zahnfee so viel beeindruckender beschrieben und die Atmosphäre dichter und an Stephen King erinnernd fand, dass Mr. Teatime auf einmal gar nicht mehr so bedrohlich schien. Vielleicht bin ich da ähnlich wie die Wache, die Teatime umbringt.
„‘Ah, I‘m glad you asked, I‘m your worst nightmare!‘ said Teatime cheerfully.
The man shuddered.
‚You mean... the one with the giant cabbage and the sort of whirring knife thing?‘
‚Sorry?‘ Teatime looked momemtarily nonplussed.
‚Then you‘re the one where I‘m falling, only instead of ground underneath it‘s all -‘
[...] ‚I‘m the one where this man comes out of nowhere and kills you stone dead.‘
The guard grinned with relief. ‚Oh, that one‘, he said. ‚But that one‘s not very -‘“ (S. 82)

Das Andere wären Prince Humperdinck und Count Rugen aus dem Buch „The Princess Bride“ von William Goldmann. Meine Mutter, die mir das Buch empfohlen hat, hatte mich schon vorgewarnt, dass die dortigen Antagonisten schlimmer seien als mein Lieblingsratgeber.
Nun, das ist auch nicht sonderlich schwierig. Man schaue sich Saruman an, den ich als schlimmer empfinde als Gríma, oder Sauron. Roose Bolton empfinde ich auch als schlimmer als Gríma, Voldemort, Grindelwald, Tywin Lannister, Emhyr var Emreis, Bonhart, Vilgefortz und viele andere sind weitaus schlimmere Antagonisten als Gríma. Es ist ja auch nicht so, dass ich Gríma mag, weil er sonderlich böse ist, sondern weil er gerade das nicht ist und mehr im dunkelgrauen Bereich steht.
Doch kommen wir zurück zu Prince Humperdinck. Im ersten Moment, als Humperdincks liebstes Hobby erwähnt wurde (neben Kriege führen), nämlich jagen, fühlte ich mich sofort an Ramsay Snow Bolton erinnert. Und dieser Eindruck hat sich im Buch nur bestätigt, mit dem Unterschied, dass Humperdinck tatsächlich ein bisschen mehr von der Serienversion von Ramsay hat als von der Buchvorlage. Ein bisschen eine Mischung aus Ramsay und Roose, denn Humperdinck ist trotz Allem fähig zu strategischem Denken und Manipulation. Er ist ein guter Bösewicht, der zwar unsympathisch bleibt, aber trotzdem eine gewisse Faszination ausstrahlt, weil er eben so gut in seinem Hobby ist, dass er sogar Kolibris, Geparde, Fledermäuse und Giftspinnen jagt.
Deshalb wirkt es ein bisschen schwach, dass er sich am Ende durch eine Rede so sehr einschüchtern lässt. Es wirkt, natürlich, und es ist origineller als das Übliche „Kampf auf Leben und Tod“, aber doch enttäuschend.
Count Rugen ist ein Sadist, der sein Leben der Erforschung des Schmerzes verschrieben hat. Er hat eine Maschine gebaut, die einem das Leben aussaugt und dokumentiert seine dort gefangenen Opfer munter. Eine Art Goldmann‘scher Mengele.
Aber auch dort – ja, er ist unsympathisch, aber auch nicht mehr. Er bleibt blass für mich, er weckt in mir keine Gefühle. (Ich habe mich immerhin im Laufe des Buches über Humperdinck freuen und wütend auf ihn werden können.) Selbst über sein Bestreben, Unsterblichkeit für seinen Namen als Erfinder der Maschine zu erlangen, habe ich nur die Stirn runzeln können. Vielleicht, weil er die Maschine nur an einem Hund und dann an einem der Hauptcharaktere getestet hat.
Und wenn wir schon über literarische Figuren reden, die Mengele ähneln – sollte man nicht Vilgefortz erwähnen? Vilgefortz, der es geschafft hat, dass ich ihn erst sehr interessant fand mit seiner sehr höflichen Art und ich später für einen Moment entsetzt das Buch weglegen musste, als seine Experimente zutage kamen?

Vielleicht habe ich tatsächlich meine Erwartungen zu hoch geschraubt. Wenn ich bedenke, wen ich zuletzt als wirklich guten Antagonisten empfunden habe, macht das auch vielleicht Sinn – Sato aus dem Manga Ajin von Gamon Sakurai. Sato ist sehr erfahren, weiß über seine Grenzen Bescheid und dehnt diese aus, nutzt sie auf sehr kreative Weise und scheut sich nicht, Opfer zu bringen. Ich bin gespannt, wie die Protagonisten wohl weiter gegen ihn vorgehen werden.

1 Kommentar:

  1. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade wieder Avatar: The Last Airbender gucke, aber ich bin mit den Antagonisten dieser Welt momentan sehr im Reinen. ^^

    Wobei ich zugeben muss, mit deinen beiden Beispielen nicht allzu vertraut zu sein. "Hogfather" habe ich nicht gelesen (wobei der Ausschnitt, den du hier zitierst, herrlich ist!) und bei "The Princess Bride" kenne ich nur den Film und aus dem sind mir eher die großartigen Protagonisten in Erinnerung geblieben.

    Gríma habe ich nie wirklich als Antagonisten empfunden, eher als Handlanger der Antagonisten bzw fast schon als Mitläufer. Ich denke nicht, dass er sich der Verbindung zwischen Saruman und Sauron bewusst war, als er in die Dienste des Zauberers eintrat, aber das ist nur eine Vermutung von mir.

    Grindelwald und Tywin sind auch schwierig... den einen mag ich und bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich ihn als "Bösewicht" oder als Antihelden einstufen würde (er erinnert mich so sehr an Magneto). Tywin hasse ich, aber das liegt daran, dass er mein Lieblingshaus verraten und mehrere Targaryens auf dem Gewissen hat. Ob er ein wirklicher Bösewicht ist... nun, gibt es die überhaupt in Westeros? Dafür müsste es ja auch Helden geben und die sind auch sehr spärlich gesät. (Wenn man von offensichtlichen Kontrahenten wie Jon Snow vs Ramsay Bolton absieht.) Den Rest deiner Beispiele kenne ich leider nicht. ^^ (Voldemort mal ausgenommen.)

    Okay, bei der Erwähnung von Mengele hattest du mich. Jeder Charakter, der da auch nur annähernd Ähnlichkeiten aufweist, steht bei mir ganz oben auf der creepy-and-evil-Liste. *schauder*

    Ich werde wohl weiter meine Zeichentrickserien schauen, wo es noch faszinierende Bösewichte gibt. ^^

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