Um mal mein MSTing zu zitieren: Ich habe das Gefühl, die Familie
steht seit Generationen unter Beobachtung und ist im Exil und gerade
noch so geduldet. Das macht das Ganze gerade sehr
interessant.
Ich freue mich, mein Headcanon wächst weiter. Ich wünschte nur, ich hätte das am Anfang der Überarbeitung gewusst, aber so... präsentiere ich die damalige Überarbeitung der "Herren". Es existieren insgesamt sechs Kapitel.
Einige
Namen wurden wegen der Aussprache in meinem Kopf und Thainwyns
Neuentdeckung der altenglischen Buchstaben umgeändert; so wie das
damalige Héthfryd
nun zu Hēþfryd
geworden ist. Im Allgemeinen werden sich hier ein wenig mehr
altenglische/rohirrische Begriffe einfinden als in der Erstfassung.
Der Buchstabe þ wird im Altenglischen
wie ein englisches hartes th ausgesprochen, wie in dem Wort north
oder thorn. Der Buchstabe ð,
Đ als Großbuchstabe, wird wie ein weiches th ausgesprochen, ähnlich
wie in den Worten the
oder clothing.
Das th hingegen gleicht einem normalen,
deutschen T.
Die Geschichte spielt im Jahre 3008 des
Dritten Zeitalters in der Mark.
Und in diesem Sinne wünsche ich viel
Vergnügen bei der überarbeiteten Version von
Die Herren des
Schneeborn
1. Kapitel: Die Geschichte nimmt ihren
Lauf...
Der kühle Ostwind des ærralíða
rauschte über die weiten Ebenen der Riddermark und brachte die
Frische der schneebedeckten Berge mit sich, trieb Wolken vor sich her
und ließ die Flagge über der Stadt flattern. Beinahe sah es so aus,
als ob das weiße Pferd auf grünem Grund einen Satz machen und davon
über das grüne Gras rennen wolle, doch der Speer hielt es zurück,
und so musste sich das Wappen Rohans damit begnügen, auf der Stelle
zu laufen.
Wie die meisten Städte Rohans war auch
Hēþfryd
von einem hohen, aus roh behauenen Baumstämmen bestehenden Zaun
umgeben, auf dass sie vor Feinden geschützt wäre.
Nicht, dass zu dieser Zeit sehr viele Feinde in der Westfold umhergezogen wären, doch die Stadt war vor langer Zeit erbaut worden, wo Feinde noch zahlreicher in der Mark gewesen waren. Nun waren es nur noch die Lieder, die des Abends an den Feuern gesungen wurden, die an diese Zeiten erinnerten und den Anwesenden Schauder über den Rücken sandten.
Nicht, dass zu dieser Zeit sehr viele Feinde in der Westfold umhergezogen wären, doch die Stadt war vor langer Zeit erbaut worden, wo Feinde noch zahlreicher in der Mark gewesen waren. Nun waren es nur noch die Lieder, die des Abends an den Feuern gesungen wurden, die an diese Zeiten erinnerten und den Anwesenden Schauder über den Rücken sandten.
Das
weiße Pferd machte einen Satz, als ein Windstoß den schweren Stoff
ausfaltete, und der Speer, der es hielt, erzitterte unter seinen
Anstrengungen, die Ketten zu sprengen.
Die
junge Frau, die ein Stück entfernt von dem rennenden Pferd stand,
blickte kurz zu ihm hinauf, als fürchtete sie, dass es sich
losreißen solle. Das lange, blonde Haar mit dem rötlichen Schimmer,
noch verstärkt durch das Licht der späten Nachmittagssonne,
wirbelte um sie herum, doch sie machte sich nicht die Mühe, es zu
bändigen.
Seit
einiger Zeit schon stand sie regungslos dort auf dem steinernen Sitz,
auf dem die hölzerne Halle des Stadtfürsten ruhte; den Wachen, die
vor den Türen standen, keine Beachtung schenkend, den Blick der
grauen Augen in die Ferne gerichtet. Schon lange hatte der raue Wind
ihre Wangen und Finger gerötet, doch noch immer stand sie still da
und rührte sich nicht von der Stelle.
„Céadwyn.“
Die
leise Stimme erklang hinter ihr, und ihr Ton war besorgt. Schlanke
Finger legten sich auf ihre Schulter, und die Angesprochene wandte
leicht den Kopf, ohne jedoch den Blick von der Ebene zu wenden.
„Hwæt
is, Winfu?“ fragte
sie und ihre Stimme klang tonlos. „Muss ich wieder hinein, um das
Kleid anzuprobieren?“
Aus
Winfus grauen Augen sprach Sorge, als sie an Céadwyns Seite trat.
Ihr Haar war von einem hellen Blond; der Farbe von reifem Weizen.
„Dein Vater bat mich, nach dir zu sehen. Du stehst schon seit
Stunden hier draußen, und er macht sich Sorgen um dich. Schließlich
sollst du bald vermählt werden.“
Céadwyn
schluckte, die Lippen aufeinander gepresst.
Auf
Winfus Gesicht jedoch hatte sich ein Lächeln geschlichen, als sie
von der Vermählung sprach, und in ihren Augen glitzerte es. „Der
Fürst des Schneeborn! Ich kann es immer noch nicht glauben, dass er
um deine Hand angehalten hat, Céadwyn!“ Ihr Lächeln jedoch
erstarb, als sie in Céadwyns blasses Gesicht blickte, und ihre
Stimme war leise, als sie weitersprach. „Du hättest nicht annehmen
brauchen, dies weißt du.“
„Du
bist die Tochter Héahrics, des Türwächters meines Vaters. Du wirst
auch irgendwann heiraten und mit einem Mann vermählt werden, den du
nicht kennst, und du wirst es auch tun, weil deine Eltern dich darum
bitten werden.“ Dies war auch der Grund, weshalb sie hier draußen
stand und nicht drinnen in der Halle bei ihrer Freundin und ihren
Eltern war. Die ganzen Vorbereitungen drohten, sie zu ersticken; die
Freude, die Beglückwünsche ihrer Eltern darüber, dass es der Fürst
des Schneeborn gewesen war, der sie erwählt hatte.
Sie
hatte Angst. Sie musste einen Fürsten heiraten, einen Fremden.
Jemanden,
den sie nicht kannte.
Winfu
war einen Schritt zurückgetreten und hatte die Augen geschlossen,
die Arme ausgebreitet, als wolle sie dem Wind erlauben, sie
fortzutragen. Sie bot in diesem Moment solch ein unbeschwertes Bild
von Leichtigkeit, dass es Céadwyn schmerzte.
Winfu
würde noch warten können, war sie doch ganze drei Jahre jünger als
die Tochter des Stadtfürsten.
Die
Tochter des Türwächters drehte sich langsam um sich selbst, mit
einem seligen Lächeln auf dem jungen Gesicht, während der Wind ihr
Haar zerzauste. „Dann werde ich mich dem fügen, wenn meine Eltern
sich dazu entscheiden, welchen Mann ich bekommen werde“, sagte sie
leichthin. „Wer sagt, dass die Liebe nicht auch noch kommt? Meine
Eltern lieben sich auch, selbst wenn einige Jahre zwischen ihnen
liegen. Ich hoffe nur, dass ich meinem Gemahl gute, kräftige Söhne
schenken werde.“
Céadwyn
war schlecht geworden bei diesen Worten. Sie hatte Pflichten zu
erfüllen; unter anderem die, ihrem Gemahl Söhne zu schenken und ihn
in seinen Entscheidungen zu beraten – zumindest bis zu einem
gewissen Grade. Die endgültige Entscheidung fällte immer noch der
Mann selbst.
In
diesem Moment kam eine Wache die Stufen zur Halle hinauf geeilt. Ohne
die beiden jungen Frauen zu beachten eilte sie auf die Türen zu,
welche sich bei ihrem Näherkommen öffneten.
Céadwyn
und Winfu blickten ihr verwundert nach. „Dies ist Fleogan gewesen,
unten von den Toren“, bemerkte Winfu, die die Freunde ihres Vaters
besser kannte. „Es muss jemand Wichtiges gekommen sein.“ Mit
einem Lächeln wandte sie sich ihrer Freundin zu. „Wer weiß,
womöglich ein Hochzeitsgast?“
Céadwyn
jedoch schüttelte den Kopf; versuchte, die Beunruhigung in ihrem
Inneren niederzukämpfen. „Dies kann nicht sein. Wer sollte denn
kommen, um mich sehen zu wollen?“
Die
Tochter des Türwächters nahm ihre Hände, und ihre Augen
leuchteten. „Bestimmt gibt es Tausende, die deiner Hochzeit zusehen
wollen!“
„Frau
Céadwyn?“
Einer
der Türwächter war herangekommen und neigte den Kopf vor ihr. „Frau
Céadwyn, Euer Vater verlangt nach Euch. Und auch der Eure, Winfu.“
Winfu
warf ihr einen Blick zu, der deutlich besagte, dass sie Recht gehabt
hatte und lief zu den Unterkünften der Wachleute.
Und
Céadwyn atmete tief ein und folgte der Wache in die Halle hinein.
Gamred,
Thólunds Sohn, Stadtfürst von Hēþfryd,
beugte sich auf seinem hohen Stuhl ein wenig vor, um den Mann vor
sich genauer in Augenschein zu nehmen, der unten vor der Stufe stand
und sich vor ihm verneigte.
Einige
Kohlebecken brannten in der Halle und hielten die Kälte und den
rauen Wind ab. Trotzdem trug seine Gemahlin, die neben ihm auf ihrem
eigenen Stuhl saß, ein dichtes, wollenes Kleid, das blonde Haar zu
einem dicken Zopf geflochten.
Der
Mann hätte ein Reiter Gondors sein können, da sowohl sein mit Pelz
besetzter, samtener Umhang als auch sein schulterlanges Haar
tiefschwarz waren, wäre da nicht die grüne Tunika gewesen und die
weichen Reitstiefel, die ihn als einen Eorling auswiesen. Alles wies
Spuren einer langen Reise auf.
Er
war in Begleitung zweier Männer gewesen, Männern in Lederwämsern
und bewaffnet mit Schwert und Speer. Man hatte ihnen Unterkünfte in
den Quartieren der Wachleute gewährt; doch der Reiter hatte um ein
Gespräch mit dem Herren der Stadt gebeten.
„Ihr
nanntet den Wachen unten am Tor den Namen Gríma, Gálmóds Sohn“,
erhob Gamred schließlich die Stimme, und der Mann nickte.
Gamred
schauderte, als er in die dunklen Augen blickte, die ihn aus dem
bleichen, klugen Gesicht heraus anschauten, ihn abzuschätzen
schienen. Neben ihm lächelte seine Gemahlin höflich und legte ihm
leicht die Hand auf den Arm.
„Dies
ist richtig“, antwortete der Mann, und obwohl er nicht sonderlich
laut sprach, so schien seine Stimme doch die gesamte Halle
auszufüllen. „Ich erbitte nur eine Bleibe für die Nacht
und etwas Verpflegung von Euch, mein Herr, da ich rasch weiter muss.
Doch es heißt, dass nur Narren in der Nacht mit der Geschwindigkeit
reiten, in der ich unterwegs bin, und so zwingt mich dies zu einer
Rast. Hrāluf
sagte, dass der Ruf, dem ich folge, nicht so dringend sein kann, dass
wir die Pferde einer Gefahr aussetzen sollten.“
„Eine kluge Entscheidung, mein
Herr... Gríma“, bemerkte Gamred und neigte den Kopf. „Wir werden
Euch natürlich aufnehmen und Euch ein Zimmer in dem nächsten
Gasthof suchen.“
Der scharfe, forschende Blick der
dunklen Augen traf ihn. „Ihr stutztet bei meinem Namen, mein Herr“,
stellte er leise fest, und Gamred schüttelte hastig den Kopf.
„Es ist ein ungewöhnlicher Name, den
Ihr tragt, wenn ich dies sagen darf“, entschuldigte er sich. „Ich
wollte Euch nicht zu Nahe treten; schließlich könnt Ihr nichts
dafür.“
„In der Tat.“ Ein Lächeln zuckte
um die Mundwinkel des Mannes, und Gamred konnte nicht einschätzen,
ob es bitter oder belustigt war. „Doch so nennt man mich in
Meduselde, und ich habe dies akzeptiert.“
Gamred stutzte, und auch seine Gemahlin
richtete sich ein wenig in ihrem Stuhl auf. „Meduselde?“
wiederholte er zögerlich, unsicher, ob er sich verhört hatte. „Was
habt Ihr in Meduselde zu schaffen, wenn mir diese Frage erlaubt sei?“
Ein Bote, sagte er sich selbst,
während Zweifel in ihm aufkamen. Er ist nur ein einfacher Bote.
Ein erneutes Lächeln huschte über das
blasse Gesicht des Mannes, als er den Kopf neigte.
„Ich diene meinem Herren und König
Théoden Thengeling mit Rat und meinem Verstand, und von ihm
bin ich auch geschickt worden.“
Gamreds Mund war trocken, und für
einen Moment konnte er nichts anderes tun, als den Eorling vor sich
anzustarren. Wenn das stimmt, was er sagt, dann sitze ich hier
einem der höchsten Männer der Mark gegenüber, den ich wie einen
gewöhnlichen Reisenden behandelte!
„Habt Ihr ein Zeichen des Königs,
welches Eure Worte beweist; ein Schriftstück oder dergleichen?“
Das leise Lächeln blieb auf dem
blassen Gesicht, als Gríma eine schwere, goldene Kette unter seinem
Gewand hervorholte; eine goldene Blüte, die einen schwarzen
Onyxstein einfasste. Er streifte sie ab und hielt sie Stadtfürsten
entgegen.
Auf der Rückseite der Kette prangte
das Wappen des Königs, eingraviert in das weiche Metall, dazu die
Worte: Cyninges héahwita, der Erste Ratgeber des Königs.
Gamred erhob sich und sank zu Boden,
und seine Gemahlin und seine Tochter taten es ihm gleich und fielen
ehrfürchtig vor dem Ratgeber auf die Knie.
„Bitte verzeiht, dass ich Euch nicht
erkannte, mein Herr“, murmelte Gamred betroffen, das Haupt dem
Boden zugewandt.
Ein leises Klirren erklang, als der
Ratgeber seine Amtskette wieder umlegte und sie unter seiner Tunika
verschwinden ließ.
„Bitte erhebt Euch, mein Herr“,
sagte er, und Gamred hob den Blick. Der Ratgeber schüttelte sanft
den Kopf. „Wenn der König oder sein Sohn vor Euch stünden, wäre
es angebracht, auf die Knie zu fallen; nicht jedoch vor mir. Ich bin
nur ein einfacher Diener, und ich folge nur den Befehlen meines
Königs. Meine Absichten waren, hier als einfacher Bote einzukehren,
und nicht als héahwita,
denn mein Weg führt mich weiter nach Nordwesten. Erst dort erwartet
mich mein Auftrag.“
Der Stadtfürst erhob sich. „Wir
wären geehrt, Euch für eine Nacht hier in unseren Hallen aufnehmen
zu können, Herr Héahwita, wenn Ihr annehmen wollt.“
Der Ratgeber lächelte sanft. „Ich
will, mein Herr. Habt Dank für Eure Gastfreundlichkeit. Meine
Begleiter werden hoffentlich ebenso gut versorgt werden?“
„Dies werden sie, da könnt Ihr Euch
sicher sein. Jeder, der in Begleitung des Héahwita ist,
verdient eine ebenso gute Behandlung.“
Die Dunkelheit senkte sich langsam über
das Land wie ein großes, dunkles Tuch, welches alles in seinen
Falten verschluckte und versteckte.
Das Essen war schon vor einiger Zeit
von dem großen Tisch geräumt worden, der in der Mitte des
gemütlichen Zimmers stand, und der Wein war hervorgeholt worden.
Selbst, wenn die Eorlingas Met
bevorzugten, so ließen sie es sich doch nicht nehmen, ab und zu
einen Tropfen des in Gondor so hoch geschätzten Getränkes zu sich
zu nehmen, und Gamred hatte nur auf eine Möglichkeit gewartet, in
der er seinen edlen Erwerb zur Schau stellen konnte.
Céadwyns Haar war frisch gewaschen und
geflochten worden, und sie hatte sich ein braunes Kleid aus weichem
Stoff angezogen, welches am Saum und dem Ausschnitt mit goldenen
Fäden verziert war. Wenn man mit einem hohen Herren speiste, musste
man entsprechend aussehen.
Ihre Mutter und ihr Vater hatten sich
ebenfalls edle Kleidung angezogen; einzig der Ratgeber selbst trug
nur eine frische Tunika in der Farbe von Sommergras, mit einer
kleinen, weißen Simbelmynë,
die auf seine Schulter gestickt war, und eine einfache, graue Hose.
Seine Kleidung war unauffällig, abgesehen von dem samtenen,
schwarzen Umhang, den er hier jedoch abgelegt hatte, und natürlich
seiner Amtskette, die im Schein der Kerzen glänzte.
Gamred
hatte ihm angeboten, dass seine Begleiter ebenfalls herzlich
eingeladen waren, mit ihm zu speisen, doch der Ratgeber hatte
abgelehnt. „Sie fühlen sich wohler, wenn sie unter ihresgleichen
sind, mein Herr. Ihr habt sie mehr als zufriedengestellt,“ hatte er
gesagt, und Gamred hatte den Kopf geneigt.
Céadwyn
nippte an ihrem verdünnten Wein. Dies war etwas Besonderes, dies
wusste sie. Normalerweise durfte sie nur zu besonderen Anlässen, wie
dem solstede,
der Winter – und der Sommersonnenwende, oder dem Geburtstag eines
ihrer Familienmitglieder Wein trinken, und sie genoss den
süßlich-herben Geschmack.
Ihr
Vater wandte den Blick, der vor einer Weile noch gedankenverloren in
seinem Weinkelch verweilt hatte, seinem Gast zu.
„Bitte
verzeiht meine Neugier, mein Herr; doch Ihr sagtet, dass Ihr ein Bote
wärt. Weshalb würde unser König gerade Euch schicken, wenn es doch
andere gibt, die diese Aufgabe für ihn erledigen könnten?“ Dunkle
Augen richteten sich auf ihn, während der Ratgeber ein halbes
Lächeln lächelte.
„In
der Tat, der König könnte wohl andere Männer schicken – in
anderen Fällen zumindest. Hier jedoch wäre es eine Beleidigung,
jemanden von geringerem Stande zu schicken.“
Gamred
runzelte die Stirn, und auch Céadwyn merkte auf. Zu wem mochte wohl
der héahwita
geschickt worden sein, dass sein Stand eine solch wichtige Rolle
spielte?
Der
dunkelhaarige Eorling bemerkte die Verwunderung seiner Gastgeber.
„Ich
werde zu Saruman dem Weißen geschickt; dem Zauberer, der nahe der
Pforte sein Heim hat. Cyning
Théoden möchte das Bündnis erneuern, welches wir einst mit dem
Zauberer hatten. Er ist ein wertvoller Verbündeter, und der König
schätzt seine Weisheit und seinen Rat sehr.“
Und
wahrscheinlich wäre er ein schrecklicher Feind,
dachte Céadwyn unwillkürlich und schluckte. Er
ist immerhin ein Zauberer, und man weiß nie, was sie beabsichtigen,
denn es heißt, dass sie unberechenbar sind.
„Saruman
hat uns schon in früheren Zeiten geholfen, wenn wir in Not waren und
hat uns Beistand geleistet“, sprach der Ratgeber weiter, als hätte
er Céadwyns Gedanken gelesen. „Er machte König Fréaláf, dem
zehnten König der Mark, große Geschenke und lobte unsere Pferde,
als er damals in die Riddermark kam. Für meinen Herren ist es
wichtig, sich auf guten Fuß mit seinen Nachbarn zu stellen.“
Gamred
nickte anerkennend. „Dies verstehe ich durchaus“, sagte er. „Es
muss eine große Ehre für Euch sein, für diesen Auftrag auserwählt
zu sein.“
Gríma
schlug die Augen nieder. „Dies ist es in der Tat“, antwortete er
leise und langte nach seinem Kelch.
„Doch
ist es nicht schmerzhaft für Euch, Eure Frau zurückzulassen?“
Céadwyns Mutter hatte gesprochen, und Céadwyn sah, wie ihr Vater
mit einem lautlosen Seufzen sanft den Kopf schüttelte. Es war
abzusehen gewesen, dass die Gemahlin des Stadtfürsten zu gegebener
Zeit darauf zu sprechen kommen würde. Die Hochzeit ihrer Tochter
beschäftigte sie sehr, ja, beinahe schien es, als würde sie
noch einmal heiraten, wie Gamred einmal gebrummt hatte, als sie,
voller Vorfreude, den Stoff für das Kleid auswählte. Céadwyn hatte
nur daneben gestanden, sich unwohl fühlend.
Der
Ratgeber, der gerade einen Schluck aus seinem Kelch hatte nehmen
wollen, hielt bei diesen Worten in seiner Bewegung inne und runzelte
die Stirn. Seine Fingerspitzen, die gegen den Kelch drückten, waren
weiß geworden.
„Ich
bin nicht vermählt, Frau Cynwaru“, sagte er leise, und ein kühler
Unterton schwang in seiner Stimme mit, der deutlich machte, dass er
zu dieser Aussage nichts mehr zu sagen hatte. „Gegeben dieser
Umständen habe ich auch niemanden, den ich zurücklassen könnte.“
Céadwyns
Mutter blinzelte überrascht. „Ich bitte um Verzeihung, mein Herr“,
sagte sie und schlug den Blick nieder. „Dies wusste ich nicht.“
„Euch
trifft keine Schuld“, gab der Héahwita
mild zur Antwort. „Dies konntet Ihr schließlich nicht wissen.“
Er stellte den Kelch ab, und es kehrte wieder etwas Farbe in seine
blassen Fingerspitzen zurück.
Céadwyn
fragte sich unwillkürlich, ob die Berührung dieser Finger wohl kühl
wäre, ob sie wohl so blass waren, weil ihnen Blut fehlte.
Sie
schrak auf, als ihr Name genannt wurde.
„Céadwyn,
unsere Tochter, wird bald vermählt werden. In einer Woche werden die
Vorbereitungen soweit abgeschlossen sein, dass wir zum Schneeborn
reisen können, wo sie den Fürsten heiraten wird.“ Auf dem Gesicht
ihrer Mutter lag ein Lächeln, ähnlich dem Winfus am Nachmittag, als
sie sich im Wind gedreht hatte.
„Ist
dem so?“ Der Blick des Ratgebers glitt zu Céadwyn herüber, und
zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, als wenn er sie wahrhaftig
ansah; sie in ihrer ganzen Gestalt, wie da saß, und sie nickte.
Die
dunklen Augen musterten sie schweigend, ehe der Ratgeber mild
lächelte.
„Ich
wünsche Euch Glück, Frau Céadwyn.“
Seine
Stimme war sanft und leise, weich wie sein Samtumhang. Und er hatte
zu ihr gesprochen, zu ihr ganz allein.
Céadwyn
lächelte und senkte den Blick, um ihr Erröten zu verbergen. „Habt
Dank, mein Herr“, sagte sie leise.
Als
sie jedoch aufblickte, hatte der Ratgeber sich bereits wieder ihrem
Vater zugewandt, den er nach der Nachricht vom Fürsten des
Schneeborn fragte. Doch sie hörte gar nicht mehr richtig zu, denn
wieder schlich sich ein flatterndes Gefühl von Beunruhigung an, und
ihr Magen krampfte sich zusammen.
Wenn
der Ratgeber am nächsten Morgen fort ritt, wäre sie ihrer Hochzeit
ein Stückchen näher. Er beschützte sie mit seiner Anwesenheit vor
dem Gedanken an den Fürsten, beschützte sie vor dem Gedanken, ihre
Familie und ihre Freundin für immer zu verlassen.
Natürlich
würde ihr Vater mit ihr kommen, um sie ihrem Gemahl zu übergeben,
und sie würde Winfu sehen, wenn sie sie besuchen kam, doch... eine
Veränderung stand bevor. Eine große Veränderung, die nicht
rückgängig zu machen war.
War
der Bund erst geschlossen, war er nicht mehr zu brechen.
„Beheald
Þanc für Eure Gastfreundschaft, mein Herr.“
Céadwyn
hob erschrocken den Blick und sah, wie sich der Rateber gerade erhob.
Ihr Vater und ihre Mutter standen schon, und Cynwaru warf ihrer
Tochter einen langen Blick zu, der deutlich besagte, wie wenig sie
davon hielt, dass ihre Tochter unaufmerksam gewesen war.
Céadwyn
erhob sich rasch und stolperte beinahe über den Saum ihres Kleides.
Ihr Herz klopfte in ihrer Brust, und ihr Hals schnürte sich
zusammen.
Der
Ratgeber durfte noch nicht fortgehen! Er durfte sie nicht mit ihren
Gedanken allein lassen, mit den Gedanken an ihre bevorstehende
Hochzeit, die ihr solche Angst machte!
Sie
versuchte, ihre Furcht herunterzuschlucken, als sie mit bebender
Stimme nach ihm rief. „M - mein Herr héahwita! Bitte
wartet für einen Moment!“
Der
Ratgeber hielt inne und wandte den Kopf, und für einen Moment lag
etwas Merkwürdiges in seinem Blick; etwas, was sie nicht genau
deuten konnte. Es war, als würde er auf einmal etwas in ihr sehen,
von dem sie nicht ganz sicher war, was es war.
Ob
es gut oder schlecht für sie war.
Im
nächsten Moment jedoch blinzelte er, und das, was in seinem Blick
gelegen hatte, war verschwunden.
„Frau
Céadwyn?“ fragte er leise. „Was wünscht Ihr?“
Gamred
räusperte sich leise und blickte sie streng an, und Céadwyn war
sich dessen bewusst, dass sie ihren Vater verärgert hatte. Doch der
Ratgeber durfte noch nicht gehen. Er durfte dies nicht.
„Ich...“,
begann sie, suchte nach einem Grund, der ihr die Gesellschaft des
Mannes sichern würde. „Ich wollte... Ihr habt so viel über den
Zauberer Saruman gesprochen, mín hlaford. Ich würde gerne
mehr über ihn erfahren, wenn Ihr mir etwas über ihn erzählen
wollt, und von unserem König. Wie es am Königshofe ist.“
„Ich
soll Euch von Herrn Saruman erzählen? Und von meiner Arbeit am
Königshofe?“ Die Stimme des héahwita klang
überrascht, und als sie zu ihm aufblickte, schüttelte er sanft den
Kopf. „Euer Interesse ehrt mich, doch ich wage zu behaupten, dass
diese Erzählungen Euch langweilen würden. Das, was ich für meinen
Herren tun muss, ist nicht sonderlich interessant.“
Gamred
brummte zufrieden seine Zustimmung, und Céadwyn senkte den Kopf. Wie
hatte sie nur glauben können, dass der Ratgeber ihr diese Bitte
erfüllen würde! Für ihn war sie nichts, nicht mehr als eine
einfache Tochter des Stadtfürsten!
„Ich
könnte Euch jedoch eine Geschichte erzählen, wenn Ihr dies
wünscht.“
Céadwyn
blickte zu ihm auf, maßlos überrascht. Freudiges Staunen breitete
sich langsam in ihr aus, und ein vorsichtiges Lächeln schlich sich
auf ihre Züge.
Nun
jedoch trat ihr Vater vor und lächelte den Ratgeber entschuldigend
an, und ihre Mutter legte ihrer Tochter sanft, jedoch bestimmend, die
Hand auf die Schulter.
„Bitte
verzeiht, mein Herr“, sagte Gamred und neigte demütig den Kopf.
„Ich wage zu behaupten, dass meine Tochter müde wird und sie
besser zu Bett gehen sollte. Dieses Gespräch hat sie sehr aufgewühlt
und sie durcheinander gebracht. Ich entschuldige mich im Namen meiner
Tochter, dass sie Eure Zeit verschwendet hat.“
Eine
Weile blieb der Berater stumm, blickte nachdenklich auf die Tochter
des Stadtfürsten hinab, doch Céadwyn hatte das Haupt gesenkt,
spürte sie doch allzu deutlich den Griff ihrer Mutter auf ihrer
Schulter, den strengen Blick ihres Vaters.
Sie
hörte, wie der Ratgeber schließlich leise seufzte, sich mit einem
Rascheln seiner Kleidung umwandte und auf die Tür zuging. Und
selbst, wenn sie es nicht sah, so spürte sie doch, was von ihm
ausging.
Enttäuschung.
Schuldgefühle
nagten an ihr, und ihre Wangen brannten, als hätte man sie
geschlagen. Sie hörte die Schritte, die sich entfernten, hörte die
Tür, die geöffnet wurde, und immer noch stand sie da, während ihr
Vater und der Ratgeber aus dem Raum gingen. Du brauchst nur die
Worte auszusprechen.
Doch
ihr Mund war trocken, und etwas brannte in ihren Augen, sodass ihre
Sicht verschwamm. Ein Kloß war in ihrem Hals, schnürte ihr die Luft
zu. Ihre Hände bebten.
„Bitte,
mín hlaford héahwita, ich wünsche es!“
Ihre
Stimme war mehr ein hohes Fiepsen als ihre normale Tonart, doch er
hörte sie und wandte den Kopf, und Erstaunen lag in seinem Blick,
welches sich jedoch zu etwas Ähnlichem wie... Zufriedenheit
wandelte. Das machte keinen Sinn, doch ihr Herz klopfte so laut, dass
es ihre Gedanken zu übertönen drohte.
Gamreds
missbilligender Blick traf sie, doch sie merkte dies kaum, da in
diesem Moment der héahwita sich umdrehte und mit
leisem Schritt wieder auf sie zu trat.
Ein
sanftes, kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte die Mundwinkel des
Ratgebers, wie er auf sie herabblickte. „Wie die Herrin befiehlt.“
Rasch
hatte er sich zwei Stühle herangezogen und sich auf einen davon
gesetzt, den Tisch an seiner Seite. Mit einer Handbewegung forderte
er Céadwyn auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen, welches diese mit
weichen Knien tat und nervös und gespannt ihr Kleid glattstrich.
Sein
Blick glitt zu dem Stadtfürsten, der ihn sprachlos anstarrte.
„Wenn
Ihr so gut sein wollt, mein Herr, dann lasst uns etwas Wasser
bringen, um den Wein zu verdünnen. Es heißt zwar, dass mehrere
Kelche Wein die Zunge lösen sollen, doch möchte ich dies hier nicht
riskieren, wenn ich morgen früh wieder abreisen muss. Meine
Begleiter würden nur über mich spotten. Ihr seid natürlich
herzlich dazu eingeladen, meiner Geschichte zu lauschen, wenn Ihr
mögt.“
Céadwyn
blickte zu ihrem Vater, der jedoch nur brummend den Kopf schüttelte.
„Es wird alles geschehen, wie Ihr wünscht, mein Herr“, sagte er
und verneigte sich. „Ich werde mich jedoch mit meiner Gemahlin
zurückziehen, wenn es recht ist. Ein Diener wird Euch das Gewünschte
bringen und Euch Gesellschaft leisten.“
Der
Berater des Königs blickte dem Stadtfürstenpaar nach, wie es aus
dem Raum verschwand und die Tür halb schloss. Schließlich wandte er
sich mit einem leisen Lächeln auf dem blassen Gesicht Céadwyn zu.
„Nun,
Herrin... Eure Mutter sagte, dass Ihr bald vermählt werden sollt.
Ich glaube, dazu kenne ich eine Geschichte.“
„Doch
sie war stolz und wollte mit keinem Manne vermählt werden, selbst,
wenn ihr Vater alt und krank war und dies die einzige Möglichkeit
war, ihr die Mittel zu seiner Heilung zu verschaffen.
Und so schlich sie hinaus und nahm
ihr Schwert, und niemand sah sie, wie sie die schattigen Stufen hinab
huschte, wie sie im Hof im weißen, kalten Mondlicht mit der Klinge
tanzte; ein Tanz von Anmut und tödlicher Genauigkeit, und der
geschliffene Stahl glänzte und zischte durch die Luft, während sie
sich drehte und die Bewegungen übte, die ihr von ihrem Bruder und
ihrem Vetter gezeigt worden waren. Sie stellte sich vor, sie stünde
auf dem Schlachtfeld, und sie würde ihren Tanz tanzen und dabei die
Feinde mit dem blitzenden Stahl in den Tod reißen und ihr Land
beschützen. Und doch waren keine Feinde auf dem Hof; nur sie allein
war dort und tanzte zwischen den Schatten, während der bleiche Mond
auf sie herab schien und sie mit seinem kalten Licht übergoss...“
tbc...
Ærralíða
(Roh.) = Name des Monats Juni
Gríma
(Roh.) = Maske
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