Mittwoch, 1. Mai 2019

1. Kapitel - "Die Herren des Schneeborn" - eine alte Überarbeitung

Dank des MSTings zu der Geschichte habe ich einen neuen Headcanon bekommen, der mehr Sinn macht: Das Fürstentum liegt zwar mitten im Herzen des Landes, der Folde, hält sich jedoch aus allem heraus und hat keinen großen politischen Einfluss auf das Königshaus. Sie mischen sich nicht in die Geschicke des Landes ein, sondern bleiben mehr unter sich. Das Fürstentum ist nahe Dunharg angesiedelt, unter dem Dwimordene, aus dem der Schneeborn entspringt... und der gefüllt ist mit verfluchten Eidbrechern. Bei der Familie des Schneeborn sind alle dunkelhaarig. Die Wulfingas waren auch dunkelhaarig, und Wulf verschanzte sich vier Jahre lang in den Bergen, ehe er Edoras einnahm. Die Eorlingas sind immer noch ziemlich rassistisch den Wulfingas gegenüber.
Um mal mein MSTing zu zitieren: Ich habe das Gefühl, die Familie steht seit Generationen unter Beobachtung und ist im Exil und gerade noch so geduldet. Das macht das Ganze gerade sehr interessant.
Ich freue mich, mein Headcanon wächst weiter. Ich wünschte nur, ich hätte das am Anfang der Überarbeitung gewusst, aber so... präsentiere ich die damalige Überarbeitung der "Herren". Es existieren insgesamt sechs Kapitel.



Einige Namen wurden wegen der Aussprache in meinem Kopf und Thainwyns Neuentdeckung der altenglischen Buchstaben umgeändert; so wie das damalige Héthfryd nun zu Hēþfryd geworden ist. Im Allgemeinen werden sich hier ein wenig mehr altenglische/rohirrische Begriffe einfinden als in der Erstfassung.

Der Buchstabe þ wird im Altenglischen wie ein englisches hartes th ausgesprochen, wie in dem Wort north oder thorn. Der Buchstabe ð, Đ als Großbuchstabe, wird wie ein weiches th ausgesprochen, ähnlich wie in den Worten the oder clothing.
Das th hingegen gleicht einem normalen, deutschen T.

Die Geschichte spielt im Jahre 3008 des Dritten Zeitalters in der Mark.

Und in diesem Sinne wünsche ich viel Vergnügen bei der überarbeiteten Version von








Die Herren des Schneeborn










1. Kapitel: Die Geschichte nimmt ihren Lauf...


Der kühle Ostwind des ærraða rauschte über die weiten Ebenen der Riddermark und brachte die Frische der schneebedeckten Berge mit sich, trieb Wolken vor sich her und ließ die Flagge über der Stadt flattern. Beinahe sah es so aus, als ob das weiße Pferd auf grünem Grund einen Satz machen und davon über das grüne Gras rennen wolle, doch der Speer hielt es zurück, und so musste sich das Wappen Rohans damit begnügen, auf der Stelle zu laufen.
Wie die meisten Städte Rohans war auch Hēþfryd von einem hohen, aus roh behauenen Baumstämmen bestehenden Zaun umgeben, auf dass sie vor Feinden geschützt wäre.
Nicht, dass zu dieser Zeit sehr viele Feinde in der Westfold umhergezogen wären, doch die Stadt war vor langer Zeit erbaut worden, wo Feinde noch zahlreicher in der Mark gewesen waren. Nun waren es nur noch die Lieder, die des Abends an den Feuern gesungen wurden, die an diese Zeiten erinnerten und den Anwesenden Schauder über den Rücken sandten.
Das weiße Pferd machte einen Satz, als ein Windstoß den schweren Stoff ausfaltete, und der Speer, der es hielt, erzitterte unter seinen Anstrengungen, die Ketten zu sprengen.
Die junge Frau, die ein Stück entfernt von dem rennenden Pferd stand, blickte kurz zu ihm hinauf, als fürchtete sie, dass es sich losreißen solle. Das lange, blonde Haar mit dem rötlichen Schimmer, noch verstärkt durch das Licht der späten Nachmittagssonne, wirbelte um sie herum, doch sie machte sich nicht die Mühe, es zu bändigen.
Seit einiger Zeit schon stand sie regungslos dort auf dem steinernen Sitz, auf dem die hölzerne Halle des Stadtfürsten ruhte; den Wachen, die vor den Türen standen, keine Beachtung schenkend, den Blick der grauen Augen in die Ferne gerichtet. Schon lange hatte der raue Wind ihre Wangen und Finger gerötet, doch noch immer stand sie still da und rührte sich nicht von der Stelle.

Céadwyn.“

Die leise Stimme erklang hinter ihr, und ihr Ton war besorgt. Schlanke Finger legten sich auf ihre Schulter, und die Angesprochene wandte leicht den Kopf, ohne jedoch den Blick von der Ebene zu wenden.
Hwæt is, Winfu?“ fragte sie und ihre Stimme klang tonlos. „Muss ich wieder hinein, um das Kleid anzuprobieren?“
Aus Winfus grauen Augen sprach Sorge, als sie an Céadwyns Seite trat. Ihr Haar war von einem hellen Blond; der Farbe von reifem Weizen. „Dein Vater bat mich, nach dir zu sehen. Du stehst schon seit Stunden hier draußen, und er macht sich Sorgen um dich. Schließlich sollst du bald vermählt werden.“
Céadwyn schluckte, die Lippen aufeinander gepresst.
Auf Winfus Gesicht jedoch hatte sich ein Lächeln geschlichen, als sie von der Vermählung sprach, und in ihren Augen glitzerte es. „Der Fürst des Schneeborn! Ich kann es immer noch nicht glauben, dass er um deine Hand angehalten hat, Céadwyn!“ Ihr Lächeln jedoch erstarb, als sie in Céadwyns blasses Gesicht blickte, und ihre Stimme war leise, als sie weitersprach. „Du hättest nicht annehmen brauchen, dies weißt du.“
Du bist die Tochter Héahrics, des Türwächters meines Vaters. Du wirst auch irgendwann heiraten und mit einem Mann vermählt werden, den du nicht kennst, und du wirst es auch tun, weil deine Eltern dich darum bitten werden.“ Dies war auch der Grund, weshalb sie hier draußen stand und nicht drinnen in der Halle bei ihrer Freundin und ihren Eltern war. Die ganzen Vorbereitungen drohten, sie zu ersticken; die Freude, die Beglückwünsche ihrer Eltern darüber, dass es der Fürst des Schneeborn gewesen war, der sie erwählt hatte.
Sie hatte Angst. Sie musste einen Fürsten heiraten, einen Fremden.
Jemanden, den sie nicht kannte.
Winfu war einen Schritt zurückgetreten und hatte die Augen geschlossen, die Arme ausgebreitet, als wolle sie dem Wind erlauben, sie fortzutragen. Sie bot in diesem Moment solch ein unbeschwertes Bild von Leichtigkeit, dass es Céadwyn schmerzte.
Winfu würde noch warten können, war sie doch ganze drei Jahre jünger als die Tochter des Stadtfürsten.
Die Tochter des Türwächters drehte sich langsam um sich selbst, mit einem seligen Lächeln auf dem jungen Gesicht, während der Wind ihr Haar zerzauste. „Dann werde ich mich dem fügen, wenn meine Eltern sich dazu entscheiden, welchen Mann ich bekommen werde“, sagte sie leichthin. „Wer sagt, dass die Liebe nicht auch noch kommt? Meine Eltern lieben sich auch, selbst wenn einige Jahre zwischen ihnen liegen. Ich hoffe nur, dass ich meinem Gemahl gute, kräftige Söhne schenken werde.“
Céadwyn war schlecht geworden bei diesen Worten. Sie hatte Pflichten zu erfüllen; unter anderem die, ihrem Gemahl Söhne zu schenken und ihn in seinen Entscheidungen zu beraten – zumindest bis zu einem gewissen Grade. Die endgültige Entscheidung fällte immer noch der Mann selbst.
In diesem Moment kam eine Wache die Stufen zur Halle hinauf geeilt. Ohne die beiden jungen Frauen zu beachten eilte sie auf die Türen zu, welche sich bei ihrem Näherkommen öffneten.
Céadwyn und Winfu blickten ihr verwundert nach. „Dies ist Fleogan gewesen, unten von den Toren“, bemerkte Winfu, die die Freunde ihres Vaters besser kannte. „Es muss jemand Wichtiges gekommen sein.“ Mit einem Lächeln wandte sie sich ihrer Freundin zu. „Wer weiß, womöglich ein Hochzeitsgast?“
Céadwyn jedoch schüttelte den Kopf; versuchte, die Beunruhigung in ihrem Inneren niederzukämpfen. „Dies kann nicht sein. Wer sollte denn kommen, um mich sehen zu wollen?“
Die Tochter des Türwächters nahm ihre Hände, und ihre Augen leuchteten. „Bestimmt gibt es Tausende, die deiner Hochzeit zusehen wollen!“
Frau Céadwyn?“
Einer der Türwächter war herangekommen und neigte den Kopf vor ihr. „Frau Céadwyn, Euer Vater verlangt nach Euch. Und auch der Eure, Winfu.“
Winfu warf ihr einen Blick zu, der deutlich besagte, dass sie Recht gehabt hatte und lief zu den Unterkünften der Wachleute.
Und Céadwyn atmete tief ein und folgte der Wache in die Halle hinein.



Gamred, Thólunds Sohn, Stadtfürst von Hēþfryd, beugte sich auf seinem hohen Stuhl ein wenig vor, um den Mann vor sich genauer in Augenschein zu nehmen, der unten vor der Stufe stand und sich vor ihm verneigte.
Einige Kohlebecken brannten in der Halle und hielten die Kälte und den rauen Wind ab. Trotzdem trug seine Gemahlin, die neben ihm auf ihrem eigenen Stuhl saß, ein dichtes, wollenes Kleid, das blonde Haar zu einem dicken Zopf geflochten.
Der Mann hätte ein Reiter Gondors sein können, da sowohl sein mit Pelz besetzter, samtener Umhang als auch sein schulterlanges Haar tiefschwarz waren, wäre da nicht die grüne Tunika gewesen und die weichen Reitstiefel, die ihn als einen Eorling auswiesen. Alles wies Spuren einer langen Reise auf.
Er war in Begleitung zweier Männer gewesen, Männern in Lederwämsern und bewaffnet mit Schwert und Speer. Man hatte ihnen Unterkünfte in den Quartieren der Wachleute gewährt; doch der Reiter hatte um ein Gespräch mit dem Herren der Stadt gebeten.
Ihr nanntet den Wachen unten am Tor den Namen Gríma, Gálmóds Sohn“, erhob Gamred schließlich die Stimme, und der Mann nickte.
Gamred schauderte, als er in die dunklen Augen blickte, die ihn aus dem bleichen, klugen Gesicht heraus anschauten, ihn abzuschätzen schienen. Neben ihm lächelte seine Gemahlin höflich und legte ihm leicht die Hand auf den Arm.
Dies ist richtig“, antwortete der Mann, und obwohl er nicht sonderlich laut sprach, so schien seine Stimme doch die gesamte Halle auszufüllen. „Ich erbitte nur eine Bleibe für die Nacht und etwas Verpflegung von Euch, mein Herr, da ich rasch weiter muss. Doch es heißt, dass nur Narren in der Nacht mit der Geschwindigkeit reiten, in der ich unterwegs bin, und so zwingt mich dies zu einer Rast. Hrāluf sagte, dass der Ruf, dem ich folge, nicht so dringend sein kann, dass wir die Pferde einer Gefahr aussetzen sollten.
„Eine kluge Entscheidung, mein Herr... Gríma“, bemerkte Gamred und neigte den Kopf. „Wir werden Euch natürlich aufnehmen und Euch ein Zimmer in dem nächsten Gasthof suchen.“
Der scharfe, forschende Blick der dunklen Augen traf ihn. „Ihr stutztet bei meinem Namen, mein Herr“, stellte er leise fest, und Gamred schüttelte hastig den Kopf.
„Es ist ein ungewöhnlicher Name, den Ihr tragt, wenn ich dies sagen darf“, entschuldigte er sich. „Ich wollte Euch nicht zu Nahe treten; schließlich könnt Ihr nichts dafür.“
„In der Tat.“ Ein Lächeln zuckte um die Mundwinkel des Mannes, und Gamred konnte nicht einschätzen, ob es bitter oder belustigt war. „Doch so nennt man mich in Meduselde, und ich habe dies akzeptiert.“

Gamred stutzte, und auch seine Gemahlin richtete sich ein wenig in ihrem Stuhl auf. „Meduselde?“ wiederholte er zögerlich, unsicher, ob er sich verhört hatte. „Was habt Ihr in Meduselde zu schaffen, wenn mir diese Frage erlaubt sei?“
Ein Bote, sagte er sich selbst, während Zweifel in ihm aufkamen. Er ist nur ein einfacher Bote.
Ein erneutes Lächeln huschte über das blasse Gesicht des Mannes, als er den Kopf neigte.
„Ich diene meinem Herren und König Théoden Thengeling mit Rat und meinem Verstand, und von ihm bin ich auch geschickt worden.“
Gamreds Mund war trocken, und für einen Moment konnte er nichts anderes tun, als den Eorling vor sich anzustarren. Wenn das stimmt, was er sagt, dann sitze ich hier einem der höchsten Männer der Mark gegenüber, den ich wie einen gewöhnlichen Reisenden behandelte!
„Habt Ihr ein Zeichen des Königs, welches Eure Worte beweist; ein Schriftstück oder dergleichen?“
Das leise Lächeln blieb auf dem blassen Gesicht, als Gríma eine schwere, goldene Kette unter seinem Gewand hervorholte; eine goldene Blüte, die einen schwarzen Onyxstein einfasste. Er streifte sie ab und hielt sie Stadtfürsten entgegen.

Auf der Rückseite der Kette prangte das Wappen des Königs, eingraviert in das weiche Metall, dazu die Worte: Cyninges héahwita, der Erste Ratgeber des Königs.

Gamred erhob sich und sank zu Boden, und seine Gemahlin und seine Tochter taten es ihm gleich und fielen ehrfürchtig vor dem Ratgeber auf die Knie.
„Bitte verzeiht, dass ich Euch nicht erkannte, mein Herr“, murmelte Gamred betroffen, das Haupt dem Boden zugewandt.
Ein leises Klirren erklang, als der Ratgeber seine Amtskette wieder umlegte und sie unter seiner Tunika verschwinden ließ.
„Bitte erhebt Euch, mein Herr“, sagte er, und Gamred hob den Blick. Der Ratgeber schüttelte sanft den Kopf. „Wenn der König oder sein Sohn vor Euch stünden, wäre es angebracht, auf die Knie zu fallen; nicht jedoch vor mir. Ich bin nur ein einfacher Diener, und ich folge nur den Befehlen meines Königs. Meine Absichten waren, hier als einfacher Bote einzukehren, und nicht als héahwita, denn mein Weg führt mich weiter nach Nordwesten. Erst dort erwartet mich mein Auftrag.“
Der Stadtfürst erhob sich. „Wir wären geehrt, Euch für eine Nacht hier in unseren Hallen aufnehmen zu können, Herr Héahwita, wenn Ihr annehmen wollt.“
Der Ratgeber lächelte sanft. „Ich will, mein Herr. Habt Dank für Eure Gastfreundlichkeit. Meine Begleiter werden hoffentlich ebenso gut versorgt werden?“
„Dies werden sie, da könnt Ihr Euch sicher sein. Jeder, der in Begleitung des Héahwita ist, verdient eine ebenso gute Behandlung.“



Die Dunkelheit senkte sich langsam über das Land wie ein großes, dunkles Tuch, welches alles in seinen Falten verschluckte und versteckte.
Das Essen war schon vor einiger Zeit von dem großen Tisch geräumt worden, der in der Mitte des gemütlichen Zimmers stand, und der Wein war hervorgeholt worden.
Selbst, wenn die Eorlingas Met bevorzugten, so ließen sie es sich doch nicht nehmen, ab und zu einen Tropfen des in Gondor so hoch geschätzten Getränkes zu sich zu nehmen, und Gamred hatte nur auf eine Möglichkeit gewartet, in der er seinen edlen Erwerb zur Schau stellen konnte.
Céadwyns Haar war frisch gewaschen und geflochten worden, und sie hatte sich ein braunes Kleid aus weichem Stoff angezogen, welches am Saum und dem Ausschnitt mit goldenen Fäden verziert war. Wenn man mit einem hohen Herren speiste, musste man entsprechend aussehen.
Ihre Mutter und ihr Vater hatten sich ebenfalls edle Kleidung angezogen; einzig der Ratgeber selbst trug nur eine frische Tunika in der Farbe von Sommergras, mit einer kleinen, weißen Simbelmynë, die auf seine Schulter gestickt war, und eine einfache, graue Hose. Seine Kleidung war unauffällig, abgesehen von dem samtenen, schwarzen Umhang, den er hier jedoch abgelegt hatte, und natürlich seiner Amtskette, die im Schein der Kerzen glänzte.
Gamred hatte ihm angeboten, dass seine Begleiter ebenfalls herzlich eingeladen waren, mit ihm zu speisen, doch der Ratgeber hatte abgelehnt. „Sie fühlen sich wohler, wenn sie unter ihresgleichen sind, mein Herr. Ihr habt sie mehr als zufriedengestellt,“ hatte er gesagt, und Gamred hatte den Kopf geneigt.
Céadwyn nippte an ihrem verdünnten Wein. Dies war etwas Besonderes, dies wusste sie. Normalerweise durfte sie nur zu besonderen Anlässen, wie dem solstede, der Winter – und der Sommersonnenwende, oder dem Geburtstag eines ihrer Familienmitglieder Wein trinken, und sie genoss den süßlich-herben Geschmack.

Ihr Vater wandte den Blick, der vor einer Weile noch gedankenverloren in seinem Weinkelch verweilt hatte, seinem Gast zu.
Bitte verzeiht meine Neugier, mein Herr; doch Ihr sagtet, dass Ihr ein Bote wärt. Weshalb würde unser König gerade Euch schicken, wenn es doch andere gibt, die diese Aufgabe für ihn erledigen könnten?“ Dunkle Augen richteten sich auf ihn, während der Ratgeber ein halbes Lächeln lächelte.
In der Tat, der König könnte wohl andere Männer schicken – in anderen Fällen zumindest. Hier jedoch wäre es eine Beleidigung, jemanden von geringerem Stande zu schicken.“
Gamred runzelte die Stirn, und auch Céadwyn merkte auf. Zu wem mochte wohl der héahwita geschickt worden sein, dass sein Stand eine solch wichtige Rolle spielte?
Der dunkelhaarige Eorling bemerkte die Verwunderung seiner Gastgeber.
Ich werde zu Saruman dem Weißen geschickt; dem Zauberer, der nahe der Pforte sein Heim hat. Cyning Théoden möchte das Bündnis erneuern, welches wir einst mit dem Zauberer hatten. Er ist ein wertvoller Verbündeter, und der König schätzt seine Weisheit und seinen Rat sehr.“
Und wahrscheinlich wäre er ein schrecklicher Feind, dachte Céadwyn unwillkürlich und schluckte. Er ist immerhin ein Zauberer, und man weiß nie, was sie beabsichtigen, denn es heißt, dass sie unberechenbar sind.
Saruman hat uns schon in früheren Zeiten geholfen, wenn wir in Not waren und hat uns Beistand geleistet“, sprach der Ratgeber weiter, als hätte er Céadwyns Gedanken gelesen. „Er machte König Fréaláf, dem zehnten König der Mark, große Geschenke und lobte unsere Pferde, als er damals in die Riddermark kam. Für meinen Herren ist es wichtig, sich auf guten Fuß mit seinen Nachbarn zu stellen.“
Gamred nickte anerkennend. „Dies verstehe ich durchaus“, sagte er. „Es muss eine große Ehre für Euch sein, für diesen Auftrag auserwählt zu sein.“
Gríma schlug die Augen nieder. „Dies ist es in der Tat“, antwortete er leise und langte nach seinem Kelch.
Doch ist es nicht schmerzhaft für Euch, Eure Frau zurückzulassen?“ Céadwyns Mutter hatte gesprochen, und Céadwyn sah, wie ihr Vater mit einem lautlosen Seufzen sanft den Kopf schüttelte. Es war abzusehen gewesen, dass die Gemahlin des Stadtfürsten zu gegebener Zeit darauf zu sprechen kommen würde. Die Hochzeit ihrer Tochter beschäftigte sie sehr, ja, beinahe schien es, als würde sie noch einmal heiraten, wie Gamred einmal gebrummt hatte, als sie, voller Vorfreude, den Stoff für das Kleid auswählte. Céadwyn hatte nur daneben gestanden, sich unwohl fühlend.
Der Ratgeber, der gerade einen Schluck aus seinem Kelch hatte nehmen wollen, hielt bei diesen Worten in seiner Bewegung inne und runzelte die Stirn. Seine Fingerspitzen, die gegen den Kelch drückten, waren weiß geworden.
Ich bin nicht vermählt, Frau Cynwaru“, sagte er leise, und ein kühler Unterton schwang in seiner Stimme mit, der deutlich machte, dass er zu dieser Aussage nichts mehr zu sagen hatte. „Gegeben dieser Umständen habe ich auch niemanden, den ich zurücklassen könnte.“
Céadwyns Mutter blinzelte überrascht. „Ich bitte um Verzeihung, mein Herr“, sagte sie und schlug den Blick nieder. „Dies wusste ich nicht.“
Euch trifft keine Schuld“, gab der Héahwita mild zur Antwort. „Dies konntet Ihr schließlich nicht wissen.“ Er stellte den Kelch ab, und es kehrte wieder etwas Farbe in seine blassen Fingerspitzen zurück.
Céadwyn fragte sich unwillkürlich, ob die Berührung dieser Finger wohl kühl wäre, ob sie wohl so blass waren, weil ihnen Blut fehlte.
Sie schrak auf, als ihr Name genannt wurde.
Céadwyn, unsere Tochter, wird bald vermählt werden. In einer Woche werden die Vorbereitungen soweit abgeschlossen sein, dass wir zum Schneeborn reisen können, wo sie den Fürsten heiraten wird.“ Auf dem Gesicht ihrer Mutter lag ein Lächeln, ähnlich dem Winfus am Nachmittag, als sie sich im Wind gedreht hatte.
Ist dem so?“ Der Blick des Ratgebers glitt zu Céadwyn herüber, und zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, als wenn er sie wahrhaftig ansah; sie in ihrer ganzen Gestalt, wie da saß, und sie nickte.
Die dunklen Augen musterten sie schweigend, ehe der Ratgeber mild lächelte.
Ich wünsche Euch Glück, Frau Céadwyn.“
Seine Stimme war sanft und leise, weich wie sein Samtumhang. Und er hatte zu ihr gesprochen, zu ihr ganz allein.
Céadwyn lächelte und senkte den Blick, um ihr Erröten zu verbergen. „Habt Dank, mein Herr“, sagte sie leise.
Als sie jedoch aufblickte, hatte der Ratgeber sich bereits wieder ihrem Vater zugewandt, den er nach der Nachricht vom Fürsten des Schneeborn fragte. Doch sie hörte gar nicht mehr richtig zu, denn wieder schlich sich ein flatterndes Gefühl von Beunruhigung an, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
Wenn der Ratgeber am nächsten Morgen fort ritt, wäre sie ihrer Hochzeit ein Stückchen näher. Er beschützte sie mit seiner Anwesenheit vor dem Gedanken an den Fürsten, beschützte sie vor dem Gedanken, ihre Familie und ihre Freundin für immer zu verlassen.
Natürlich würde ihr Vater mit ihr kommen, um sie ihrem Gemahl zu übergeben, und sie würde Winfu sehen, wenn sie sie besuchen kam, doch... eine Veränderung stand bevor. Eine große Veränderung, die nicht rückgängig zu machen war.
War der Bund erst geschlossen, war er nicht mehr zu brechen.

Beheald Þanc für Eure Gastfreundschaft, mein Herr.“
Céadwyn hob erschrocken den Blick und sah, wie sich der Rateber gerade erhob. Ihr Vater und ihre Mutter standen schon, und Cynwaru warf ihrer Tochter einen langen Blick zu, der deutlich besagte, wie wenig sie davon hielt, dass ihre Tochter unaufmerksam gewesen war.
Céadwyn erhob sich rasch und stolperte beinahe über den Saum ihres Kleides. Ihr Herz klopfte in ihrer Brust, und ihr Hals schnürte sich zusammen.
Der Ratgeber durfte noch nicht fortgehen! Er durfte sie nicht mit ihren Gedanken allein lassen, mit den Gedanken an ihre bevorstehende Hochzeit, die ihr solche Angst machte!
Sie versuchte, ihre Furcht herunterzuschlucken, als sie mit bebender Stimme nach ihm rief. „M - mein Herr héahwita! Bitte wartet für einen Moment!“
Der Ratgeber hielt inne und wandte den Kopf, und für einen Moment lag etwas Merkwürdiges in seinem Blick; etwas, was sie nicht genau deuten konnte. Es war, als würde er auf einmal etwas in ihr sehen, von dem sie nicht ganz sicher war, was es war.
Ob es gut oder schlecht für sie war.
Im nächsten Moment jedoch blinzelte er, und das, was in seinem Blick gelegen hatte, war verschwunden.
Frau Céadwyn?“ fragte er leise. „Was wünscht Ihr?“
Gamred räusperte sich leise und blickte sie streng an, und Céadwyn war sich dessen bewusst, dass sie ihren Vater verärgert hatte. Doch der Ratgeber durfte noch nicht gehen. Er durfte dies nicht.
Ich...“, begann sie, suchte nach einem Grund, der ihr die Gesellschaft des Mannes sichern würde. „Ich wollte... Ihr habt so viel über den Zauberer Saruman gesprochen, mín hlaford. Ich würde gerne mehr über ihn erfahren, wenn Ihr mir etwas über ihn erzählen wollt, und von unserem König. Wie es am Königshofe ist.“
Ich soll Euch von Herrn Saruman erzählen? Und von meiner Arbeit am Königshofe?“ Die Stimme des héahwita klang überrascht, und als sie zu ihm aufblickte, schüttelte er sanft den Kopf. „Euer Interesse ehrt mich, doch ich wage zu behaupten, dass diese Erzählungen Euch langweilen würden. Das, was ich für meinen Herren tun muss, ist nicht sonderlich interessant.“
Gamred brummte zufrieden seine Zustimmung, und Céadwyn senkte den Kopf. Wie hatte sie nur glauben können, dass der Ratgeber ihr diese Bitte erfüllen würde! Für ihn war sie nichts, nicht mehr als eine einfache Tochter des Stadtfürsten!
Ich könnte Euch jedoch eine Geschichte erzählen, wenn Ihr dies wünscht.“
Céadwyn blickte zu ihm auf, maßlos überrascht. Freudiges Staunen breitete sich langsam in ihr aus, und ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf ihre Züge.
Nun jedoch trat ihr Vater vor und lächelte den Ratgeber entschuldigend an, und ihre Mutter legte ihrer Tochter sanft, jedoch bestimmend, die Hand auf die Schulter.
Bitte verzeiht, mein Herr“, sagte Gamred und neigte demütig den Kopf. „Ich wage zu behaupten, dass meine Tochter müde wird und sie besser zu Bett gehen sollte. Dieses Gespräch hat sie sehr aufgewühlt und sie durcheinander gebracht. Ich entschuldige mich im Namen meiner Tochter, dass sie Eure Zeit verschwendet hat.“
Eine Weile blieb der Berater stumm, blickte nachdenklich auf die Tochter des Stadtfürsten hinab, doch Céadwyn hatte das Haupt gesenkt, spürte sie doch allzu deutlich den Griff ihrer Mutter auf ihrer Schulter, den strengen Blick ihres Vaters.
Sie hörte, wie der Ratgeber schließlich leise seufzte, sich mit einem Rascheln seiner Kleidung umwandte und auf die Tür zuging. Und selbst, wenn sie es nicht sah, so spürte sie doch, was von ihm ausging.
Enttäuschung.
Schuldgefühle nagten an ihr, und ihre Wangen brannten, als hätte man sie geschlagen. Sie hörte die Schritte, die sich entfernten, hörte die Tür, die geöffnet wurde, und immer noch stand sie da, während ihr Vater und der Ratgeber aus dem Raum gingen. Du brauchst nur die Worte auszusprechen.
Doch ihr Mund war trocken, und etwas brannte in ihren Augen, sodass ihre Sicht verschwamm. Ein Kloß war in ihrem Hals, schnürte ihr die Luft zu. Ihre Hände bebten.

Bitte, mín hlaford héahwita, ich wünsche es!“

Ihre Stimme war mehr ein hohes Fiepsen als ihre normale Tonart, doch er hörte sie und wandte den Kopf, und Erstaunen lag in seinem Blick, welches sich jedoch zu etwas Ähnlichem wie... Zufriedenheit wandelte. Das machte keinen Sinn, doch ihr Herz klopfte so laut, dass es ihre Gedanken zu übertönen drohte.
Gamreds missbilligender Blick traf sie, doch sie merkte dies kaum, da in diesem Moment der héahwita sich umdrehte und mit leisem Schritt wieder auf sie zu trat.
Ein sanftes, kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte die Mundwinkel des Ratgebers, wie er auf sie herabblickte. „Wie die Herrin befiehlt.“
Rasch hatte er sich zwei Stühle herangezogen und sich auf einen davon gesetzt, den Tisch an seiner Seite. Mit einer Handbewegung forderte er Céadwyn auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen, welches diese mit weichen Knien tat und nervös und gespannt ihr Kleid glattstrich.
Sein Blick glitt zu dem Stadtfürsten, der ihn sprachlos anstarrte.
Wenn Ihr so gut sein wollt, mein Herr, dann lasst uns etwas Wasser bringen, um den Wein zu verdünnen. Es heißt zwar, dass mehrere Kelche Wein die Zunge lösen sollen, doch möchte ich dies hier nicht riskieren, wenn ich morgen früh wieder abreisen muss. Meine Begleiter würden nur über mich spotten. Ihr seid natürlich herzlich dazu eingeladen, meiner Geschichte zu lauschen, wenn Ihr mögt.“
Céadwyn blickte zu ihrem Vater, der jedoch nur brummend den Kopf schüttelte. „Es wird alles geschehen, wie Ihr wünscht, mein Herr“, sagte er und verneigte sich. „Ich werde mich jedoch mit meiner Gemahlin zurückziehen, wenn es recht ist. Ein Diener wird Euch das Gewünschte bringen und Euch Gesellschaft leisten.“
Der Berater des Königs blickte dem Stadtfürstenpaar nach, wie es aus dem Raum verschwand und die Tür halb schloss. Schließlich wandte er sich mit einem leisen Lächeln auf dem blassen Gesicht Céadwyn zu.
Nun, Herrin... Eure Mutter sagte, dass Ihr bald vermählt werden sollt. Ich glaube, dazu kenne ich eine Geschichte.“


Doch sie war stolz und wollte mit keinem Manne vermählt werden, selbst, wenn ihr Vater alt und krank war und dies die einzige Möglichkeit war, ihr die Mittel zu seiner Heilung zu verschaffen.
Und so schlich sie hinaus und nahm ihr Schwert, und niemand sah sie, wie sie die schattigen Stufen hinab huschte, wie sie im Hof im weißen, kalten Mondlicht mit der Klinge tanzte; ein Tanz von Anmut und tödlicher Genauigkeit, und der geschliffene Stahl glänzte und zischte durch die Luft, während sie sich drehte und die Bewegungen übte, die ihr von ihrem Bruder und ihrem Vetter gezeigt worden waren. Sie stellte sich vor, sie stünde auf dem Schlachtfeld, und sie würde ihren Tanz tanzen und dabei die Feinde mit dem blitzenden Stahl in den Tod reißen und ihr Land beschützen. Und doch waren keine Feinde auf dem Hof; nur sie allein war dort und tanzte zwischen den Schatten, während der bleiche Mond auf sie herab schien und sie mit seinem kalten Licht übergoss...



tbc...



Ærraða (Roh.) = Name des Monats Juni
Gríma (Roh.) = Maske

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