Dank Mythopoeias MSTing bin ich
mittlerweile bei dem Kapitel der Stimme Sarumans angelangt, und ich
merke mal wieder meinen Zwiespalt.
Zudem musste ich das MSTing kurz
unterbrechen, weil sich mein Herz zusammengekrampft hat bei dem
Wortwechsel zwischen Saruman und Gandalf. Saruman verhöhnt und
verspottet sie alle der Reihe nach: Théoden, Éomer, Aragorn, Gimli,
Gandalf. Die meisten nehmen es mehr oder weniger gelassen hin,
Théoden provoziert Saruman sogar so weit, dass er den König beinahe
mit seinem Stab schlägt.
Und dann kommt auf einmal Gandalf und
fragt nach dem „widerrufen“, und Saruman zögert. Er kontert
noch, jedoch dieses Mal mehr auf eine schmeichelnde Art, als ob er
sich dessen bewusst ist, dass er gewisse Schuld hat. Danach fragt
Gandalf, ob er den Orthanc nicht für eine Weile verlassen möchte,
dass er ihm Schutz bieten kann, und es ist Sarumans arrogante, zurück
schnappende Reaktion, die mich das MSTing hat unterbrechen lassen.
Saruman hat in diesem Moment Angst, das
merkt man. Er fürchtet Sauron, doch er überspielt diese Furcht mit
Stolz und Überheblichkeit, und man versteht ihn in diesem Moment. Er
ist zu stolz, um zuzugeben, dass er Angst hat.
Ich kann nicht umhin zu denken, dass,
wenn Gandalf ein bisschen einfühlsamer gewesen wäre, wenn Gandalf
Saruman auf eine andere Art als dieses sich-über-ihn-lustig-machen
gewählt hätte (denn auch, wenn es nicht so gemeint ist, so fasst
Saruman das hundertprozentig so auf), um ihm anzubieten,
hinunterzukommen, dann wäre es möglich gewesen. Es wäre vielleicht
möglich gewesen, dass Saruman freiwillig eingewilligt hätte, den
Orthanc zu verlassen, Gandalfs Schutz zu akzeptieren und ihnen
womöglich gegen Sauron zu helfen, denn wer weiß mehr über die
Ringe der Macht als Saruman?
Gandalfs Angebot ist ehrlich gemeint;
er bietet ihm schließlich einige Monate später im August wieder an,
mit ihm zu kommen, doch zu dem Zeitpunkt hat Saruman schon zu viel
Zeit allein in seinem Turm verbracht und sich so sehr eingeredet,
dass Gandalf ihm schaden möchte, dass er es glaubt. Und ich meine
beinahe, eine gewisse Resignation aus Sarumans Worten zu hören, wenn
er dort sagt: „Nein, bitte, lächele mich nicht an. Dein
Stirnrunzeln ist mir lieber.“ und „Wenn es wirklich die
letzte [Aufforderung, sich den „guten Mächten“ anzuschließen]
ist, bin ich froh. Denn dann bleibt mir die Mühe erspart, sie
wiederum abzulehnen.“
Tief in seinem Herzen weiß er, dass
Gandalf ihm einen Ausweg bietet, dass Gandalf ihm die Tür zur
Rückkehr nach Valinor offen hält, doch sein Stolz und seine
Bitterkeit ist zu groß, und so vergräbt er sich lieber in seinem
Spott und redet sich ein, dass alles Gandalfs Schuld ist.
Er hat sich so lange Zeit als das
Oberhaupt des Rates gesehen, jemand, der anderen mit Rat und Tat zur
Seite stand und zu dem andere aufsahen. Dadurch hat eine immense
Verantwortung auf seinen Schultern gelastet, er hat sich jedoch mehr
und mehr von dem scheinbar „einfacheren“ Weg verführen lassen,
und als er merkt, dass er auf dem falschen Weg ist, ist es schon zu
spät. (Burn Out-Syndrom? Depression? Könnte man theoretisch
überlegen, ob er das gehabt hat.)
Er hätte noch umkehren können. Er
hätte es tun können dort im Orthanc, hätte noch eine Chance auf
Vergebung gehabt, doch sein Neid auf Gandalf und wohl auch seine
Furcht vor sowohl ihm als auch Sauron haben ihn zurückgehalten. (Und
Gandalfs vollkommen rücksichtslose Worte.)
Und das ist mal wieder Tolkien
zuzuschreiben, einen Bösewicht zu erschaffen, mit dem man Mitleid
haben kann, denn, wie auch Frodo schließlich sagt: Einst war er groß
und weise, und wir sollten nicht die Hand gegen jemanden wie ihn
erheben, selbst in seinem jetzigen Zustand nicht.
Mag sein, dass ich von Sarumans Worten
beeinflusst worden bin, aber ich habe Mitleid mit ihm. (Außerdem ist
Saruman wohl kaum jemand, der möchte, dass man Mitleid mit ihm hat.
Da ist er zu stolz für.)
Mmmmh, an welche andere Szene erinnert mich das bloß? Eine Szene, in der ein bisschen mehr Empathie von Gandalf gegenüber einem bereits geschlagenen Charakter eine Wiederversöhnung und die Rettung eines Lebens bewirkt hätte?
AntwortenLöschenNein, Scherz beiseite, ich bin wirklich geflasht, wie du diese Szene analysiert hast. So genaue Beachtung habe ich Saruman nie geschenkt, aber jetzt sind die Parallelen zwischen ihm und Denethor fast schon unheimlich und mir wird klar, was für eine komplexe Figur Tolkien in Saruman erschaffen hat (was er überhaupt für grandiose Charaktere kreiert hat, es ist so unfair, dass ihm so oft das Gegenteil vorgeworfen wird!). Ich muss ganz dringend das Buch von Neuem lesen. Genau genommen bin ich gerade auf dem Sprung, um es aus der Bücherei auszuleihen, meine Tolkiensammlung ist ja leider zuhause geblieben. ^^
Danke für diese Anregung!!