Dienstag, 30. August 2016

Vor der Tür des Orthancs



Dank Mythopoeias MSTing bin ich mittlerweile bei dem Kapitel der Stimme Sarumans angelangt, und ich merke mal wieder meinen Zwiespalt.
Zudem musste ich das MSTing kurz unterbrechen, weil sich mein Herz zusammengekrampft hat bei dem Wortwechsel zwischen Saruman und Gandalf. Saruman verhöhnt und verspottet sie alle der Reihe nach: Théoden, Éomer, Aragorn, Gimli, Gandalf. Die meisten nehmen es mehr oder weniger gelassen hin, Théoden provoziert Saruman sogar so weit, dass er den König beinahe mit seinem Stab schlägt.

Und dann kommt auf einmal Gandalf und fragt nach dem „widerrufen“, und Saruman zögert. Er kontert noch, jedoch dieses Mal mehr auf eine schmeichelnde Art, als ob er sich dessen bewusst ist, dass er gewisse Schuld hat. Danach fragt Gandalf, ob er den Orthanc nicht für eine Weile verlassen möchte, dass er ihm Schutz bieten kann, und es ist Sarumans arrogante, zurück schnappende Reaktion, die mich das MSTing hat unterbrechen lassen.
Saruman hat in diesem Moment Angst, das merkt man. Er fürchtet Sauron, doch er überspielt diese Furcht mit Stolz und Überheblichkeit, und man versteht ihn in diesem Moment. Er ist zu stolz, um zuzugeben, dass er Angst hat.
Ich kann nicht umhin zu denken, dass, wenn Gandalf ein bisschen einfühlsamer gewesen wäre, wenn Gandalf Saruman auf eine andere Art als dieses sich-über-ihn-lustig-machen gewählt hätte (denn auch, wenn es nicht so gemeint ist, so fasst Saruman das hundertprozentig so auf), um ihm anzubieten, hinunterzukommen, dann wäre es möglich gewesen. Es wäre vielleicht möglich gewesen, dass Saruman freiwillig eingewilligt hätte, den Orthanc zu verlassen, Gandalfs Schutz zu akzeptieren und ihnen womöglich gegen Sauron zu helfen, denn wer weiß mehr über die Ringe der Macht als Saruman?
Gandalfs Angebot ist ehrlich gemeint; er bietet ihm schließlich einige Monate später im August wieder an, mit ihm zu kommen, doch zu dem Zeitpunkt hat Saruman schon zu viel Zeit allein in seinem Turm verbracht und sich so sehr eingeredet, dass Gandalf ihm schaden möchte, dass er es glaubt. Und ich meine beinahe, eine gewisse Resignation aus Sarumans Worten zu hören, wenn er dort sagt: „Nein, bitte, lächele mich nicht an. Dein Stirnrunzeln ist mir lieber.“ und „Wenn es wirklich die letzte [Aufforderung, sich den „guten Mächten“ anzuschließen] ist, bin ich froh. Denn dann bleibt mir die Mühe erspart, sie wiederum abzulehnen.

Tief in seinem Herzen weiß er, dass Gandalf ihm einen Ausweg bietet, dass Gandalf ihm die Tür zur Rückkehr nach Valinor offen hält, doch sein Stolz und seine Bitterkeit ist zu groß, und so vergräbt er sich lieber in seinem Spott und redet sich ein, dass alles Gandalfs Schuld ist.
Er hat sich so lange Zeit als das Oberhaupt des Rates gesehen, jemand, der anderen mit Rat und Tat zur Seite stand und zu dem andere aufsahen. Dadurch hat eine immense Verantwortung auf seinen Schultern gelastet, er hat sich jedoch mehr und mehr von dem scheinbar „einfacheren“ Weg verführen lassen, und als er merkt, dass er auf dem falschen Weg ist, ist es schon zu spät. (Burn Out-Syndrom? Depression? Könnte man theoretisch überlegen, ob er das gehabt hat.)
Er hätte noch umkehren können. Er hätte es tun können dort im Orthanc, hätte noch eine Chance auf Vergebung gehabt, doch sein Neid auf Gandalf und wohl auch seine Furcht vor sowohl ihm als auch Sauron haben ihn zurückgehalten. (Und Gandalfs vollkommen rücksichtslose Worte.)
Und das ist mal wieder Tolkien zuzuschreiben, einen Bösewicht zu erschaffen, mit dem man Mitleid haben kann, denn, wie auch Frodo schließlich sagt: Einst war er groß und weise, und wir sollten nicht die Hand gegen jemanden wie ihn erheben, selbst in seinem jetzigen Zustand nicht.
Mag sein, dass ich von Sarumans Worten beeinflusst worden bin, aber ich habe Mitleid mit ihm. (Außerdem ist Saruman wohl kaum jemand, der möchte, dass man Mitleid mit ihm hat. Da ist er zu stolz für.)

1 Kommentar:

  1. Mmmmh, an welche andere Szene erinnert mich das bloß? Eine Szene, in der ein bisschen mehr Empathie von Gandalf gegenüber einem bereits geschlagenen Charakter eine Wiederversöhnung und die Rettung eines Lebens bewirkt hätte?
    Nein, Scherz beiseite, ich bin wirklich geflasht, wie du diese Szene analysiert hast. So genaue Beachtung habe ich Saruman nie geschenkt, aber jetzt sind die Parallelen zwischen ihm und Denethor fast schon unheimlich und mir wird klar, was für eine komplexe Figur Tolkien in Saruman erschaffen hat (was er überhaupt für grandiose Charaktere kreiert hat, es ist so unfair, dass ihm so oft das Gegenteil vorgeworfen wird!). Ich muss ganz dringend das Buch von Neuem lesen. Genau genommen bin ich gerade auf dem Sprung, um es aus der Bücherei auszuleihen, meine Tolkiensammlung ist ja leider zuhause geblieben. ^^
    Danke für diese Anregung!!

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