Einige Gedanken über Wurmschwanz
Sicherlich fragen sich vielleicht
einige, weshalb ich nicht schon längst einen eigentlich recht
offensichtlichen Vergleich zwischen zwei Buchcharakteren gezogen habe
– nämlich zwischen dem Verräter Gríma Schlangenzunge aus dem
„Herrn der Ringe“ und dem Verräter Peter Pettigrew aus „Harry
Potter“.
Der Grund? Ganz einfach: Ich mag
Wurmschwanz nicht. Er ist der Typ von Buchfigur (beabsichtigt
oder nicht), die ich meiden und, wenn vor mir, mit dem Fuß und –
bloß nicht berühren! – einem angeekelten Gesichtsausdruck
am liebsten noch weiter wegschieben möchte, um ihn nicht ansehen zu
müssen.
„Weshalb?“, könnten jetzt einige
etwas verwundert fragen. „Du hast gesagt, du magst gerne Verräter,
weshalb gehört Pettigrew da nicht in die Kategorie derer, die du
magst und faszinierend findest, mit hinein?“
Fakt ist, dass ich es selbst nicht ganz
genau weiß. Ich weiß nur, dass mich beim Lesen von Szenen, wo er
(nicht als Ratte verwandelt) vorkommt ein Ekelschauer überläuft,
der nicht angenehm ist. Am liebsten würde ich die Szenen
überspringen, wenn diese nicht meist von Voldemort begleitet wären,
der viel zu faszinierend ist, als dass man ihn überspringen
könnte. Vielleicht wird dieser Essay? Abhandlung? Text? ein bisschen
Klarheit darauf werfen, weshalb ich so fühle.
Außerdem muss man entschuldigen, dass
ich manche Sachen vielleicht sehr arg auf den „Herrn der Ringe“
beziehe, selbst, wenn dies Themen sind, die es schon seit Anbeginn
der Menschheit gibt. (Wie eben Liebe und Verrat.) Ich möchte hier
einen Vergleich zwischen zwei Buchcharakteren ziehen und konzentriere
mich dadurch nur auf diese Bücher, denn genauso gut könnte ich den
verschiedensten modernen Liebesromanen vorwerfen, nur eine Kopie von
Shakespeares „Romeo und Julia“ zu sein. Oder der Nibelungensage.
Dabei ist es eigentlich ein wenig
ungerecht, dass ich so beim Lesen fühle. Auch, wenn ich Szenen aus
dem „Herrn der Ringe“ nachlese, muss ich meist über Gríma und
sein Verhalten den Kopf schütteln, weil er entweder greinend oder
auf dem Boden herumkriechend ist. (Tatsächlich kriecht er die meiste
Zeit im Buch auf dem Boden herum, ist mir aufgefallen. Vielleicht
nimmt er seinen Spitznamen zu wortwörtlich. Jedoch muss man zugeben,
dass er, wenn er sich mal erhebt, doch recht beeindruckende Sachen
macht – in Edoras weichen die Wachen vor ihm und der „Bosheit“,
die von ihm ausgeht, zurück, und im Auenland... nun, da bringt er
Saruman um. Oh, und sicherlich kroch er auch nicht auf dem Boden, als
er den Palantír aus dem Fenster warf.)
Ich werde nun einmal die Gleichheiten
zwischen ihnen aufzählen, ausgehend von Pettigrew, und bei jedem
Punkt, wo eine Ähnlichkeit zu erkennen ist, wird eine kleine Glocke
ertönen. (Hörst du? *ding* Ich habe mir zu viel CinemaSins
angeschaut, ich gebe es zu.)
Fangen wir bei dem Namen an –
Wormtail vs. Wormtongue? Da ist ja nur die letzte Silbe anders,
ansonsten ist der Name gleich – wobei sie natürlich eine andere
Bedeutung im Deutschen haben. (*ding*) Zudem ist bei beiden Feigheit
ein Charaktergrundzug, der tragend über die gesamten Bücher ist.
Man erfährt, soweit ich weiß, nicht recht, woher „Krätze“
kommt; nur, dass er früher Percy gehört hat. Pettigrew lebte zudem
zwölf Jahre recht unerkannt unter dieser Tarnung, (Ha, nimm das,
Gríma. Drei Jahre länger als du.) ehe er enttarnt wurde – durch
einen Zauberer, der „wiedergekommen“ ist. Zwar ist es hier
Pettigrew, der alle mit der Nachricht seines angeblichen Todes
reingelegt hat, aber das kaschiert nicht über die Ähnlichkeit mit
dem „wiederkehrenden“ Gandalf.
Kaum ist er enttarnt, dreht und windet
sich Pettigrew und fleht um sein Leben – und bekommt dieses
geschenkt durch den Helden, aus sogenannter Gnade heraus. (Bin ich
die Einzige, die sich da extrem an Théodens, bzw. Gandalfs Worte
erinnert gefühlt hat?) Pettigrew wird erst scheinbar unschädlich
gemacht, es gelingt ihm jedoch, zu fliehen und zu seinem ehemaligen
Herren zurückzukehren.
Bei diesem angekommen, erweist sich das
jedoch als genauso große Zumutung wie die sogenannte „Verhaftung“,
und Pettigrew bereut es bitterlich, dass er zu Voldemort zurückkehrte
– selbst Voldemort merkt dies verächtlich an. Hiernach hören die
Ähnlichkeiten ein bisschen auf – Pettigrew hilft Voldemort recht
effektiv, wieder zu Macht zu gelangen, bringt sogar ein recht großes
Opfer dafür (war es wirklich notwendig, sich dafür eine gesamte
Hand abzuschneiden? Hätte es ein erneuter Finger nicht auch getan?),
räumt noch einen „Nebencharakter“ aus dem Weg (hier könnte man
wieder den Vergleich zwischen Cedric und Lotho ziehen) und wird dafür
belohnt. Nichtsdestotrotz verabscheut er Voldemort, dieser merkt das
und stellt ihn als Snapes Diener an. Ganz wie Gríma lauscht auch
Pettigrew, hat jedoch keinerlei Möglichkeiten, diese Information an
einen Dementor weiterzugeben. (Hier könnte man auch wieder sagen,
dass die Dementoren an die Nazgûl angelehnt sind – beide blind,
beide „schnüffeln/atmen asthmatisch“ mehr, als dass sie sehen.)
Und dann, im letzten Band, tauchen
wieder ein paar kleine Ähnlichkeiten auf. Wurmschwanz hat im Keller
der Malfoys die Gelegenheit, Harry zu töten, zögert – und wird
selbst umgebracht, durch seine eigene, schöne, neue Hand. Hört sich
ein bisschen weit hergeholt an, wenn man Grímas Ende bedenkt, da
nicht Saruman ihn umbringt. Wenn man jedoch die Szene mit dem
Palantír bedenkt, dann macht das wieder mehr Sinn.
Gríma wirft den Palantír aus dem
Fenster des Orthanc; aufgrund der Zielrichtung gibt er zu, eigentlich
auf Saruman gezielt zu haben, doch da dieser den Balkon gerade
verlassen hat, prallt der Ball vom Geländer ab und saust knapp an
Gandalfs Kopf vorbei. Dies ist ein offensichtliches Zeichen von
seinem Unbehagen, und dem „schrillen Schrei, der
plötzlich abbrach, [der] aus einem offenen Fenster hoch oben [kam]“
zu urteilen ist auch Saruman nicht sonderlich erfreut darüber.
Weshalb also mag ich Pettigrew nicht,
wenn doch so viele Ähnlichkeiten mit meinem ansonsten so bewunderten
Ratgeber bestehen?
Womöglich ist es sein Wesen. Pettigrew
achtet nur sein eigenes Leben höher als das von Voldemort, ebenso
wie Alfrid, und er passt sich der jeweiligen Situation (wenn auch
widerwillig) an. Weshalb verriet Pettigrew Lily und James an
Voldemort? Weil er um sein eigenes Leben fürchtete.
Weshalb verriet Gríma seinen König an
Saruman? Nicht aus Angst um sein eigenes Leben, nein; aufgrund von
Machtgier und Begierde und womöglich Ehrgeiz. Gríma ist sich
selbstsicher genug, um zumindest zu versuchen, gegen Gandalf zu
bestehen und grimmig zu lachen, als die Hexe des Goldenen Waldes
erwähnt wird und diese zu verspotten. Natürlich kriecht er Momente
später vor seinem König auf dem Boden herum, doch zumindest hat er
sich gewehrt.
Was hingegen macht Pettigrew, als er
enttarnt wird? Er rollt sich auf dem Boden zusammen und wimmert und
fleht und weint und versucht sofort, einen auf heile Welt zu machen.
Er würde es niemals auch nur wagen, sich über Sirius lustig zu
machen (oder gar Voldemort zu beleidigen); dafür hätte er ein viel
zu schlechtes Gewissen.
Gríma ist selbstbewusst, oder sollten
wir vielleicht eher sagen, egoistisch genug, um sich schlecht
behandelt zu fühlen und dies mehr oder weniger offen zu zeigen. Er
sagt hörbar für alle, dass Saruman ihn immer schlagen würde und
wünscht, ihn verlassen zu können. (Was er nicht tut, aus was für
Gründen auch immer.) Er bleibt stehen, als Frodo ihm anbietet,
bleiben zu können, und er beschimpft Saruman und klagt ihn an, dass
dieser ihn dazu verleitet hätte, Lotho umzubringen. Pettigrew hätte
das niemals vor Voldemort gewagt.
Nun, doch Saruman hat seinen Zorn
weitaus mehr an Gríma ausgelassen als Voldemort es bei Pettigrew
jemals getan hätte; der Istar war zum Zeitpunkt seines Todes äußerst
geschwächt und hatte schon fast all seine Macht verloren, wohingegen
Voldemort seine Macht erst wieder gestärkt hat, als Pettigrew zu ihm
kam. Und letzten Endes ist Pettigrew vor Voldemorts Sturz
umgebracht worden; Gríma hingegen hat Sarumans Fall (zur Hälfte
zumindest) miterlebt und ist aktiv daran beteiligt gewesen.
Man könnte sich jetzt fragen, wer von
beiden Zauberern (Saruman oder Voldemort) der Verrat mehr geschmerzt
hat, obwohl diese Frage leicht zu beantworten ist. Für Voldemort war
Pettigrew nicht mehr als ein vorübergehendes Werkzeug, welches er
verachtet hat, wie all seine anderen Todesser auch; Pettigrew hat
einen Platz am Weitesten von Voldemort entfernt, als sie im Malfoy
Manor sitzen; und er hat die niedrigsten Aufgaben zu verrichten.
(Gefangene ruhig halten, Getränke servieren, Kerkerwächter.)
Voldemort hat Pettigrews Tod nicht einmal wirklich mitbekommen, noch
fragt er je nach ihm. Seine Horkruxe sind für ihn wichtig, und
Harry. Niemand sonst.
Saruman hingegen... Saruman duldet
Grímas Gesellschaft in diesen ganzen Monaten, er nimmt ihn mit ins
Auenland; er ruft ihn sogar, als er, besiegt, wieder von
dannen ziehen muss. Weshalb tut er das? Gríma müsste für ihn
eigentlich nicht viel mehr Wert besitzen als seine Uruks, die Saruman
sicherlich lieber mag als den ehemaligen Ratgeber. Weshalb also ruft
er gerade ihn, als er wieder davongejagt wird?
Da ich Herrn Christopher Lee leider
niemals die Mail mit dieser Frage geschickt habe, (was ich doch ein
wenig bereue) kann ich hierüber nur Vermutungen anstellen. Es mag
sein, dass es den einfachen Grund hat, dass Tolkien eben nur diesen
Namen von Sarumans Begleitern hatte; es kann sein, dass er zeigen
wollte, wie diese Figur endet.
Ich glaube, dass Saruman dies tat, weil
er womöglich jemanden braucht, den er erniedrigen kann. Er braucht
jemanden, den er niedermachen kann, um eben nicht selbst in Gedanken
an sein eigenes Leiden zu versinken. Er braucht jemanden, der auf
einer niedrigeren Stufe steht als er selbst, um eben von sich selbst
abzulenken. Womöglich braucht er jemanden, von dem er weiß, dass
dieser genauso gefallen ist wie er selbst. Er lacht schließlich über
Grímas Wiederworte; er lacht darüber und tritt ihn in das Gesicht
und geht; erwartend, dass dieser ihm folgen wird. Ich habe das
Gefühl, als ob es ihm Spaß macht, diesen Rest von Macht, den er
noch über den Ratgeber hat, auszukosten und sich dadurch besser zu
fühlen.
Voldemort hingegen ist sich für solch
etwas Banales wie körperlichem Kontakt („eew, ich fasse einen
Menschen mit meinen Händen an!“ oder „Ich mag keine Menschen.
Schlangen sind okay.“) wieder zu schade. Von daher fand ich diese
eine Szene im Turm von Hogwarts äußerst unpassend, aber das ist ein
anderes Thema und wird vielleicht wann anders diskutiert werden.
Ich danke für das Lesen. :)
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