Donnerstag, 20. August 2015

Ratte vs. Schlange - Vergleich zwischen zwei Verrätern

Einige Gedanken über Wurmschwanz


Sicherlich fragen sich vielleicht einige, weshalb ich nicht schon längst einen eigentlich recht offensichtlichen Vergleich zwischen zwei Buchcharakteren gezogen habe – nämlich zwischen dem Verräter Gríma Schlangenzunge aus dem „Herrn der Ringe“ und dem Verräter Peter Pettigrew aus „Harry Potter“.
Der Grund? Ganz einfach: Ich mag Wurmschwanz nicht. Er ist der Typ von Buchfigur (beabsichtigt oder nicht), die ich meiden und, wenn vor mir, mit dem Fuß und – bloß nicht berühren! – einem angeekelten Gesichtsausdruck am liebsten noch weiter wegschieben möchte, um ihn nicht ansehen zu müssen.
„Weshalb?“, könnten jetzt einige etwas verwundert fragen. „Du hast gesagt, du magst gerne Verräter, weshalb gehört Pettigrew da nicht in die Kategorie derer, die du magst und faszinierend findest, mit hinein?“
Fakt ist, dass ich es selbst nicht ganz genau weiß. Ich weiß nur, dass mich beim Lesen von Szenen, wo er (nicht als Ratte verwandelt) vorkommt ein Ekelschauer überläuft, der nicht angenehm ist. Am liebsten würde ich die Szenen überspringen, wenn diese nicht meist von Voldemort begleitet wären, der viel zu faszinierend ist, als dass man ihn überspringen könnte. Vielleicht wird dieser Essay? Abhandlung? Text? ein bisschen Klarheit darauf werfen, weshalb ich so fühle.

Außerdem muss man entschuldigen, dass ich manche Sachen vielleicht sehr arg auf den „Herrn der Ringe“ beziehe, selbst, wenn dies Themen sind, die es schon seit Anbeginn der Menschheit gibt. (Wie eben Liebe und Verrat.) Ich möchte hier einen Vergleich zwischen zwei Buchcharakteren ziehen und konzentriere mich dadurch nur auf diese Bücher, denn genauso gut könnte ich den verschiedensten modernen Liebesromanen vorwerfen, nur eine Kopie von Shakespeares „Romeo und Julia“ zu sein. Oder der Nibelungensage.

Dabei ist es eigentlich ein wenig ungerecht, dass ich so beim Lesen fühle. Auch, wenn ich Szenen aus dem „Herrn der Ringe“ nachlese, muss ich meist über Gríma und sein Verhalten den Kopf schütteln, weil er entweder greinend oder auf dem Boden herumkriechend ist. (Tatsächlich kriecht er die meiste Zeit im Buch auf dem Boden herum, ist mir aufgefallen. Vielleicht nimmt er seinen Spitznamen zu wortwörtlich. Jedoch muss man zugeben, dass er, wenn er sich mal erhebt, doch recht beeindruckende Sachen macht – in Edoras weichen die Wachen vor ihm und der „Bosheit“, die von ihm ausgeht, zurück, und im Auenland... nun, da bringt er Saruman um. Oh, und sicherlich kroch er auch nicht auf dem Boden, als er den Palantír aus dem Fenster warf.)
Ich werde nun einmal die Gleichheiten zwischen ihnen aufzählen, ausgehend von Pettigrew, und bei jedem Punkt, wo eine Ähnlichkeit zu erkennen ist, wird eine kleine Glocke ertönen. (Hörst du? *ding* Ich habe mir zu viel CinemaSins angeschaut, ich gebe es zu.)
Fangen wir bei dem Namen an – Wormtail vs. Wormtongue? Da ist ja nur die letzte Silbe anders, ansonsten ist der Name gleich – wobei sie natürlich eine andere Bedeutung im Deutschen haben. (*ding*) Zudem ist bei beiden Feigheit ein Charaktergrundzug, der tragend über die gesamten Bücher ist. Man erfährt, soweit ich weiß, nicht recht, woher „Krätze“ kommt; nur, dass er früher Percy gehört hat. Pettigrew lebte zudem zwölf Jahre recht unerkannt unter dieser Tarnung, (Ha, nimm das, Gríma. Drei Jahre länger als du.) ehe er enttarnt wurde – durch einen Zauberer, der „wiedergekommen“ ist. Zwar ist es hier Pettigrew, der alle mit der Nachricht seines angeblichen Todes reingelegt hat, aber das kaschiert nicht über die Ähnlichkeit mit dem „wiederkehrenden“ Gandalf.
Kaum ist er enttarnt, dreht und windet sich Pettigrew und fleht um sein Leben – und bekommt dieses geschenkt durch den Helden, aus sogenannter Gnade heraus. (Bin ich die Einzige, die sich da extrem an Théodens, bzw. Gandalfs Worte erinnert gefühlt hat?) Pettigrew wird erst scheinbar unschädlich gemacht, es gelingt ihm jedoch, zu fliehen und zu seinem ehemaligen Herren zurückzukehren.
Bei diesem angekommen, erweist sich das jedoch als genauso große Zumutung wie die sogenannte „Verhaftung“, und Pettigrew bereut es bitterlich, dass er zu Voldemort zurückkehrte – selbst Voldemort merkt dies verächtlich an. Hiernach hören die Ähnlichkeiten ein bisschen auf – Pettigrew hilft Voldemort recht effektiv, wieder zu Macht zu gelangen, bringt sogar ein recht großes Opfer dafür (war es wirklich notwendig, sich dafür eine gesamte Hand abzuschneiden? Hätte es ein erneuter Finger nicht auch getan?), räumt noch einen „Nebencharakter“ aus dem Weg (hier könnte man wieder den Vergleich zwischen Cedric und Lotho ziehen) und wird dafür belohnt. Nichtsdestotrotz verabscheut er Voldemort, dieser merkt das und stellt ihn als Snapes Diener an. Ganz wie Gríma lauscht auch Pettigrew, hat jedoch keinerlei Möglichkeiten, diese Information an einen Dementor weiterzugeben. (Hier könnte man auch wieder sagen, dass die Dementoren an die Nazgûl angelehnt sind – beide blind, beide „schnüffeln/atmen asthmatisch“ mehr, als dass sie sehen.)
Und dann, im letzten Band, tauchen wieder ein paar kleine Ähnlichkeiten auf. Wurmschwanz hat im Keller der Malfoys die Gelegenheit, Harry zu töten, zögert – und wird selbst umgebracht, durch seine eigene, schöne, neue Hand. Hört sich ein bisschen weit hergeholt an, wenn man Grímas Ende bedenkt, da nicht Saruman ihn umbringt. Wenn man jedoch die Szene mit dem Palantír bedenkt, dann macht das wieder mehr Sinn.
Gríma wirft den Palantír aus dem Fenster des Orthanc; aufgrund der Zielrichtung gibt er zu, eigentlich auf Saruman gezielt zu haben, doch da dieser den Balkon gerade verlassen hat, prallt der Ball vom Geländer ab und saust knapp an Gandalfs Kopf vorbei. Dies ist ein offensichtliches Zeichen von seinem Unbehagen, und dem „schrillen Schrei, der plötzlich abbrach, [der] aus einem offenen Fenster hoch oben [kam]“ zu urteilen ist auch Saruman nicht sonderlich erfreut darüber.

Weshalb also mag ich Pettigrew nicht, wenn doch so viele Ähnlichkeiten mit meinem ansonsten so bewunderten Ratgeber bestehen?
Womöglich ist es sein Wesen. Pettigrew achtet nur sein eigenes Leben höher als das von Voldemort, ebenso wie Alfrid, und er passt sich der jeweiligen Situation (wenn auch widerwillig) an. Weshalb verriet Pettigrew Lily und James an Voldemort? Weil er um sein eigenes Leben fürchtete.
Weshalb verriet Gríma seinen König an Saruman? Nicht aus Angst um sein eigenes Leben, nein; aufgrund von Machtgier und Begierde und womöglich Ehrgeiz. Gríma ist sich selbstsicher genug, um zumindest zu versuchen, gegen Gandalf zu bestehen und grimmig zu lachen, als die Hexe des Goldenen Waldes erwähnt wird und diese zu verspotten. Natürlich kriecht er Momente später vor seinem König auf dem Boden herum, doch zumindest hat er sich gewehrt.
Was hingegen macht Pettigrew, als er enttarnt wird? Er rollt sich auf dem Boden zusammen und wimmert und fleht und weint und versucht sofort, einen auf heile Welt zu machen. Er würde es niemals auch nur wagen, sich über Sirius lustig zu machen (oder gar Voldemort zu beleidigen); dafür hätte er ein viel zu schlechtes Gewissen.
Gríma ist selbstbewusst, oder sollten wir vielleicht eher sagen, egoistisch genug, um sich schlecht behandelt zu fühlen und dies mehr oder weniger offen zu zeigen. Er sagt hörbar für alle, dass Saruman ihn immer schlagen würde und wünscht, ihn verlassen zu können. (Was er nicht tut, aus was für Gründen auch immer.) Er bleibt stehen, als Frodo ihm anbietet, bleiben zu können, und er beschimpft Saruman und klagt ihn an, dass dieser ihn dazu verleitet hätte, Lotho umzubringen. Pettigrew hätte das niemals vor Voldemort gewagt.
Nun, doch Saruman hat seinen Zorn weitaus mehr an Gríma ausgelassen als Voldemort es bei Pettigrew jemals getan hätte; der Istar war zum Zeitpunkt seines Todes äußerst geschwächt und hatte schon fast all seine Macht verloren, wohingegen Voldemort seine Macht erst wieder gestärkt hat, als Pettigrew zu ihm kam. Und letzten Endes ist Pettigrew vor Voldemorts Sturz umgebracht worden; Gríma hingegen hat Sarumans Fall (zur Hälfte zumindest) miterlebt und ist aktiv daran beteiligt gewesen.
Man könnte sich jetzt fragen, wer von beiden Zauberern (Saruman oder Voldemort) der Verrat mehr geschmerzt hat, obwohl diese Frage leicht zu beantworten ist. Für Voldemort war Pettigrew nicht mehr als ein vorübergehendes Werkzeug, welches er verachtet hat, wie all seine anderen Todesser auch; Pettigrew hat einen Platz am Weitesten von Voldemort entfernt, als sie im Malfoy Manor sitzen; und er hat die niedrigsten Aufgaben zu verrichten. (Gefangene ruhig halten, Getränke servieren, Kerkerwächter.) Voldemort hat Pettigrews Tod nicht einmal wirklich mitbekommen, noch fragt er je nach ihm. Seine Horkruxe sind für ihn wichtig, und Harry. Niemand sonst.
Saruman hingegen... Saruman duldet Grímas Gesellschaft in diesen ganzen Monaten, er nimmt ihn mit ins Auenland; er ruft ihn sogar, als er, besiegt, wieder von dannen ziehen muss. Weshalb tut er das? Gríma müsste für ihn eigentlich nicht viel mehr Wert besitzen als seine Uruks, die Saruman sicherlich lieber mag als den ehemaligen Ratgeber. Weshalb also ruft er gerade ihn, als er wieder davongejagt wird?
Da ich Herrn Christopher Lee leider niemals die Mail mit dieser Frage geschickt habe, (was ich doch ein wenig bereue) kann ich hierüber nur Vermutungen anstellen. Es mag sein, dass es den einfachen Grund hat, dass Tolkien eben nur diesen Namen von Sarumans Begleitern hatte; es kann sein, dass er zeigen wollte, wie diese Figur endet.
Ich glaube, dass Saruman dies tat, weil er womöglich jemanden braucht, den er erniedrigen kann. Er braucht jemanden, den er niedermachen kann, um eben nicht selbst in Gedanken an sein eigenes Leiden zu versinken. Er braucht jemanden, der auf einer niedrigeren Stufe steht als er selbst, um eben von sich selbst abzulenken. Womöglich braucht er jemanden, von dem er weiß, dass dieser genauso gefallen ist wie er selbst. Er lacht schließlich über Grímas Wiederworte; er lacht darüber und tritt ihn in das Gesicht und geht; erwartend, dass dieser ihm folgen wird. Ich habe das Gefühl, als ob es ihm Spaß macht, diesen Rest von Macht, den er noch über den Ratgeber hat, auszukosten und sich dadurch besser zu fühlen.
Voldemort hingegen ist sich für solch etwas Banales wie körperlichem Kontakt („eew, ich fasse einen Menschen mit meinen Händen an!“ oder „Ich mag keine Menschen. Schlangen sind okay.“) wieder zu schade. Von daher fand ich diese eine Szene im Turm von Hogwarts äußerst unpassend, aber das ist ein anderes Thema und wird vielleicht wann anders diskutiert werden.
Ich danke für das Lesen. :)

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