Donnerstag, 25. Dezember 2014

Stellvertreter vs. Ratgeber

oder Alfrid vs. Gríma










Ich hätte nicht gedacht, dass ich tatsächlich einmal Gríma (FilmGríma, wohlbemerkt), doch als... mehr oder weniger edel beschreiben würde. Ich habe ihn eigentlich immer als verachtenswerten Mann gesehen, der feige ist und wimmert und fleht, sobald man ihm zu Nahe kommt; zudem als schwach und moralisch vor Nichts zurückschreckend, noch nicht einmal vor Mord an den eigenen Landsleuten (solange ihn jemand anderes erledigt), denn nichts anderes war die Falle an den Furten des Isen für Théodred: Mord.
Nun, nach dem zweimaligen Schauen des dritten Teils von der „Hobbit“-Trilogie, einmal auf Englisch, einmal auf Deutsch, überdenke ich meine Meinung doch ein wenig.



Natürlich spreche ich hier über Alfrid. Sein Auftauchen hat mich im zweiten Teil doch sehr empört, da ich befürchtete, einen zweiten Gríma zu sehen, und empfand es beinahe als Beleidigung für seine Figur. Ja, ich verteidige meinen geliebten Ratgeber; ich weiß, dass ich merkwürdig bin.
Erstmals fiel mir natürlich die Kleidung und generell das Aussehen der Figur auf, die ihn doch sehr ähnlich zu Gríma macht: Blasses Gesicht, dunkles, fettig zurückgeschmiertes Haar, lange, dunkle, schwere Roben, etwas gebückte Haltung. (Wobei Gríma doch deutlich kränker als Alfrid aussieht. Nun, der ganze Stress wegen dem Verrat zehrt wohl an einem. Es ist nicht gesund, sich mit Saruman einzulassen.) Kleidung, die reich verziert ist und einen gewissen Rang bezeugen.
Nun ist es kein Geheimnis, dass die eher „dunkleren“ und gar bösen Charaktere in mittelalterlichen Filmen meist mit langen, schweren Roben ausgestattet werden – man beachte einfach nur mal Denethors Amtskleidung, Thorins Königsmantel während seines Drachenwahns, Théodens Gewand während seiner Vernachlässigung, Sarumans langes, weißes Gewand, in den Zeichentrickfilmen Frollos Robe und das Gewand von Hades. Es gibt noch viele Beispiele, die dies bezeugen.
Kleider machen eben Leute, und in Filmen ist dies sehr wichtig, damit man nicht verwirrt wird, wer denn jetzt böse und wer gut ist, denn da darf der Zuschauer natürlich niemals in Zweifel drüber kommen. Man braucht eben eine Figur, mit der man sympathisieren kann.
Dann natürlich das Verhalten: Heuchlerisch, immer hinter einem Herren herschleichend und sich notfalls einen Neuen suchend, nur auf die eigenen Vorteile bedacht sein, lügen.
Lustigerweise musste ich doch grinsen, als ich in BofA Alfrid gesehen habe, der durch knietiefes Wasser kriecht und immer noch um Hilfe schreit, obwohl er sich schon längst aufrichten könnte, da ich doch an den Gríma aus dem Buch denken musste, der ähnlich greinend drauf ist, als er hinter Saruman herkriecht und darüber jammert, dass er schlecht behandelt und geschlagen wird. Nun, im Film haben sie Sarumans Weg zum Auenland natürlich nicht mitgenommen.
Sie sind sich ähnlich, natürlich. Sind beides ähnliche Charaktere von der Gesinnung her, und bei der Szene, in der Alfrid Gandalf „Hey, pointy hat!“ hinterher ruft und sie sich dann entgegengehen, hatte ich doch sehr die Szene aus Edoras vor Augen. Es hat es nicht besser gemacht, dass Alfrid Gandalf ebenfalls mit dem Wort „meddler“ begrüßt hat, und es hätte beinahe nur noch gefehlt, dass Gandalf ihm verärgert mit seinem Stab droht, und ein deutlicher Spiegel wäre hergestellt.
Sie haben sogar ähnliche musikalische Themen - viele Dissonanzen, wobei bei Gríma weniger Musik gespielt wird als bei Alfrid - womöglich, damit man sich mehr auf seine Worte konzentriert und nicht durch Musik abgelenkt wird?
Auf der anderen Seite merkt man doch, dass dies hier eben ein kleineres Format als „Herr der Ringe“ ist. Die Charaktere sind dörflicher, bodenstämmiger; es geht eben um einen Berg und nicht um ein gesamtes Land.

Von daher muss ich wohl sagen, dass Gríma auch nicht so sehr den Witzfigurstatus wie Alfrid innehatte. Man hat ihn ernst genommen; man hat bei ihm bemerkt, dass er doch eine gewisse Macht innehat und diese auch zu Nutzen weiß.
Wie Alfrid auch sagte: „Nicht jeder Mann hat den Mut, ein Korsett anzuziehen!“ - wo das halbe (deutschsprachige) Kino verhalten gelacht hat, ob dies jetzt am deutschen Publikum liegt oder an der englischen Version, die doch lustiger herüberkam – ich glaube nicht, dass Gríma den Mut dazu gehabt hätte. Er hat sich erniedrigen lassen, ja, aber nicht so weit.
Liegt es daran, dass sie beide doch verschiedene Ziele hatten; dass bei Gríma doch auch die Begierde von einer Frau die Rolle spielte und nicht nur die des Goldes und des Reichtums, wie bei Alfrid?
Bei dem Gríma im Film fällt die Gier nach Reichtum ein wenig weg; kommt bei Alfrid dafür umso ausgeprägter vor – liegt hier womöglich eine Spaltung dieser zweier Aspekte von Gríma vor?
Ich würde dem nicht unbedingt nachtrauern; mir hat es gut gefallen, dass der Gríma im Film sehr viel arroganter und mehr die Dinge „unter Kontrolle“ gehabt zu haben schien – er war selbstbewusster, als er im Buch herüberkommt, dabei jedoch nicht so sehr selbstüberschätzend und andere Leute verachtend wie Alfrid, der ja selbst denkt, ihm steht alles zu.
Ist es der Fakt, dass Gríma sehr wohl durch seinen Verrat weiß, dass höhergestellte Persönlichkeiten ihm gefährlich werden könnten, dass Saruman sich womöglich als unberechenbar erweisen könnte? Ist es, weil er sehr genau weiß, wenn er nur eine falsche Bewegung und ein falsches Wort sagt, dann wendet sich das Land gegen ihn, angeführt von Éomer?
Gríma ist in einer sehr viel kritischeren Position als Alfrid, der ja „nur“ das Zimmermädchen für den Bürgermeister spielt und sein Stellvertreter ist. Wenn die Leute feindselig Alfrid gegenüber sind, dann können sie das zeigen, da es ja somit „nur“ seine Person und der Bürgermeister ist, den sie beleidigen. Bei Gríma jedoch sprich er repräsentativ durch den König, wo das schon eine ganz andere Sache ist, wenn man seinen König liebt, aber eben seinen Ratgeber... nun ja, hasst.
Außerdem hatte ich nie das Gefühl, als wenn Alfrid tatsächlich die Macht für sich allein gehabt haben wollte; er würde lieber gerne anderen Leuten nachlaufen – ein Mitläufer eben. Gríma indessen würde ich es schon zutrauen, selbst zu versuchen, ein Land nach seinen Vorstellungen zu lenken – solange er die Unterstützung anderer mächtiger Leute hat und er vielleicht eben einen Puppenkönig, auf den er notfalls die Schuld abwälzen kann. („This order doesn‘t come from me. It comes from the king. He signed it this morning.“ Als ob Éomer dir das glauben würde, mein Herr. Und dennoch muss man ihm zugute halten: Sein Wort hat dennoch großes Gewicht; Éomer durchlebt seinem Gesichtsausdruck nach zumindest eine ungläubige Schocksekunde.)

Und noch etwas, was sie beide gemeinsam haben: Sie verschwinden ohne ein weiteres Wort spurlos aus dem Film.
Beim „Herrn der Ringe“ wird Grímas Werdegang ja noch erläutert; entweder man kennt den Verlauf des Buches, an dessen Ende er stirbt, nachdem er nach langem Hungermarsch seinen Herren umbringt, oder eben in der SEE von „The Return of the King“, wo ihm ein ähnliches Ende blüht – nur ohne den Hungermarsch vorangesetzt, da Saruman hier ja gar nicht in das Auenland kommt.
Alfrid jedoch verschwindet spurlos aus dem Film, mit den Taschen (oder eher, dem Korsett) voller Gold, während eine Schlacht in vollem Gange ist. Was mit ihm passiert, steht in keinem Buch, denn im „Hobbit“ kommt er noch nicht einmal vor. Ich kann nur darüber spekulieren, dass er entweder erschlagen wird oder es vielleicht in die Wildnis schafft – und somit das Schicksal vom Bürgermeister im Buch übernimmt, dem er ja doch auch schon sehr durch seine heuchlerischen Worte über Bard ähnelt. Es ist interessant, dass ihm hier im „Hobbit“ doch eine größere Rolle als gedacht zugefallen ist; selbst, wenn es nur ist, damit er zu einer Witzfigur verkommt.
Ich schätze also, dass er wohl in der Wildnis irgendwo im Winter sterben wird; verhungern. Oder sich einen neuen Herren suchen, dem er folgen kann.
Man kann natürlich nun damit argumentieren, dass eben, wie ich schon früher sagte, der „Herr der Ringe“ ein ganz anderes Kaliber und eine vollkommen andere Größenordnung ist, und doch... Gríma bereut am Ende; dies sieht man deutlich, indem er zögert, als Théoden ihm vergibt und er dann schließlich seinen Herren Saruman umbringt.
Alfrid tut dies nicht; er wendet sich ohne jegliche Trauer Bard zu und akzeptiert ihn, wenn auch widerwillig.
Nun, wie ich schon sagte: Andere Größenordnung.
Und dies waren meine Gedanken zu den beiden, in aller Schnelle aufgeschrieben.
Beide haben ihre starken und schwachen Seiten; allen voran, dass Alfrid doch eher kein Blatt vor den Mund nimmt und in gewisser Weise ehrlicher ist. Und, im Gegensatz zu dem Herrn Ratgeber, zumindest ein recht passabler Schwimmer zu sein scheint. *g*

1 Kommentar:

  1. Die Gegenüberstellung hat mir gut gefallen, auch, dass du weniger wertend, sondern eher sachlich vorgegangen bist.
    Ich fand Alfrids Charakter im Film ziemlich spannend und habe ihn nicht nur als Witzfigur gesehen, sondern auch als erschreckendes Beispiel dafür, wie viel Erfolg Opportunisten haben können. Zu denen ich Gríma übrigens nicht zähle, weswegen er wahrscheinlich doch mehr "Ehre" besitzt.
    Auf jeden Fall ist es schön, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, beide gegenüberzustellen, worauf ich schon beim Anschauen des dritten Teils gehofft hatte. :)

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