Freitag, 25. Oktober 2019

Hauptmann Idril, oder: Frauenquote, weil... Mann braucht eben was zu retten!


Das Spiel „Middle-earth: Shadow of War“ legt keinen guten Start hin. Erst schmieden Celebrimbor und Talion am Anfang mal munter im Herzen Mordors einen Ring der Macht (mit keiner Erklärung, wie sie dorthin gekommen sind oder weshalb Sauron sie nicht aufgehalten hat), dann verschwindet Celebrimbor und Talion muss ihn suchen. Stellt sich heraus, dass Kankra ihn entführt hat, und Talion gibt ihr den Ring im Austausch gegen den Geist. (Celebrimbor ist alles Andere als glücklich darüber.)




All das oben genannte passiert in einer verwirrenden Cutszene, in der man nicht einmal richtig interagieren kann. Das eigentliche Spiel beginnt mit dem Angriff Saurons auf Minas Ithil, und Protagonist Talion einigt sich mit dem Elb, dass sie den Palantír finden müssen, um Saurons Pläne zu durchkreuzen und Minas Ithil zu retten. (Spoiler: Minas Ithil wird fallen, und Sauron bekommt den Palantír. Steht so im „Herrn der Ringe“.)
Talion läuft also in die Stadt, schlachtet munter Orks ab, ehe ein blonder Junge auf einmal auf ihn zuläuft, ihm hilft, die Orks zu töten und sich als Hauptmann vorstellt.
Hauptmann Idril.



Ähnlichkeiten mit realen oder fiktiven Charakteren ist unbeabsichtigt und vollkommener Zufall. Ja, natürlich.


Ich gebe zu, dass mich aus offensichtlichen Gründen das blonde Haar zuerst sehr irritiert hat (und der Fakt, dass Talion ein rohirrisches Schwert findet), auf der anderen Seite gibt es einen Hirluin the fair, was eine gewisse Blondheit bedeuten könnte. Und irgendwas in meinem Kopf klingelt da wegen Imrahil und Lossarnach und hellhaarigen gondorischen Leuten, aber ich bin mir nicht sicher. Vielleicht auch nur wieder eine Fan-Theorie, um den Filmcanon mit hellhaarigem Boromir und Faramir auf Gondor anwenden zu können.
Aber es wäre zu einfach, wenn es nur das Haar wäre.
Nein, Idril muss explizit als Schildmaid bezeichnet werden, während ich mich trocken frage, was im Laufe der Jahrhunderte passiert ist, dass Gondor die wieder abgeschafft zu haben scheint. Und, noch mehr, weshalb sie die verflucht Einzige ist. Noch mehr Hauptmänner werden nur Töchter haben oder anderweitig keine Söhne mehr, und weshalb sollte Castamir der Einzige sein, der auf die Idee kam, seiner Tochter das Kriegshandwerk beizubringen?
Idril wirkt außerdem ziemlich jung; und dann ist sie gleich Second Captain? Das klingt ziiiieeemlich nach Bevorzugung und nicht nach militärischem Können. (Ich weiß, die Menschen Gondors leben länger als andere…) Captain Baranor, hingegen, ist „ordnungsgemäß“ in den Rängen aufgestiegen.
Ich würde mich nicht so sehr aufregen, wenn Idril dunkle Haare hätte, sie wenigstens einen Helm tragen würde, die KI der Orks sie nicht vollkommen ignorieren würde, wenn sie herumläuft oder wenn wir im Grunde vielleicht ein, zwei andere weibliche Soldaten Gondors zu Gesicht bekämen. Die müssten noch nicht mal etwas sagen; nur kurz ohne Helm durchs Bild laufen. Mehr verlange ich doch gar nicht! (Oder wenn einfach nur gesagt wird, dass Idril ihre Position verdient hat.)


Denn so wirkt es, als ob Idril nur existiert, um a) die Quote des Starken, Weiblichen Charakters im Spiel anzuheben (und das, obwohl Kankra als mächtige Maia im Spiel existiert (ist Kankra überhaupt eine Maia?)) und b) hauptsächlich dazu da zu sein, damit Baranor und Talion ihr herablassend-väterlich erklären können, dass Krieg eben nun mal nicht gerecht ist und Zerstörung beinhaltet.
Hätte es etwas geändert, wäre Idril eine Soldatin niederen Rangs gewesen? Hätte es etwas geändert, wenn Idril der Sohn von Castamir gewesen wäre (und dunkelhaarig)? Nein, ich glaube nicht. Baranor und Talion und Castamir könnten ihm immer noch herablassend-väterlich erklären, dass Krieg Nicht Gerecht ist und Gondors Kulturerbe von dreckigen Orks nun mal zerstört wird und das dazugehört, und es würde mich nicht so sehr stören.
Vor Allem, weil wir das altbekannte, rebellische Teenager-Gerede zwischen Vater und Tochter haben: „Ich will an die Front und dort helfen!“ „Du bleibst hier und beschützt das Tor!“ „Ist das ein Befehl?!“ „Ist es!“ *Idril zieht schmollend ab*
Von daher habe ich die Vorahnung, dass Talion sicherlich Idril wird retten müssen, denn es kann ja nicht sein, dass Idril selbstständig genug ist, sich selbst zu befreien. Nein, das war doch schon im ersten Teil mit der ach so erfahrenen Kämpferin Lithariel so, die auch gerettet werden musste, obwohl sie so erfahren ist.
Ich hasse so etwas.
Deshalb war ich auch sehr erfreut, als Talion zu Kankra (in Menschengestalt in modernem, schwarzen Fetzenkleid) marschierte, weil die eine neue Vision hatte, in der Idril stirbt. Erster Gedanke: „Hurray, endlich! Stirb, Idril, du nervst! Ich weigere mich, dich zu ret -“ Talion reagiert geschockt, obwohl er gerade mal zweimal mit ihr gesprochen hat und sagt, er müsse die Vision verhindern. „… gut. Natürlich retten wir Idril. Sicherlich würdest du das nicht sagen, wenn es Baranor wäre, um den sich die Vision drehen würde, Talion.“
Ich hoffe dennoch, dass Idril stirbt (selber darf ich sie ja leider nicht umbringen), und halb sehe ich das sogar als verdient an, denn sie trägt keinen Helm. Leider habe ich mich bereits gespoilert und weiß, dass sie überleben wird… weil einen fähigeren Captain, wie Baranor, dürfen wir nicht vor dem Tod retten? Oder Castamir selbst?

Um mal nicht die ganzen anderen lore-fails in dem Spiel aufzuzählen, welche beinhalten, dass die Nazgûl austauschbar sind, Kankra Frodo ja eigentlich nur helfen wollte, indem sie ihn vergiftet hat, Isildur total zu einem Nazgûl umgewandelt wurde nach seinem Tod und Celebrimbors Kampf mit Sauron der Grund des flammenden Auges auf Barad-Dûr ist… im Grunde: Man darf das Spiel nicht spielen, wenn man mehr als nur Peter Jacksons Filme gesehen hat.
Ich bin extremst genervt.
(Der einzige Vorteil ist das Nemesis-System und die Charakterentwicklung der Orks. Wirklich, die Orks sind toll und haben teilweise mehr Charakter als manch andere.)

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