Donnerstag, 30. April 2020

Heiler und Idioten

Beginnen wir mit der nächsten Buchbesprechung, die mich aufgeregt hat, denn leider gibt es davon viel zu viele.





Ich hatte vor einiger Zeit begonnen, ein Buch über ein magisch begabtes, junges Mädchen zu lesen, welche bei einer weisen Frau, aka Heilerin, in die Lehre geht. Dort wird sie jedoch ganz schnell wieder rausgeholt, denn der Fürst Lord Hammond hinter den Bergen bei den sieben Zwergen braucht Frauen für seine Männer. Twilla (der Name für unsere Protagonistin) bekommt von ihrer Lehrerin ihren eigenen, kleinen, magischen Spiegel, und die Reise kann beginnen! Sie wird mit einigen anderen Mädchen in einen Wagen gepfercht, ihr werden einige weibliche Wachen zugestellt und so holpert man über die Berge. Sie freundet sich mit den Mädchen an, hört, dass der Fürst Heiler so ganz und gar nicht mag und lässt es daraufhin durch einen Zaubertrick so aussehen, als wenn sie die Seuche hat. Ihre Logik: Wenn sie beweist, dass sie sich selbst heilen kann, dann wird der Fürst sie annehmen oder sie gar freilassen und ihr erlauben, nach Hause zurückzukehren.
Meine Erwartungen an diesem Punkt waren: Die Mädchen werden alle so detailliert vorgestellt, sicherlich hat Twilla nach ihrer unfreiwilligen Heirat engen Kontakt mit ihnen, und sie helfen sich gegenseitig und geben sich Ratschläge, wie sie mit der Situation umzugehen haben… ja, als ob. Das wäre ja zu einfach und würde den Fokus von Twilla ablenken, denn die darf keine gleichberechtigten Freundinnen haben. (Ha, als ob ich in meinen Geschichten besser gewesen wäre.)
Man bekommt mehr Informationen, dass es einen verfluchten Wald gibt, in dem unverheiratete Männer wahnsinnig werden, wenn sie dorthin gehen – das Fürstentum hat anscheinend zu wenig Frauen, deshalb der fanfiktionmäßige Heiratsplot. Als sie ankommen, kommt ein Priester auf sie zu und sagt ihr, dass Heiler nicht willkommen sind und die Brautlotterie zeigen wird, dass Frauen hier ganz schnell ihren Platz lernen werden. (Spoiler: Der Priester ist böse.) Ich frage mich, was mit der weiblichen Wache passiert ist, ob das eine Art Gleichberechtigung ist oder einfach schlechtes Worldbuilding.

Die Lotterie beginnt, der Fürst sitzt da und verliest Namen, und Twilla bekommt natürlich den Sohn des Fürsten ab, der darüber alles Andere als glücklich ist und kurzerhand plant, sie vergewaltigen zu lassen, weil man mit benutzter Ware nicht verhandeln könne. (Nein, der ändert sich nicht im Laufe des Buchs, der bleibt so eindimensional. Liegt wohl daran, dass er kurze Zeit später nicht mehr auftaucht.) Lord Hammond hat nämlich noch einen Sohn! Der ist zwar durch einen Aufenthalt im verfluchten Wald blind geworden und ist demnach bei allen unten durch, weil nicht mehr nützlich, aber er ist nett und hilft Twilla, als sein böser Bruder kommt, um seine Drohung wahr zu machen. Twilla hat ihm nämlich gesagt, sie könne ihm helfen, weil seine Blindheit ein Zauber ist. Da der nette Bruder namens Ylon seinen bösen Bruder halb umgebracht hat, müssen Twilla und er nun fliehen. Der einzige Weg ist in den verfluchten Wald, da sie niemand dort suchen wird.
Unterwegs treffen sie noch eine von Twillas damaligen Gefährtinnen, die glücklich mit einem Schafhirten verheiratet ist (obwohl nicht mehr als fünf Tage vergangen sein können). Sie hilft ihnen, dann geht es weiter in den Wald.
Dort taucht eine „Waldfrau“ auf (sind im Grunde Elben) und verzaubert Ylon wieder, weil er ihr gehört. Twilla jedoch wird vom Anführer der Waldelben unter seine Fittiche genommen, nachdem sie erklärt, was sie herführt. Er kann jedoch gegen die Elbin, Lotis, die Ylon als ihr Spielzeug missbraucht, nichts tun, weil Gesetz und so. Nachdem Twilla dank ihrer Spiegelkräfte einen jungen Elben rettet, sind alle beeindruckt von ihr, außer Lotis, die immer noch grundlos pissig drauf ist.
Ab da habe ich angefangen, nur noch zu überfliegen, was passiert, weil es irgendwie… uninteressant wurde. Daran liegt nicht nur der betont altertümlich gehaltene, distanzierte Schreibstil (Tolkien you are not), sondern auch, weil nicht wirklich etwas passiert und man viel zu schnell mit den Namen der Elben durcheinanderkommt. (Karla ist ja auch ein toller, elbischer Name.)
Zwischendurch kommt noch ein Menschenkind vorbei, Twilla vergisst kurzzeitig Ylon, weil oh Gott, Lotis kann nicht noch einen Menschen in ihre Fänge locken! … obwohl sie nicht die Einzige zu sein scheint, die das macht, bei allen anderen ist das in Ordnung. Twilla möchte Menschenkind retten, folgt ihr durch eine versiegelte Steintür, durch die Elben nicht durchkönnen und landet… bei den Zwergen. Dort verspricht sie ihnen irgendwie, deren Frauen wiederzufinden, weil ihnen die irgendwie abhanden gekommen sind. Wahrscheinlich im Supermarkt falsch abgebogen oder so. Oh, außerdem sind die Menschen natürlich böse, weil sie den Zwergen ihre kostbaren Metalle stehlen, und den Wald der Elben töten. Und dann war mein Geduldsfaden so dünn, dass ich bis zum letzten Kapitel vorgeblättert habe, um zu schauen, wie alles ausgeht.

Anscheinend waren sowohl Lotis, ein paar andere Elbinnen und die Priesterkaste im Fürstentum böse, weil sie einen dunklen, vergessenen Gott angebetet haben. Gründe dafür findet man nicht wirklich (auch, wenn ich natürlich zugeben muss, dass ich wirklich viele Kapitel übersprungen habe).
Letzten Endes bekommt Ylon sein Augenlicht wieder, sein Vater gibt zu, dass er sich vom König zu sehr hat beeinflussen lassen und möchte Frieden mit sowohl Zwergen als auch Elben schließen, sie verhandeln Bedingungen, die für alle gerecht sind, Ylon heiratet Twilla… oh, und zwei Freundinnen Twillas helfen auch nochmal aus und repräsentieren die Unterschicht. Sie geben so Slogans von sich wie „Frauenpower“ und „mehr Macht für Frauen“, aber dafür, dass alle wichtigen Leute, mit denen Twilla verhandelt hat und die in ihrem Bereich die Befehlsmacht innehaben, alles Männer sind, bin ich davon nicht sonderlich beeindruckt. (Ylons Bruder bleibt übrigens gleich böse und pissig, obwohl Ylon selbst vielleicht nicht besser war, als er damals noch sehen konnte, und eine freundschaftliche Beziehung hatten die beiden auch anscheinend nie zueinander. Das finde ich äußerst schade, da hätte man so viel draus machen können.)
Ich gebe zu, dass ich die Moral des Endes mag, aber ich wünschte, es wäre besser aufgebaut gewesen, hätte nicht so viele zweidimensionale Charaktere gehabt und… ja. Ich würde immer noch gerne mal ein Buch über einen männlichen Heiler/Bader lesen. Ich wäre neugierig, wie viel das am klassischen Bild des Heilers ändern würde.
Ich habe kein Bedürfnis, das Buch noch einmal anzufangen und nochmal ordentlich zu lesen.

***


Und beim nächsten Buch schlägt einem so dermaßen geballt die „ich bin arm und mein Leben ist so schwer und ich bin auf Leute, die ich hasse, angewiesen, aber ich bin trotzdem hübsch und alle begehren mich, es regnet dauernd, mein Chef ist geizig und ich wünschte, ich könnte mein Dorf, in dem ich es nicht anders kenne und in dem ich im Grunde aufgewachsen bin, verlassen. Außerdem ist meine Hütte eine Bruchbude, und mein kleines mini-Fenster besteht nur aus einem Stück Glas“-Keule ins Gesicht, dass mir gleich die Lust zum Lesen vergangen ist. Man kann meinetwegen jammern, aber nicht… so dermaßen in jedem zweiten Satz. Außerdem scheint die Protagonistin kein Ziel zu haben, auf das sie hinarbeitet, was das Jammern gleich etwas unerträglicher macht und den Plot abstruser, wenn er ihr das gestohlene Drachenherz der Elfen vor die Füße werfen wird. (Außerdem: Glasfenster? Eine Scheibe, die so groß ist, dass man tatsächlich durchschauen könnte, wäre sie sauber? Weißt du, wie teuer das damals war, Protagonistin? Wenn du nicht willst, dass dein Fensterchen aus frickin‘ Glas dreckig ist, dann säubere es halt mal. Die meisten Leute hatten nur eine Holzklappe vor einem Loch im Holz! Und wenn du das Glas verkaufen würdest, hättest du mehr Geld!)

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