Donnerstag, 25. Juni 2015

Das, was nicht sein kann: Albert und stuntfola

Was geschieht, wenn Figuren sich so sehr verselbstständigen, dass man als Autor über ihre Starrsinnigkeit den Kopf schüttelt?

Ich spreche hier primär von stuntfola, obwohl es da noch andere Kandidaten gibt, doch stuntfola hat mich mit ihrer Sturheit zur Verzweiflung gebracht. (Krähenfuß und Saruman, zum Beispiel, sind auch zwei Charaktere, die immer wieder ungebeten auftauchten und hartnäckig einen Platz im Kapitel verlangten.)
Zu Anfang muss gesagt werden, dass ich shippe; obwohl ich im Vorwort schrieb, dass „Cwideas“ kein Hauptaugenmerk auf eine Romanze legen würde (und nicht geplant ist, dass dort eine noch vorkommen soll). Ich shippe tatsächlich einige Charaktere und hoffe manchmal beinahe schmerzhaft, dass die beiden doch zusammenkommen mögen, obwohl ich weiß, dass das nicht möglich ist.
So zum Beispiel ist mein Lieblingspairing in meiner eigenen Geschichte stuntfola und Albert. Ich habe bereits zwei Freundinnen damit vollgejammert, dass meinen Gefühlen meine eigene Planung im Weg steht, und meine Planungs-Logik-Seite ist leider unnachgiebig und hat die besseren Argumente. (Nun, gegen ein „aber sie sind doch so niedlich zusammen!“ und „aber sie brauchen einander, und sie sind süß!“ lässt sich leicht argumentieren.)
Dabei ist Albert eigentlich ein Charakter, der keine große Rolle spielen sollte.


Ähnlich wie Créofan/Krähenfuß war auch er erst nur eine namenlose Figur in der Drabblesammlung „120 fremde Worte“, um bestimmte Schlagworte zu erfüllen und um eine kurze Rast von der Wanderung zu haben. Er war da, war freundlich zu Gríma und stuntfola und schmuggelte sie in der Drabblesammlung sogar in den Stall, damit sie im Heu übernachten konnten. Was jedoch nichts daran änderte, dass er am nächsten Morgen Gríma zur Rede stellte und ihm drohte, stuntfola ja nicht anzurühren, worauf der ehemalige Ratgeber noch nicht so ausweichend, sondern beinahe zynisch-aggressiv antwortete: „Woher willst du wissen, dass ich das nicht bereits getan habe?
Da ein Drabble eben sehr wenige Worte sind, konnte Gríma den Stallknecht nach dem Cliffhanger beruhigen und gleich darauf versuchen, stuntfola zum Bleiben zu überreden.
Ich mochte den Stallknecht, da er eben eine kleine Anspielung auf Grímas Vergangenheit und die damaligen Gerüchte machen konnte, und so wollte ich ihn auf jede Fall in der ausgeschriebenen Version mit dabei haben.
Und so entstand Albert, bei dem ich ein wenig mehr Zeit hatte, auf seine Sicht auf sowohl stuntfola, Gríma und Saruman einzugehen. (Ich amüsiere mich immer noch darüber, dass er Saruman als den lieben, netten Großvater ansieht.)
Was mir gleich zu Anfang an auffiel, war seine Naivität. Stuntfola war zwar einst auch so, hat diese aber dank der Monate im Orthanc und dem Zusammensein mit Saruman ein wenig abgelegt, doch Albert ist in dem Gasthof am Grünweg isoliert und bekommt kaum mal etwas von der Welt mit. Er hat keine Ahnung, dass vor ca. fünf Monaten ein Krieg geschlagen und gewonnen wurde; dass die große Bedrohung Sauron vernichtet wurde, und dass er im Gasthof zwei (mehr oder weniger) wichtige Mitspieler dieses Krieges beherbergt. Er hat keine Ahnung, dass Saruman beinahe ein Land seinem Willen unterjocht hätte, er hat keine Ahnung, dass Saruman derjenige ist, der Gríma und stuntfola dazu zwingt, ihm zu folgen.
Albert sieht nur das dreckige, erschöpfte, hungrige Mädchen stuntfola und bekommt sogleich Mitleid mit ihr. Noch ist er neutral Gríma gegenüber eingestellt, obwohl er ihm unheimlich in seinem Schweigen, seinem stechenden, abweisendem Blick ist.
Bis er die blauen Flecken auf stuntfolas Armen entdeckt, Grímas etwas arrogantes Verhalten ihr gegenüber (iss und überlasse mir das Reden), und da zählt er dann zwei und zwei zusammen, und sein Beschützerinstinkt entlädt sich Gríma gegenüber – unverdient, in diesem Fall. Ich musste sehr grinsen, als ich die Szene schrieb, während ich Mitleid mit ihnen beiden hatte.

Albert ist sehr tapfer – tapfer, aber töricht aufgrund seiner Unwissenheit. Er ist bereit, ein Mädchen, welches er gerade erst einen Abend lang gesehen hat, zu beschützen und sich damit Feinde zu machen. Er würde versuchen, sich so gut wie möglich um stuntfola zu kümmern; ihr die Geborgenheit geben, die Gríma ihr nicht geben kann (und will), weil der ehemalige Ratgeber zu sehr angefüllt ist mit bitteren Erinnerungen und sich da abschottet.
So gesehen – ja, sie würden einander brauchen und sich füreinander sorgen, und stuntfola könnte vielleicht sogar mehr oder weniger glücklich an seiner Seite werden.
Und da kommt dann das große „aber“, meine Logik-Seite.
Stuntfola selbst würde da nämlich nicht mitspielen.
Dies ist mir sehr schnell klargeworden, als Gríma versuchte, sie zu überzeugen. Sie würde ihn jetzt nicht im Stich lassen; zu sehr klammert sie sich an diese Hoffnung, wieder nach Hause zu kommen, wenn sie nur in Sarumans Nähe bleibt. Zudem könnte sie den Gedanken wohl nicht ertragen, zu wissen, dass Gríma sterben könnte, wenn sie nicht mit dabei ist. Sie denkt, dass der Grund, weshalb sie in Mittelerde und auf Gríma getroffen ist, der ist, dass sie ihn retten muss, um wieder nach Hause zu gelangen. Dass sie womöglich Saruman retten muss, die Handlung umändern, um wieder nach Hause zu kommen.
Selbst, wenn sich ein anderer Weg ergeben würde; einer, der nichts mit Saruman oder Gríma zu tun hätte – sie würde dennoch weiterhin mit ihnen mitgehen. Sie hat das Gefühl, als wenn sie (zumindest Gríma) das schuldet und ihn nicht mit gutem Gewissen einfach in den Tod laufen lassen kann. Und dann ist da ja noch Galadriels Angebot einer schnellen Heimreise, das sie ja auch ausschlug, weil sie sich verantwortlich gegenüber Gríma fühlte. Der Ratgeber ist das einzig Vertraute in der Welt, in der sie gelandet ist, und deshalb würde sie ihm und Saruman weiterhin folgen.
Außerdem denke ich, dass es ohnehin nicht gelungen wäre, sie dort zu „verstecken“. Saruman hätte dies schnell erkannt und Gríma recht sicher bestraft, ihm seine Informationsquelle rauben zu wollen; hätte sie zurückgeholt, und somit war dieser Plan ohnehin zum Scheitern verurteilt.

Man könnte jetzt verwundert fragen: Ja, aber du bist doch die Autorin, zudem sind das beides OCs. Du könntest sie doch einfach zusammenkommen lassen und Gríma und Saruman ignorieren, oder?
Und da wäre meine sofortige Antwort: Nein. Ich könnte das zwar machen, aber es würde sich nicht richtig anfühlen; damit wäre stuntfola immens out of character. Sie würde sich jahrelang Vorwürfe machen, Gríma einfach so verlassen zu haben, wo sie doch das Buch kennt; sie würde sich selbst als feige beschimpfen, da sie noch nicht einmal versucht habe, etwas zu ändern. Sie könnte mit dieser Möglichkeit ganz einfach nicht leben, und deshalb folgt sie Saruman weiterhin.
Ich würde es ihr von ganzem Herzen wünschen, mit Albert im Gasthof zu leben, vielleicht ab und an auf Reisen zu gehen und dann wiederzukommen. Und ich ertappe mich dabei, wie ich immer noch manchmal auf ein Wiedersehen der beiden hoffe; dass das alles noch ein glückliches Ende nehmen wird. Doch zuerst...

Winter ist coming.
And the only thing I hear is the whisper of arrows.

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