Ich hätte nicht gedacht, dass ich
tatsächlich einmal Gríma (FilmGríma, wohlbemerkt), doch als...
mehr oder weniger edel beschreiben würde. Ich habe ihn
eigentlich immer als verachtenswerten Mann gesehen, der feige ist und
wimmert und fleht, sobald man ihm zu Nahe kommt; zudem als schwach
und moralisch vor Nichts zurückschreckend, noch nicht einmal vor
Mord an den eigenen Landsleuten (solange ihn jemand anderes
erledigt), denn nichts anderes war die Falle an den Furten des Isen
für Théodred: Mord.
Natürlich spreche ich hier über
Alfrid. Sein Auftauchen hat mich im zweiten Teil doch sehr empört,
da ich befürchtete, einen zweiten Gríma zu sehen, und empfand es
beinahe als Beleidigung für seine Figur. Ja, ich verteidige meinen
geliebten Ratgeber; ich weiß, dass ich merkwürdig bin.
Erstmals fiel mir natürlich die
Kleidung und generell das Aussehen der Figur auf, die ihn doch sehr
ähnlich zu Gríma macht: Blasses Gesicht, dunkles, fettig
zurückgeschmiertes Haar, lange, dunkle, schwere Roben, etwas
gebückte Haltung. (Wobei Gríma doch deutlich kränker als Alfrid
aussieht. Nun, der ganze Stress wegen dem Verrat zehrt wohl an einem.
Es ist nicht gesund, sich mit Saruman einzulassen.) Kleidung, die
reich verziert ist und einen gewissen Rang bezeugen.
Nun ist es kein Geheimnis, dass die
eher „dunkleren“ und gar bösen Charaktere in mittelalterlichen
Filmen meist mit langen, schweren Roben ausgestattet werden – man
beachte einfach nur mal Denethors Amtskleidung, Thorins Königsmantel
während seines Drachenwahns, Théodens Gewand während seiner
Vernachlässigung, Sarumans langes, weißes Gewand, in den
Zeichentrickfilmen Frollos Robe und das Gewand von Hades. Es gibt
noch viele Beispiele, die dies bezeugen.
Kleider machen eben Leute, und in
Filmen ist dies sehr wichtig, damit man nicht verwirrt wird, wer denn
jetzt böse und wer gut ist, denn da darf der Zuschauer natürlich
niemals in Zweifel drüber kommen. Man braucht eben eine Figur, mit
der man sympathisieren kann.
Dann natürlich das Verhalten:
Heuchlerisch, immer hinter einem Herren herschleichend und sich
notfalls einen Neuen suchend, nur auf die eigenen Vorteile bedacht
sein, lügen.
Lustigerweise musste ich doch grinsen,
als ich in BofA Alfrid gesehen habe, der durch knietiefes Wasser
kriecht und immer noch um Hilfe schreit, obwohl er sich schon längst
aufrichten könnte, da ich doch an den Gríma aus dem Buch denken
musste, der ähnlich greinend drauf ist, als er hinter Saruman
herkriecht und darüber jammert, dass er schlecht behandelt und
geschlagen wird. Nun, im Film haben sie Sarumans Weg zum Auenland
natürlich nicht mitgenommen.
Sie sind sich ähnlich, natürlich.
Sind beides ähnliche Charaktere von der Gesinnung her, und bei der
Szene, in der Alfrid Gandalf „Hey, pointy hat!“ hinterher ruft
und sie sich dann entgegengehen, hatte ich doch sehr die Szene aus
Edoras vor Augen. Es hat es nicht besser gemacht, dass Alfrid Gandalf
ebenfalls mit dem Wort „meddler“ begrüßt hat, und es hätte
beinahe nur noch gefehlt, dass Gandalf ihm verärgert mit seinem Stab
droht, und ein deutlicher Spiegel wäre hergestellt.
Sie haben sogar ähnliche musikalische Themen - viele Dissonanzen, wobei bei Gríma weniger Musik gespielt wird als bei Alfrid - womöglich, damit man sich mehr auf seine Worte konzentriert und nicht durch Musik abgelenkt wird?
Sie haben sogar ähnliche musikalische Themen - viele Dissonanzen, wobei bei Gríma weniger Musik gespielt wird als bei Alfrid - womöglich, damit man sich mehr auf seine Worte konzentriert und nicht durch Musik abgelenkt wird?
Auf der anderen Seite merkt man doch,
dass dies hier eben ein kleineres Format als „Herr der Ringe“
ist. Die Charaktere sind dörflicher, bodenstämmiger; es geht eben
um einen Berg und nicht um ein gesamtes Land.
Von daher muss ich wohl sagen, dass
Gríma auch nicht so sehr den Witzfigurstatus wie Alfrid innehatte.
Man hat ihn ernst genommen; man hat bei ihm bemerkt, dass er doch
eine gewisse Macht innehat und diese auch zu Nutzen weiß.
Wie Alfrid auch sagte: „Nicht jeder
Mann hat den Mut, ein Korsett anzuziehen!“ - wo das halbe
(deutschsprachige) Kino verhalten gelacht hat, ob dies jetzt am
deutschen Publikum liegt oder an der englischen Version, die doch
lustiger herüberkam – ich glaube nicht, dass Gríma den Mut dazu
gehabt hätte. Er hat sich erniedrigen lassen, ja, aber nicht so
weit.
Liegt es daran, dass sie beide doch
verschiedene Ziele hatten; dass bei Gríma doch auch die Begierde von
einer Frau die Rolle spielte und nicht nur die des Goldes und des
Reichtums, wie bei Alfrid?
Bei dem Gríma im Film fällt die Gier
nach Reichtum ein wenig weg; kommt bei Alfrid dafür umso
ausgeprägter vor – liegt hier womöglich eine Spaltung dieser
zweier Aspekte von Gríma vor?
Ich würde dem nicht unbedingt
nachtrauern; mir hat es gut gefallen, dass der Gríma im Film sehr
viel arroganter und mehr die Dinge „unter Kontrolle“ gehabt zu
haben schien – er war selbstbewusster, als er im Buch herüberkommt,
dabei jedoch nicht so sehr selbstüberschätzend und andere Leute
verachtend wie Alfrid, der ja selbst denkt, ihm steht alles zu.
Ist es der Fakt, dass Gríma sehr wohl
durch seinen Verrat weiß, dass höhergestellte Persönlichkeiten ihm
gefährlich werden könnten, dass Saruman sich womöglich als
unberechenbar erweisen könnte? Ist es, weil er sehr genau weiß,
wenn er nur eine falsche Bewegung und ein falsches Wort sagt, dann
wendet sich das Land gegen ihn, angeführt von Éomer?
Gríma ist in einer sehr viel
kritischeren Position als Alfrid, der ja „nur“ das Zimmermädchen
für den Bürgermeister spielt und sein Stellvertreter ist. Wenn die
Leute feindselig Alfrid gegenüber sind, dann können sie das zeigen,
da es ja somit „nur“ seine Person und der Bürgermeister ist, den
sie beleidigen. Bei Gríma jedoch sprich er repräsentativ durch den
König, wo das schon eine ganz andere Sache ist, wenn man seinen
König liebt, aber eben seinen Ratgeber... nun ja, hasst.
Außerdem hatte ich nie das Gefühl,
als wenn Alfrid tatsächlich die Macht für sich allein gehabt haben
wollte; er würde lieber gerne anderen Leuten nachlaufen – ein
Mitläufer eben. Gríma indessen würde ich es schon zutrauen, selbst
zu versuchen, ein Land nach seinen Vorstellungen zu lenken –
solange er die Unterstützung anderer mächtiger Leute hat und er
vielleicht eben einen Puppenkönig, auf den er notfalls die Schuld
abwälzen kann. („This order doesn‘t come from me. It comes
from the king. He signed it this morning.“ Als ob Éomer dir
das glauben würde, mein Herr. Und dennoch muss man ihm zugute
halten: Sein Wort hat dennoch großes Gewicht; Éomer durchlebt
seinem Gesichtsausdruck nach zumindest eine ungläubige
Schocksekunde.)
Und noch etwas, was sie beide gemeinsam
haben: Sie verschwinden ohne ein weiteres Wort spurlos aus dem Film.
Beim „Herrn der Ringe“ wird Grímas
Werdegang ja noch erläutert; entweder man kennt den Verlauf des
Buches, an dessen Ende er stirbt, nachdem er nach langem Hungermarsch
seinen Herren umbringt, oder eben in der SEE von „The Return of the
King“, wo ihm ein ähnliches Ende blüht – nur ohne den
Hungermarsch vorangesetzt, da Saruman hier ja gar nicht in das
Auenland kommt.
Alfrid jedoch verschwindet spurlos aus
dem Film, mit den Taschen (oder eher, dem Korsett) voller Gold,
während eine Schlacht in vollem Gange ist. Was mit ihm passiert,
steht in keinem Buch, denn im „Hobbit“ kommt er noch nicht einmal
vor. Ich kann nur darüber spekulieren, dass er entweder erschlagen
wird oder es vielleicht in die Wildnis schafft – und somit das
Schicksal vom Bürgermeister im Buch übernimmt, dem er ja doch auch
schon sehr durch seine heuchlerischen Worte über Bard ähnelt. Es
ist interessant, dass ihm hier im „Hobbit“ doch eine größere
Rolle als gedacht zugefallen ist; selbst, wenn es nur ist, damit er
zu einer Witzfigur verkommt.
Ich schätze also, dass er wohl in der
Wildnis irgendwo im Winter sterben wird; verhungern. Oder sich einen
neuen Herren suchen, dem er folgen kann.
Man kann natürlich nun damit
argumentieren, dass eben, wie ich schon früher sagte, der „Herr
der Ringe“ ein ganz anderes Kaliber und eine vollkommen andere
Größenordnung ist, und doch... Gríma bereut am Ende; dies sieht
man deutlich, indem er zögert, als Théoden ihm vergibt und er dann
schließlich seinen Herren Saruman umbringt.
Alfrid tut dies nicht; er wendet sich
ohne jegliche Trauer Bard zu und akzeptiert ihn, wenn auch
widerwillig.
Nun, wie ich schon sagte: Andere
Größenordnung.
Und dies waren meine Gedanken zu den
beiden, in aller Schnelle aufgeschrieben.
Beide haben ihre starken und schwachen
Seiten; allen voran, dass Alfrid doch eher kein Blatt vor den Mund
nimmt und in gewisser Weise ehrlicher ist. Und, im Gegensatz zu dem
Herrn Ratgeber, zumindest ein recht passabler Schwimmer zu sein
scheint. *g*
Die Gegenüberstellung hat mir gut gefallen, auch, dass du weniger wertend, sondern eher sachlich vorgegangen bist.
AntwortenLöschenIch fand Alfrids Charakter im Film ziemlich spannend und habe ihn nicht nur als Witzfigur gesehen, sondern auch als erschreckendes Beispiel dafür, wie viel Erfolg Opportunisten haben können. Zu denen ich Gríma übrigens nicht zähle, weswegen er wahrscheinlich doch mehr "Ehre" besitzt.
Auf jeden Fall ist es schön, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, beide gegenüberzustellen, worauf ich schon beim Anschauen des dritten Teils gehofft hatte. :)